Ottawa. Ein Soldat ist tot, auch der Attentäter starb. Doch die Hintergründe des Anschlags im Regierungsviertel in Ottawa liegen im Dunklen. War ein Einzeltäter am Werk, zogen Islamisten die Fäden?

Nach dem Attentat im Regierungsviertel der kanadischen Hauptstadt Ottawa mit zwei Toten suchen die Behörden weiter nach möglichen Hintermännern. Polizei und Justizbehörden hielten sich mit Angaben zu dem Verbrechen stark zurück. Auch zwölf Stunden nach dem Anschlag war noch unklar, ob es sich um einen Einzeltäter handelte oder ob er Komplizen hatte. Auch zur Frage, ob es einen islamistischen Hintergrund gebe, nahm die Polizei nicht Stellung.

Bei dem Attentat war ein Soldat an einem Kriegsdenkmal erschossen worden. Kurz darauf fielen im nahe gelegenen Parlamentsgebäude Schüsse, der mutmaßliche Attentäter wurde getötet. Drei Menschen wurden im Krankenhaus behandelt, konnten dieses aber nach Angaben der Klinik kurz darauf wieder verlassen.

Es war der zweite Anschlag in Kanada in dieser Woche. Am Montag hatte ein mutmaßlicher Islamist zwei Soldaten mit einem Auto überfahren. Ein Soldat starb, der Täter wurde nach einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen.

Ministerpräsident Stephen Harper, der sich am Mittwoch zum Zeitpunkt des Anschlags im Parlament befand, nannte die Tat „brutal und gewalttätig“. Bei einer TV-Ansprache kündigte er ein stärkeres Engagement seines Landes im Kampf gegen den internationalen Terrorismus an. Kanada lasse sich nicht einschüchtern, sagte er. Einzelheiten zu der Attacke nannte Harper nicht. Er war nach den ersten Schüssen sofort in Sicherheit gebracht worden.

Am Abend (Ortszeit) hob die Polizei Absperrungen und weitere Sicherheitsmaßnahmen in Ottawas Innenstadt wieder auf. Für die Bevölkerung bestehe keine Gefahr mehr, hieß es. Abgeriegelt blieb das Gebiet um das Parlament. Die Polizei verwies auf die fortlaufenden Ermittlungen.

Laut unbestätigten Medienberichten handelt es sich bei dem mutmaßlichen Attentäter um einen 32-jährigen kanadischen Staatsangehörigen. Der bei dem Anschlag ums Leben gekommene Mann sei erst kürzlich als „Reisender mit hohem Sicherheitsrisiko“ („high-risk-traveller“) eingestuft worden, berichtete die Zeitung „Globe and Mail“ unter Berufung auf namentlich nicht genannte Behördenquellen. In weiteren Medienberichten hieß es, er stehe auf einer Liste von 90 Personen, die wegen einer möglichen Terrorgefahr beobachtet werden. Der TV-Sender CNN berichtete unter Berufung auf nicht genauer beschriebene Quellen, der mutmaßliche Attentäter sei kürzlich zum Islam übergetreten.

Das kanadische Fernsehen zeigte dramatische Bilder aus dem Parlamentsgebäude: Schwer bewaffnete Polizeibeamte rannten geduckt über die Gänge, als Schüsse fielen. Abgeordnete und Parlamentsmitarbeiter verbarrikadierten sich in Büros. Parlamentarier twitterten, dass etwa 30 Schüsse zu hören gewesen seien.

Gilles Michaud von der Royal Canadian Mounted Police räumte ein, dass es noch Unklarheiten gebe. Viele Fragen könnten noch nicht beantwortet werden. „Aber ich verspreche Ihnen diese Antworten, sobald wir sie haben.“

Nach Angaben der Polizei hatte es zuvor keinen konkreten Hinweis auf das Verbrechen gegeben. Die Sicherheitsstufe war auf mittlerem Niveau. „So ist sie seit Jahren und wir hatten keine Hinweise, die eine Verschärfung nötig gemacht hätten“, sagte Michaud.

US-Präsident Barack Obama wurde ständig über die Lage unterrichtet. Er sagte Harper in einem Telefonat Solidarität zu. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich geschockt.

Kanada gehört der internationalen Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Nahost an. In Washington wurde die Bewachung am Grab des unbekannten Soldaten verstärkt. dpa