Philadelphia. Russische Hacker sollen kompromittierende Schreiben der Demokraten abgefischt haben. Die Kandidatin gerät bei dem Nominierungsparteitag in Bedrängnis.

Auf dem Hillary-Clinton-Parteitag in Philadelphia elektrisiert eine Spekulation die politische Szene in Amerika: Haben russische Hacker kompromittierende E-Mails abgefischt und an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet, die den ohnehin angekratzten Ruf der demokratischen Präsidentschaftskandidatin zusätzlich beschädigen könnten?

Oder mit anderen Worten: Mischen sich die Geheimdienste von Wladimir Putin zugunsten des Republikaners Donald Trump via Cyberspace in den Präsidentschaftswahlkampf des ehemaligen Klassenfeindes ein? Seit Wikileaks 20 000 interne E-Mails des Parteivorstands der Demokraten (DNC) veröffentlicht hat, ist der Plan des Clinton-Lagers, in der Stadt der „brüderlichen Liebe“ den Kontrapunkt zu Trumps düsterem Egotrip in Cleveland zu setzen, jedenfalls über den Haufen geworfen.

Aus den digitalen Einträgen geht hervor, dass Funktionäre der Partei um die Clinton-Anhängerin und Partei-Managerin Debbie Wasserman Schultz im Vorwahlkampf alles andere als unparteiisch agierten. Leidtragender: Bernie Sanders, Ikone der Parteilinken und Clinton bis zum Frühsommer nah auf den Fersen gewesen. Um ihn zu stoppen, wollten DNC-Mitarbeiter vor den Vorwahlen in West Virginia und Kentucky Zweifel an Sanders’ jüdischem Glaubensbekenntnis säen. In der Hoffnung, dass die religiösen Wähler den Senator (74) aus Vermont als Atheisten begreifen – und ablehnen. Der Plan wurde nicht exekutiert, kam aber jetzt durch das E-Mail-Leak an die Öffentlichkeit. Clinton distanzierte sich in einem Gespräch mit dem Sender CNN von solchen Äußerungen: Es sei falsch, Religion in die Politik einzubringen. Allerdings habe sie die umstrittenen E-Mails nicht gelesen.

Vertraute von Clinton und Obama tritt zurück

Sanders reagierte vergrätzt, wollte seine für Montagabend in einer großen Rede angekündigte Unterstützung für Clinton aber nicht revidieren. Alles müsse dem Ziel untergeordnet werden, „Trump zu verhindern“, sagte er. Clinton wies jede Verantwortung für die Sabotage-Versuche zurück. Dagegen kündigte Debbie Wasserman Schultz, eine Vertraute von Clinton und Präsident Obama, an, nach dem Konvent in Philadelphia zurückzutreten. Ihre Entscheidung, erst nach dem Konvent abzutreten, sorgt für weiteren Ärger.

Ausgestanden ist die Affäre, die das Selbstbild der Demokraten als aufrichtige Alternative zur Schlangengrube der Republikaner zerstört, damit aber nicht. Sympathisanten von Bernie Sandersollen in Philadelphia Krach schlagen. „Clintons Leute haben von Anfang an mit falschen Karten gegen Sanders gespielt“, sagte der Demonstrant Justin Coley dieser Zeitung.

Mit Verweis auf US-Geheimdienstquellen versuchte Clintons Wahlkampfchef Robby Mook von der Schmutzkampagne gegen Sanders abzulenken. Seiner Lesart nach geht der digitale Diebstahl, dessen Beute bei Wikileaks deponiert wurde, auf Hacker zurück, die von Russland gesteuert wurden. „Es ist beunruhigend, dass uns Experten sagen, dass die Russen das getan haben, um Donald Trump zu helfen“, erklärte Mook in einem Interview. Beweise legte er nicht vor, erwähnte aber die jüngsten kritischen Äußerungen Trumps gegen die Nato und dessen unverhohlene Bewunderung für Russlands Präsidenten Putin. Trumps Wahlkampf-Manager Paul Mannafort konterte den Verdacht, dass Moskau die Wahlen in Amerika destabilisieren will und mit Trump konspiriert: „Barer Unsinn. Worüber reden wir hier eigentlich.“ Ähnliche Stellungnahmen kamen aus Moskau. Tatsache ist aber, dass Hacker jüngst große Datenbestände der Demokraten in ihren Besitz gebracht hatten. Regierungsinterne Untersuchungen ergaben, dass die Eindringlinge, die unter den Tarn-Namen „Fancy Bear“ und „Cozy Bear“ firmieren, auch in Rechner des Außenministeriums und des Weißen Hauses eingedrungen waren. Wie die „New York Times“ schreibt, sind die Hacker-Gruppen dem FBI bekannt und werden als Auftragnehmer des russischen Militärgeheimdienstes GRU geführt.

Ein Ende der E-Mail-Affäre, für Clinton ist es nach den Ungereimtheiten um ihr digitales Gebaren als Außenministerin die zweite, ist nicht absehbar. Wikileaks-Gründer Julian Assange kündigte in britischen Medien an, dass in Kürze neue E-Mails veröffentlicht würden. Sie sollen reichen, „um Hillary Clinton vor Gericht zu bringen“.

TRUMP LEGT IN UMFRAGEN ZU

Donald Trump käme nach einer von CNN in Auftrag gegebenen Erhebung in einem direkten Vergleich mit Hillary Clinton auf 48 Prozent, wenn jetzt gewählt würde.

Der Kandidat der Konservativen gewann damit sechs Prozentpunkte dazu.

Hillary Clinton würde demnach nur 45 Prozent erreichen.