Istanbul. Zweieinhalb Jahre nach dem heftig umstrittenen Militäreinsatz gegen die Gaza-Hilfsflotte mit neun Toten macht die türkische Justiz vier früheren israelischen Kommandeuren einen Prozess in Abwesenheit.

Die Staatsanwaltschaft fordert mehrfach lebenslange Haftstrafen. Den Beschuldigten werden Totschlag, Freiheitsberaubung, Folter und Körperverletzung sowie eine illegale Konfiszierung von Schiffen in internationalen Gewässern vorgeworfen. Die Verhandlung begann am Dienstag und war zunächst auf drei Tage ausgelegt, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Israelische Soldaten hatten die türkische Fähre «Mavi Marmara» am 31. Mai 2010 von Kommandobooten und Hubschraubern aus erstürmt. Die Fähre sollte zusammen mit anderen Schiffen demonstrativ Israels Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen. Bei dem Einsatz wurden neun Türken getötet, von denen einer die US-Staatsbürgerschaft hatte. Ein zehnter Mann liegt seitdem im Koma. Zwischen der Türkei und Israel herrscht seit dem Angriff eine politische Eiszeit.

Zu dem Prozess seien mindestens 60 internationale Aktivisten angereist, die vor Gericht aussagen wollten, sagte Izzet Sahin, ein Sprecher der islamisch-türkischen Hilfsorganisation IHH, in Istanbul. Die Organisation hatte den Einsatz der Fähre als Teil einer Schiffsflotte organisiert. Die IHH unterhält Kontakte zur radikalislamischen Hamas im Gazastreifen, deren Vertreter aber auch von der türkischen Regierung mehrfach empfangen wurden.

Eine Verurteilung hätte für die Angeklagten zunächst keine unmittelbaren Folgen, könnte aber die politischen Spannungen zwischen der Türkei und Israel neu anheizen. Angeklagt sind in Istanbul der frühere Generalstabschef Gabi Aschkenasi, der Ex-Chef des Militärgeheimdienstes, Amos Yadlin, der frühere Chef des Luftwaffen-Geheimdienstes, Avishay Levi, sowie Ex-Marinekommandeur Elieser Marom.

«Wir haben keinen Zweifel, dass die Angeklagten weltweit auf die Liste gesuchter Personen kommen werden», sagte IHH-Sprecher Sahin der Nachrichtenagentur dpa. «Außerdem können Opfer und Augenzeugen erstmals vor einem Gericht die Vorgänge bezeugen», sagte er. (dpa)