Brüssel. Die Abschottung in Österreich führt zu schweren Spannungen. Bei den Verhandlungen zum Abwenden eines „Brexits“ gibt es vorsichtigen Optimismus.

Flüchtlingsobergrenzen Österreichs haben beim Brüsseler Krisengipfel für Protest und neue Spannungen unter den EU-Chefs gesorgt. Die EU-Kommission sieht internationales Recht verletzt und fordert ein Überdenken der Maßnahmen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hielt dem entgegen: „Juristische Meinungen werden von Juristen beantwortet. Politisch sage ich: Wir bleiben dabei.“

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen in der Flüchtlingskrise ein Ende der „Politik des Durchwinkens“ fordern - das geht aus der vorbereiteten Gipfel-Abschlusserklärung hervor. Eine Einigung über die von London geforderten EU-Reformen zur Verhinderung eines „Brexits“ schien bei dem zweitägigen Spitzentreffen möglich.

Die Begrenzung der Zahl von Asylanträgen in Österreich sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Konvention sowie mit Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta vereinbar, schrieb EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos nach Wien. Italiens Regierungschef Matteo Renzi sagte: „Wir können uns nicht vorstellen, den Brenner zu schließen.“ Der Brenner-Pass verbindet Italien mit Österreich.

Wien hatte zuvor Tagesobergrenzen von 3200 Flüchtlingen festgelegt, die nach Deutschland weiterreisen wollen. Zudem ist für Österreich eine Höchstzahl von täglich 80 Asylanträgen an der Südgrenze geplant. Damit soll die Jahres-Obergrenze von 37 500 Asylbewerbern eingehalten werden. Die Kommission kritisiert nicht nur die Beschränkung von Asylanträgen, sondern auch die geplante Transitregelung. Das Schreiben des Kommissars liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Zusammenarbeit mit der Türkei weiter Priorität. Der EU-Türkei-Aktionsplan zur Sicherung der Außengrenze, zum Kampf gegen Schlepper und für legale Wege der Migration werde weiter umgesetzt, sagte sie. Sie setze dabei weiter auf eine gesamteuropäische Politik. „Wir wollen eine Lösung der 28.“

Ein Treffen des Club der Willigen am Rande des Gipfels wurde abgesagt, da der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu wegen des Anschlags in Ankara Zuhause blieb. Unmittelbar vor Gipfelbeginn kam Merkel mit dem französischen Präsidenten François Hollande zusammen.

Der Gipfel sieht laut vorbereiteter Abschlusserklärung die Flüchtlingsbewegungen auf der Balkanroute mit „tiefer Besorgnis“. Auch mögliche Entwicklungen auf anderen Wegen müssten beobachtet werden, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können.

Die „Politik des Durchwinkens“ - also das Weiterreichen von Flüchtlingen an Nachbarstaaten - ist eines der Kernprobleme der Flüchtlingskrise. Die Anrainerstaaten der Balkanroute benannten es bei ihrem Treffen Ende Oktober, auch die EU-Kommission kritisiert den Ansatz immer wieder.

Die Gipfel-Teilnehmer wollten die Bedeutung des Schutzes der EU-Außengrenzen betonen. Die 26 Mitgliedsstaaten des eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raums müssten zu einer Situation zurückkehren, in der sie dessen Regeln wieder anwendeten, heißt es. In der Flüchtlingskrise führten mehrere Staaten wieder Grenzkontrollen ein.

Die Länder der sogenannten Balkanroute wollen die Flüchtlinge nach einer Erstkontrolle in Mazedonien künftig gemeinsam in Richtung Deutschland transportieren. Das verabredeten die Polizeidirektoren Mazedoniens, Serbiens, Kroatiens, Sloweniens und Österreichs am Donnerstag in Zagreb.

Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs berieten zunächst über das Reformpaket für Großbritannien, um einen Austritt des Landes aus der Union abzuwenden. EU-Gipfelchef Donald Tusk sprach von „sehr schwierigen und sensiblen Verhandlungen“. Beim Gipfel werde es „um alles oder nichts“ gehen. „Ein Abschluss ist möglich, da er nötig ist“, sagte Hollande.

Großbritanniens Premier David Cameron kündigte an, er kämpfe für sein Land. „Wenn wir eine gute Vereinbarung bekommen, werde ich diesen Deal annehmen - aber ich werde keinen Deal annehmen, der unseren Bedürfnissen nicht entspricht“. Cameron will seine Landsleute womöglich noch im Juni über die weitere EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen.

Als besonders heikel galten bis zuletzt die Forderungen Großbritanniens, zugewanderten EU-Bürgern bestimmte Sozialleistungen vorenthalten zu können. dpa

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