Gaza/Tel Aviv. Angesichts der Zuspitzung des Gaza-Konflikts wachsen die Sorgen vor einem neuen Krieg zwischen Israel und den Palästinensern. Westliche Politiker warben für einen Waffenstillstand, machten aber zugleich deutlich, dass sie das Selbstverteidigungsrecht Israels anerkennen.

Aus der arabischen Welt kam dagegen harsche Kritik an Israel. Zur Unterstützung der Palästinenser will eine Delegation der Arabischen Liga in den Gazastreifen reisen.

Die radikal-islamische Hamas rächte sich am Samstag für israelische Bomben auf ihre Regierungszentrale und feuerte eine weitere Rakete Richtung Tel Aviv ab. Den dritten Tag in Folge wurde Luftalarm ausgelöst. Die israelische Raketenabwehr zerstörte das Geschoss in der Luft, sie war erst wenige Stunden zuvor zum Schutz der Mittelmeermetropole aufgebaut worden. Gleichzeitig zog Israel weitere Truppen zusammen. Bis zu 75 000 Reservisten müssen mit einer Einberufung rechnen.

Nach Angaben von Augenzeugen flohen im Gazastreifen Tausende Menschen aus Furcht vor einer israelischen Bodenoffensive aus ihren Häusern und suchten weiter im Zentrum Zuflucht. Am frühen Morgen hatten israelische Kampfjets die Hamas-Regierungszentrale und andere wichtige Verwaltungsgebäude in Gaza-Stadt zerbombt. Wieder gab es Tote und Verletzte. Die Zahl der Todesopfer auf palästinensischer Seite stieg auf 45, darunter mindestens 14 Zivilisten. In Israel starben bislang drei Menschen, 24 wurden verletzt. Im Gaza-Streifen sollen weit mehr als 300 Menschen verletzt worden sein.

Israel bombardiert seit Mittwoch pausenlos Ziele im Gazastreifen und vertraut dabei auf den engen Verbündeten USA. Nach den Worten eines hochrangigen Sicherheitsberaters von US-Präsident Barack Obama hat die Regierung von Benjamin Netanjahu die Entscheidung über eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen selbst in der Hand: «Wir wollen dasselbe wie die Israelis», sagte Ben Rhodes während eines Flugs nach Asien zu Journalisten. «Und das ist ein Ende des Raketenbeschusses aus Gaza.»

Angesichts der Zuspitzung des Konflikts schaltete sich am Samstag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. In einem Telefonat mit Israels Premier Netanjahu betonte auch die Kanzlerin das Recht Israels auf Selbstverteidigung und die Pflicht zum Schutz der israelischen Bevölkerung. «Sie war sich mit dem Premierminister einig, dass schnellstmöglich ein vollständiger Waffenstillstand erreicht werden müsse, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden», hieß es in einer Mitteilung von Vize-Regierungssprecher Georg Streiter.

Merkel (CDU) telefonierte auch mit dem ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi. Ihn ermunterte sie den Angaben zufolge, «seine wichtige Vermittlerrolle weiter auszuüben und die palästinensischen Gruppen zu einer umgehenden Einstellung der Angriffe auf Israel zu bewegen». Am Samstag hatte Mursi zudem in Kairo in getrennten Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem Emir von Katar Möglichkeiten zur Beendigung des Konflikts erörtert. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

Die Arabische Liga kündigte einen Solidaritätsbesuch im Gaza-Streifen an. Die Liga kritisierte die israelischen Angriffe auf Gaza scharf und bezeichnete sie als «Verbrechen gegen die Menschlichkeit». Liga-Generalsekretär Nabil al-Arabi rief die Mitgliedsstaaten dazu auf, alle bisherigen arabischen Bemühungen um den Friedensprozess im Nahen Osten auf den Prüfstand zu stellen. Er bezog sich auf ein Angebot aus dem Jahr 2002, als die arabischen Staaten eine Anerkennung Israels angeboten hatten, wenn im Gegenzug die besetzten palästinensischen Gebiete geräumt würden.

Libanons Außenminister Adnan Mansour rief die arabischen Staaten zu einem diplomatischen Boykott Israels auf. Alle Kontakte sollten eingefroren werden, sagte er in Kairo. Tunesiens Außenminister Rafik Abdel Salam stattete Gaza einen Solidaritätsbesuch ab und forderte einen sofortigen Stopp der israelischen Angriffe. «Was sich hier im Gazastreifen abspielt, ist nicht hinnehmbar, ungerechtfertigt und eine Verletzung des internationalen Rechts», sagte er. Bereits am Freitag hatte Ägyptens Ministerpräsident Hischam Kandil mit einem Kurzbesuch Unterstützung für die Palästinenser demonstriert.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rief die Konfliktparteien im Nahen Osten dazu auf, «die Logik von Tod und Zerstörung zu durchbrechen». In einem Beitrag für die «Bild am Sonntag» schrieb Westerwelle: «Die Lage ist brandgefährlich. Der ganzen Region droht die Eskalation. (...) Umsicht, Verhältnismäßigkeit und Deeskalation sind das Gebot der Stunde.» (dpa)