Berlin. „Enorme Belastung“ durch die Legalisierung. Die Landesjustizministerien liefern eine erste Bilanz, auch über die Haftentlassungen.

Nach der Einführung des neuen Cannabis-Gesetzes am 1. April und der Amnestie für Cannabis-Delikte gibt es eine erste Bilanz der Landesjustizministerien. Die Belastung sei enorm, erklärte das bayrische Justizministerium. Aus Bremen heißt es: Der Aufwand sei vermeidbar gewesen, die Amnestie-Regelung keine gute Idee. Das Problem: Zehntausende Fälle müssen aufgrund der Amnestie für Cannabis-Delikte rückwirkend überprüft werden. Eine Anfrage dieser Redaktion bei den 16 Justizministerien der Länder ergab: Bundesweit wurden bereits mindestens 79 Häftlinge entlassen. Über die Gesamtzahl der bundesweiten Prüfverfahren herrscht noch keine Klarheit.

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    Was bedeutet die Amnestie-Regelung?

    Die Amnestie für Cannabis-Delikte bedeutet, dass noch nicht komplett vollstreckte Strafen erlassen werden. Vorausgesetzt, die Tat ist nach dem neuen Cannabis-Gesetz nicht mehr strafbar. Davon betroffen sind vor allem Ersatzfreiheitsstrafen, also vom Gericht verhängte Geldstrafen, die nicht gezahlt wurden, und sogenannte „Mischfälle“, wenn also eine Verurteilung zusammen mit anderen Straftaten erfolgt ist. Nach dem neuen Gesetz ist die Justiz verpflichtet, sämtliche Verfahren im Zusammenhang mit Cannabis-Verstößen zu prüfen und entsprechend zu bewerten. Wer beispielsweise wegen des Besitzes von weniger als 25 Gramm im Gefängnis sitzt, muss freigelassen werden.

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    Amnestie-Regelung: Bundesländer gehen unterschiedlich vor

    Die Anfrage bei den 16 Justizministerien zeigt, dass die einzelnen Länder dabei unterschiedlich vorgehen. Während in Berlin und Bremen mit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes am 1. April die Durchsicht der Haftfälle bereits abgeschlossen war, laufen die Verfahrensprüfungen in vielen Bundesländern noch auf Hochtouren. Nach ZDF-Informationen begann die Prüfung in Thüringen erst nach der finalen Sitzung im Bundesrat am 22. März. In Bremen, so eine Sprecherin, habe das Justizministerium bereits Mitte Februar angefangen, entsprechende Akten zu sichten.

    Warum ist die Prüfung der Amnestie-Regelung so zeitintensiv?

    Zunächst stünden die Staatsanwaltschaften vor der Aufgabe, entsprechende Verfahren zu identifizieren. Aus dem bayrischen Justizministerium heißt es, dass die Identifikation nur händisch möglich sei, da bei der Erfassung der Verfahren und im Bundeszentralregister nicht nach der Art und der Menge der Betäubungsmittel differenziert werde. Das bestätigten auch weitere Justizministerien. Der überwiegende Teil der Prüfungen betreffe die Vollstreckung von Geldstrafen, heißt es aus Brandenburg. Eine elektronische Abfrage scheint in keinem Bundesland möglich gewesen zu sein.

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    Insgesamt sind nach Angaben der Länder bundesweit im Zuge der Legalisierung bislang mindestens 79 Inhaftierte entlassen worden. Besonders viele in Bayern (24), Baden-Württemberg (21), Rheinland-Pfalz (13) und Sachsen (12). Aus Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen gebe es noch keine Zahlen.

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    Allein für die Staatsanwaltschaften betrage der Zeitaufwand für die händische Prüfung im Durchschnitt bis zu einer Stunde, so das baden-württembergische Justizministerium. Bei den „Mischfällen“ müssen Gerichte im Anschluss zusätzlich in einem Neufestsetzungsverfahren über die Gesamtstrafe entscheiden. Das Bearbeiten der Verfahren sei ein Kraftakt, so ein NRW-Ministeriumssprecher, der nur unter Zurückstellung anderer Aufgaben in der Strafverfolgung möglich sei. Wie lange die Überprüfung der restlichen Fälle, insbesondere der Mischfälle, noch dauert, konnten die Länder nicht sagen.

    Cannabis-Amnestie: Entlastung für die Justiz oder zusätzliche Belastung?

    Kritisiert wird auch, dass es in vielen Fällen immer noch keine Klarheit über die Anwendung des Gesetzes gebe. Aus dem bayrischen Justizministerium heißt es, dass eine Vielzahl neuer Rechtsfragen aufgeworfen worden seien. Die Neuregelung enthalte statt 15 jetzt 37 Bußgeldtatbestände. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rechnet allerdings damit, dass auf die Justiz mittelfristig weniger Arbeit zukommt.