Berlin. Mehrere Migranten berichten von Übergriffen durch ungarische Polizisten. Ein Vertreter des ungarischen Innenministeriums bestritt die Anschuldigungen.

„Wenn du einen Fehler machst, nehmen sie dich mit zu einem Container und schlagen dich“, sagt ein junger Mann aus Palästina. Vier Monate war er in einem geschlossenen Lager in Ungarn untergebracht. Er hatte versucht, auf eigene Faust weiter in Richtung Österreich zu reisen, doch die ungarische Polizei schnappte ihn. Und sperrte ihn ein. 450 Menschen waren in dem Lager. Menschen wie der junge Palästinenser waren vor Krieg und Gewalt nach Europa geflohen.

Die Menschenrechtler von Amnesty International interviewten den jungen Palästinenser in Ungarn und 142 weitere Zeugen. Mehrere Migranten berichten von Übergriffen durch ungarische Polizisten. Ein Vertreter des ungarischen Innenministeriums bestritt die Anschuldigungen. Die Polizei würde nach Gesetz handeln und nicht gegen Recht verstoßen.

Doch es sind Vorwürfe, die sich mit Recherchen dieser Redaktion, aber auch den Erfahrungen anderer Organisationen wie dem UNHCR und Human Rights Watch decken. In den Camps zwischen Türkei, Griechenland und Ungarn erzählen Geflüchtete, dass sie auf ihrer Reise beschimpft, bestohlen oder betrogen wurden. Und geschlagen. Mal ging die Gewalt von Beamten aus, mal von Schleppern oder Anwohnern. Mal eskalierten Konflikte der Flüchtlinge untereinander. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex registriert Menschenrechtsverletzungen gegenüber Asylsuchenden in Europas Staaten.

Reporter dieser Redaktion sprachen mit Dutzenden Migranten entlang der Fluchtrouten. Ahmed aus Syrien erzählte, dass andere junge Migranten in einem Camp auf der griechischen Insel Chios von Hunden der Polizei gebissen wurden. Die Menschen hatten gegen die schlechte Versorgung protestiert. Abraham aus Eritrea erzählte von einem Schmuggler in der Türkei, der ihn mit einer Pistole bedroht hatte, weil er nicht auf das überfüllte Schlauchboot in Richtung Griechenland steigen wollte.

Die ungarische Regierung versucht seit Monaten, mit der Flüchtlingspolitik innenpolitisch Punkte zu machen. Ministerpräsident Viktor Orbán, ein strikter Gegner der Aufnahme von Migranten, nutzt das Thema, um seine Landsleute hinter sich zu scharen. Für Sonntag hat er die rund acht Millionen Ungarn per Referendum aufgerufen, die umständlich klingende Frage zu beantworten: „Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?“ Hintergrund ist die 2015 vereinbarte EU-Regelung, 160 000 Flüchtlinge per Quote quer über die Gemeinschaft zu verteilen.

Das Land hat längst Fakten geschaffen: An den Grenzen zu Serbien und Kroatien stehen kilometerlange Stacheldrahtzäune, um „illegale Einwanderer“ – so die Budapester Sprachregelung – abzuwehren. Wenige werden durchgelassen. Viele versuchen es daher irregulär über die grüne Grenze.