Newport. Die Nato lässt in der Ukraine-Krise Worten Taten folgen: Das Bündnis schickt mehr Soldaten an seine östlichen Grenzen und baut eine sehr schnelle, mehrere Tausend Mann starke Kampfeinheit auf.

Die Nato will wegen der Ukraine-Krise vorbeugend den Schutz für ihre osteuropäischen Mitgliedsstaaten erhöhen, vor allem für das Baltikum und Polen. Das hat unmittelbare Folgen auch für die Bundeswehr – deutsche Soldaten werden ein Hauptquartier in Polen verstärken, einer schnellen Eingreiftruppe angehören und öfter zu Manövern in Polen oder dem Baltikum eingesetzt.

Sehr konkret ist die Verabredung von Deutschland, Dänemark und Polen, ihr gemeinsames Hauptquartier des Multinationalen Korps Nordost in Stettin aufzustocken – von dort aus sollen bei einem Angriff aus dem Osten Nato-Kampftruppen geführt werden. Bislang sind in Stettin 200 Soldaten eingesetzt, künftig sollen es 400 sein; die Zahl der Bundeswehrsoldaten wird sich von 30 auf 60 verdoppeln. Damit könne schneller auf Bedrohungen reagiert werden, erklärt das Bundesverteidigungsministerium. Möglicherweise wird das Hauptquartier auch an der Führung einer extraschnellen Eingreiftruppe beteiligt: Bislang gehören etwa 25 000 Soldaten der schnellen Nato-Eingreiftruppe an, davon 2400 aus Deutschland.

Eine jetzt verabredete „Speerspitze“ von rund 4000 Soldaten soll im Krisenfall schon innerhalb von zwei bis fünf Tagen einsatzbereit sein; Deutschland wird voraussichtlich das deutsch-niederländische Korps in Münster für diese Aufgabe melden. Die Soldaten bleiben aber an ihren Standorten im Westen, eine Stationierung in Osteuropa ist nicht vorgesehen. Dass die Nato tatsächlich eines Tages in Osteuropa kämpft, um eines ihrer Mitgliedsländer zu verteidigen, gilt als völlig unwahrscheinlich.

Der wohl wichtigste Gipfel der Nato nach Ende des Kalten Krieges geht in seinen zweiten und letzten Tag.
Der wohl wichtigste Gipfel der Nato nach Ende des Kalten Krieges geht in seinen zweiten und letzten Tag. © Facundo Arrizabalaga/dpa

Für die deutschen Soldaten der Eingreiftruppe gäbe es aber selbst dann keinen Automatismus: In einer solchen Lage müsste der Bundestag zuvor den Bündnisfall beschließen; ob das Parlament dann auch einzelnen Kampfeinsätzen der Bundeswehr zustimmen müsste, ist nicht eindeutig geregelt. Ohne die Ausrufung des Bündnisfalls müsste der Bundestag jeden bewaffneten Einsatz genehmigen, bei Gefahr im Verzug auch nachträglich. Allerdings berät derzeit eine Expertenkommission des Bundestags über eine Reform, die im Einzelfall einen unkomplizierteren Einsatz von Soldaten ermöglichen könnte. Zu den neuen Anforderungen an die Bundeswehr zählt auch die Teilnahme an Nato-Militärmanövern im Osten des Bündnisgebietes; schon bald machen 150 deutsche Soldaten bei einer Übung im Baltikum mit.

Bundesregierung und Koalition sind entschlossen, die neuen Aufgaben auch ohne höheren Wehretat zu bewältigen, wie gestern bekräftigt wurde. Allerdings verlangen einzelne Unionspolitiker dennoch eine Aufstockung.

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