Washington. Die Kandidatin legt einen Auftritt hin, wie man ihn bisher eher von Donald Trump kannte.

Bis zum ersten großen TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten in Dayton/Ohio sind es noch fast vier Monate. Aber Donald Trump weiß schon jetzt ziemlich genau, was ihn erwartet, falls Hillary Clinton bei den letzten Vorwahlen nächste Woche ihren hartnäckigen Widersacher Bernie Sanders endgültig abhängen sollte: Ununterbrochenes Sperrfeuer einer Gegnerin, die das ist, was die Amerikaner bewundernd „tough as nails“ nennen – knallhart. In San José blies die von Umfrageschwächen, unausgestandenen Affären und mangelnder Beliebtheit im Volk geplagte Demokratin in Ton und Inhalt derart zur Generalmobilmachung, dass von dem republikanischen Radikalpopulisten nach Ansicht von Kommentatoren „am Ende nur noch Trümmer übrig blieben“.

Clintons sorgfältig inszenierte Attacke ist eine Zäsur. Die ehemalige First Lady und Außenministerin wollte sich nach eigenen Beteuerungen nie auf das aggressive Niveau ihres Gegenspielers begeben. Perdu. Die heiße Phase des mehr als ruppigen Wahlkampfes wird noch „hässlicher, schmutziger und furchtbarer“ als befürchtet, prophezeit der Sender CNN.

Der rote Faden, den Clinton an der Westküste zum ersten Mal anhand von Trumps Äußerungen zur Nato, zu China, Russland, dem Nahen Osten, zu Folter, Muslimen, Mexikanern und dem Kampf gegen den Islamischen Staat minutiös ausrollte, geht so: „Donald Trumps Ideen sind nicht nur anders, sie sind auf gefährliche Weise undurchdacht. Es sind nicht mal wirklich Ideen, sondern nur bizarre Beschimpfungen, persönliche Attacken und komplette Lügen. Trump ist nicht nur nicht bereit für den Job, sein Temperament macht ihn ungeeignet für ein Amt, das Wissen, Standhaftigkeit und immenses Verantwortungsgefühl erfordert. Dieser Mensch ist niemand, der jemals die Codes für die Atombombe haben sollte. Denn es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie Donald Trump uns in einen Krieg führt, nur weil jemand unter seine sehr dünne Haut geraten ist.“

Im Publikum rieben sich viele die Augen, als Clinton mit schneidender Stimme bilanzierte: „Donald Trump hat überhaupt keine Ahnung, wovon er redet.“ So böse und vernichtend hatte die ehemalige Chefdiplomatin noch nie über einen Gegner gesprochen.

Die Strategie dahinter ist klar, ob sie aufgeht, nicht. Trumps glühende Anhänger, immun selbst gegen lückenlose Nachweise, dass ihr Held Unsinn erzählt oder schlicht lügt, hat sie längst abgeschrieben. Aber es soll sich ein Bild einprägen bei den vielen Millionen noch unentschlossenen Wechselwählern und Parteiunabhängigen, für die der 8. November noch weit weg ist: Ich, Hillary Clinton, mag zwar meine Macken haben, aber ich kenn’ mich aus in der gefährlich komplizierten Welt. Donald Trump dagegen ist ein loser Vogel, der außer Hochhäuser bauen nicht viel kann, sich nicht unter Kontrolle hat und uns und die ganze Welt an den Abgrund regiert.

Eine kompromisslose Analyse, die weit bis in republikanische Kreise geteilt wird. Donald Trump, selten um markige Konter verlegen, muss die Breitseite Clintons irritiert haben. Sie hat meine außenpolitischen Vorstellungen „völlig verzerrt“, klagte der Unternehmer kleinlaut, verzichtete aber auf Präzisierungen. Stattdessen spielte Trump seine Lieblingsrolle: Ankläger und Richter in einer Person. Wegen ihrer von der Bundespolizei FBI noch untersuchten E-Mail-Affäre, müsse Clinton „in den Knast“, rief Trump allen Ernstes seinen Anhängern zu. „Ehrlich, Leute – sie ist so was von schuldig.“ Ehrlich?