London/Brüssel. Dem britischen Premier David Cameron bläst im Streit um den EU-Haushalt der Wind ins Gesicht - aus Brüssel und aus den eigenen Reihen. Nach der Drohung mit einem Veto in der Haushaltsdebatte haben Politiker in London und Brüssel vor einem solchen Schritt gewarnt.

EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski stellte London gar vor eine weitreichende Entscheidung: «Entweder es sieht für längere Zeit seine Zukunft in der Europäischen Union oder nicht», sagte er der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag).

Großbritannien ist nicht damit einverstanden, dass die mittelfristige Finanzplanung der EU für die Jahre 2014 bis 2020 wie von der Kommission vorgeschlagen auf bis zu 1000 Milliarden Euro erhöht wird. EU-kritische Hardliner in Großbritannien wollen sogar eine Kürzung des bisherigen Etats. Die britische Regierung hält jedoch allenfalls ein Einfrieren des derzeitigen Niveaus für realistisch.

In der Heimat bläst Premierminister David Cameron ebenfalls Wind ins Gesicht. Nach Vizepremier Nick Clegg wählte auch der frühere Justizminister Ken Clarke am Freitag starke Worte. Cameron wäre «absolut irrsinnig», würde er schon mit der Absicht zum EU-Gipfel am 22. November nach Brüssel fahren, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen.

Der konservative Premier hatte angedeutet, er werde sein Veto gegen die Haushaltsplanung einlegen, sollte es keine für Großbritannien gangbare Lösung geben. Er hatte damit dem Druck seines rechten Parteiflügels nachgegeben. Die Abstimmungsniederlage Camerons am Mittwoch im britischen Unterhaus gegen ein Bündnis von eurokritischen Rebellen aus den eigenen Reihen und der Labour-Opposition sieht Clarke dagegen weniger problematisch. «Die Abstimmung bindet niemanden an irgendetwas», sagte der Politiker, der Camerons Regierung gegenwärtig als Minister ohne Geschäftsbereich angehört.

Cameron selbst hatte kurz zuvor erklärt, er könnte sein Vetorecht Ende November in Brüssel einsetzen. «Wenn wir nicht das bekommen, was wir als eine gute Lösung für Großbritannien betrachten, dann werde ich nicht zögern, ein Veto gegen das Finanzpaket einzulegen.» Parteiinternen Kritikern hielt er entgegen, seine Regierung fahre mit einem härteren Verhandlungsansatz nach Brüssel als jemals eine britische Regierung zuvor. Am Mittwoch wird Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen in London erwartet.

Unterdessen gehen in Brüssel die Verhandlungen über den künftigen EU-Haushalt mit Nachdruck weiter. Zu Wochenbeginn wollen Vertreter der zyprischen Ratspräsidentschaft, des Rates und der EU-Kommission Gespräche mit einzelnen Mitgliedstaaten aufnehmen - auch mit Großbritannien. «Wir wollen deren Positionen erkunden und nach Kompromissen suchen», sagte ein EU-Diplomat.

Die Stimmung ist in Brüssel angespannt. «Wir nehmen relevante Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten zur Kenntnis», kommentierte ein Sprecher der zyprischen Präsidentschaft das Abstimmungsergebnis im britischen Parlament.

EU-Diplomaten setzen darauf, dass in jedem Fall eine Einigung über den EU-Haushalt 2014-2020 gefunden wird, vielleicht auch erst im Dezember oder Januar. «Gerade in Zeiten der Krise ist es ein wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit der EU, das Budget zu beschließen», sagte ein Brüsseler Diplomat. «Da darf und wird es keine Ausnahme geben.» Ansonsten gelten einfach die Bestimmungen für das letzte Jahr des vorangegangenen Finanzrahmens weiter. (dpa)

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