Berlin. Geheime Dokumente zeigen, wie Luxemburg über Jahre Weltkonzerne unterstützte, ihre Steuerlast kleinzurechnen. Das alles passierte in der Ära Juncker, der unter Druck gerät.

Deutsche und internationale Konzerne sparen mit Unterstützung Luxemburgs Steuern in Milliardenhöhe. Das Großherzogtum soll über Jahre äußerst komplizierte Finanzkonstruktionen gebilligt haben. Manche Unternehmen hätten dadurch legal auf Gewinne teilweise weniger als ein Prozent Steuern gezahlt, berichteten die „Süddeutsche Zeitung“, die Sender WDR und NDR sowie internationale Medien am Donnerstag. In monatelangen Recherchen deckten sie auf, dass Top-Konzerne wie Ikea, Amazon, Pepsi, Apple, Eon oder die Deutsche Bank im großen Stil die Luxemburg-Connection nutzten.

Pikant ist, dass viele der Praktiken in die Zeit fielen, als der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Premierminister Luxemburgs war. Unter ihm stieg das kleine Herzogtum zum zweitgrößten Investment-Zentrum der Welt nach den USA auf. Juncker steht erst seit Anfang November an der Spitze der Kommission. Damit führt der 59-Jährige nun die Behörde an, die für die Untersuchung der luxemburgischen Steuerpraktiken zuständig ist.

Juncker äußerte sich am Donnerstag nicht persönlich zu dem Fall. Ein Sprecher sagte, die zuständige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager werde die Vorwürfe gegen luxemburgische Behörden vollkommen unabhängig untersuchen. Dabei verwies er auf bereits laufende Prüfverfahren, die neben Luxemburg auch Irland und die Niederlande betreffen.

Vestager wollte sich zu Details nicht äußern. Das Ergebnis der Untersuchungen könne nicht vorhergesagt werden, erklärte sie. Es sei noch unklar, ob die Veröffentlichungen weitere Ermittlungen nach sich ziehen würden. Die Steuertricksereien mit Tochterfirmen, Zinsen und Dividenden sind im Kern schon länger bekannt und umstritten, weshalb auch die EU-Kommission dagegen vorgeht.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte fragwürdige Steuerkonstruktionen von Konzernen mit Hilfe auch von EU-Staaten, ohne direkt auf die von Luxemburg genehmigten Steuerpraktiken einzugehen. Vor dem Bundestag sagte er aber: „Es kann ja nicht sein, dass sich Wenige auf Kosten Vieler bereichern.“ Dies gelte für Staaten wie Unternehmen, für Kleine wie Große. Ähnlich äußerte sich auch Frankreichs Finanzminister Michel Sapin.

SPD-Finanzexperte Carsten Schneider verlangte umgehend Aufklärung von Juncker, der auch zwei Jahrzehnte Finanzminister Luxemburgs war. Juncker müsse sagen, was er von den Handlungsweisen der Behörden seines Landes gewusst habe. Die Linkspartei warf Juncker Beihilfe zur Steuerhinterziehung großer Konzerne vor, die ihre Steuerlast teils fast auf Null gesenkt hätten.

Die Medien werteten Unterlagen im Umfang von 28 000 Seiten aus. Darin tauchten auch drei deutsche Dax-Konzerne auf: die Deutsche Bank, der Energieversorger Eon und der Gesundheitskonzern Fresenius Medical Care.

Die luxemburgische Regierung hält die Steuerpraktiken im Großherzogtum für rechtmäßig, räumt aber ein politisches Problem durch günstige Steuervereinbarungen mit internationalen Konzernen ein. „Luxemburg hält sich an nationale Gesetze und internationale Gesetze“, sagte Regierungschef Xavier Bettel. „Wir sind absolut auf dem Weg zur Steuergerechtigkeit.“ Die Enthüllungen über Vereinbarungen mit Unternehmen „werfen natürlich kein gutes Licht auf Luxemburg“, fügte er hinzu.

Die Steuer- und Finanzberatungsfirma PriceWaterhouseCoopers (PWC) bestätigte, dass die Veröffentlichungen „sehr wahrscheinlich auf Unterlagen aus dem eigenen Haus beruhten und warf Medien „eine massive Kampagne gegen das Großherzogtum“ vor. „Wir reden über Aktivitäten, die täglich in einer Vielzahl europäischer Länder praktiziert werden“, sagte der Manager des Unternehmens in Luxemburg, Didier Mouget. Schon 2012 habe PWC wegen Diebstahls von Dokumenten eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

Die EU-Kommission bekräftigte ihr Vorgehen gegen fragwürdige Steuerkonstrukte: „Wir gehen gegen alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen vor, die durch Steuermaßnahmen bestimmten Unternehmen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gewähren.“ Solche versteckten staatlichen Beihilfen sind nach EU-Recht verboten.

Seit Sommer 2013 laufen vier Prüfverfahren gegen Irland, die Niederlande und Luxemburg. Dabei geht es um den Verdacht illegaler Steuervorteile für den Online-Händler Amazon und für die Finanztochter des Fiat-Autokonzerns (Fiat Finance and Trade) in Luxemburg. Zudem prüft Brüssel eine mögliche steuerliche Begünstigung für Apple in Irland und Starbucks in den Niederlanden.

Juncker hatte am Mittwoch in Brüssel auf die Frage nach diesen Fällen bekräftigt: „Die Kommission wird ihre Arbeit machen. Ich werde mich in dieses Dossier nicht einmischen. (...) Ich habe eine Meinung dazu, aber ich werde diese für mich behalten.“ Neue EU-Wettbewerbskommissarin ist die Dänin Margrethe Vestager. dpa