Istanbul/Kairo. Mit einem Schreckensszenario von 100 000 Toten hat der UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi die Konfliktparteien im syrischen Bürgerkrieg zu einer raschen politischen Lösung aufgefordert.

Er hoffe, dass es noch vor «dem zweiten Jahrestag der Krise» am 18. März eine Einigung gebe, sagte der algerische Diplomat am Sonntag in Kairo.

Obwohl das größte syrische Oppositionsbündnis einen Dialog mit Vertretern des Regimes von Präsident Baschar al-Assad ablehnt, hält Brahimi weiter an einem Friedensplan fest. Es gebe nur die Wahl zwischen einem politischen Prozess und der Hölle, sagte der Vermittler. Seine Vorschläge hat er bei Gesprächen mit der syrischen und russischen Führung diskutiert. Grundlage ist dabei der Genfer Friedensplan, der unter anderem eine Waffenruhe, die Bildung einer Übergangsregierung sowie Wahlen zu einem späteren Zeitpunkt vorsieht.

Brahimi tritt dabei für eine Übergangsregierung in Syrien ein, die auch Vertreter des Regimes von Baschar al-Assad einbezieht. Ein Großteil der Regimegegner lehnt Verhandlungen mit Assad jedoch ab. Der wichtigste syrische Oppositionsblock, die Nationale Syrische Koalition, sagte am Samstag Gespräche mit Brahimi und Vertretern der russischen Regierung in Moskau ab. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte diese Entscheidung als Weg in die Sackgasse. Er betonte, dass Assad wiederholt öffentlich und in privatem Kreis gesagt habe, dass er auf seinem Posten bleiben werde. «Es gibt keine Möglichkeit, diese Position zu verändern», sagte der Minister nach Angaben der Agentur Interfax.

2013 droht Syrien aus Sicht von Brahimi ein Schreckensszenario. Falls es keine Einigung gebe, werde sich die Zahl der Toten bis Ende 2013 auf fast 100 000 verdoppeln. Syrien werde wie Somalia zu einem zersplitterten Land unter der Herrschaft von Kriegsfürsten. «Die Lage in Syrien ist schlimm, sehr, sehr schlimm und verschlechtert sich immer schneller», resümierte Brahimi. Nach Angaben von Aktivisten sind in dem Bürgerkrieg inzwischen mehr als 45 000 Menschen gestorben.

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi stärkte der Opposition den Rücken. Für das derzeitige Regime gebe es in der Zukunft Syriens keinen Platz, sagte der Islamist während einer Rede vor dem Oberhaus des Parlaments in Kairo.

In Syrien war derweil kein Ende der Gewalt in Sicht. Selbst in der Altstadt von Damaskus gab nach Angaben von Augenzeugen am Sonntag kurzzeitig ein Feuergefecht. Im Großraum der Hauptstadt flog die syrische Luftwaffe laut Aktivisten weitere Angriffe auf Rebellen. Auch in Aleppo, Idlib, Daraa dauerten die Kämpfe an. Derweil gab es Gerüchte über ein Massaker der syrischen Armee im Homser Stadtteil Deir Balba. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte konnte diese zunächst nicht bestätigen. Wegen der Medienblockade sind solche Meldungen von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen.

Die Zahl der Flüchtlinge nimmt derweil täglich zu. Jordanische Behörden gingen von inzwischen mehr als 275 000 Flüchtlingen in ihrem Land aus. Das Nachbarland beherbergt damit mehr als die Hälfte der ins Ausland geflohenen Syrer. Die Türkei bezifferte die Flüchtlingszahl auf der Webseite des Amtes für Katastrophenschutz auf mehr als 147 000.

Angesichts eines nicht enden wollenden Flüchtlingsstroms aus Syrien haben die Vereinten Nationen zum 30. Januar 2013 zu einer Geberkonferenz in Kuwait-Stadt eingeladen. Die UN hatten zuvor einen Hilfsappell in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar (1,13 Milliarden Euro) gestartet. Die UN gehen davon aus, dass sie in der ersten Hälfte des kommenden Jahres rund einer Million Flüchtlinge helfen müssen. (dpa)