Berlin. SPD, Grüne und FDP haben sich bei Klima und Solar auf Kompromisse verständigt. Welche Hürden nun abgebaut werden sollen: ein Überblick.

Erst drohte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit Fahrverboten, dann gaben die Ampel-Fraktionen plötzlich doch grünes Licht für die Novelle des Klimaschutzgesetzes und den Solarpakt. Was sich nun ändert und was Verbraucher davon haben. Wichtige Fragen und Antworten.

Welche Einigung haben die Fraktionen erzielt?

Zentrale Novelle der Reform ist das Aus von Sofortprogrammen, sollten die Klimaziele in einzelnen Verantwortungsbereichen der jeweiligen Ministerien nicht erreicht werden. Von Wissing angedrohte Fahrverbote sind damit also vorerst vom Tisch. Von nun an muss die Regierung stattdessen ein Gesamtprogramm vorlegen, sollten Vorgaben bei der CO₂-Reduktion verfehlt werden, heißt es aus der Grünen-Fraktion.

Laut SPD bleibe dafür das jährliche Monitoring der einzelnen Sektoren erhalten. Lukas Köhler, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender, sprach hingegen von einer „Abschaffung der jährlichen Sektorziele“. „Ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden“, sagte Köhler weiter.

Kern der Ampel-Einigung ist, dass künftig die Prognose für die Emissionsentwicklung betrachtet wird. Die SPD betont, man könne so besser überprüfen, ob Deutschland auf dem richtigen Weg sei, seine Klimaziele zu erreichen. Zweifel an dem Verfahren gibt es durchaus: „Die Frage ist, wie valide diese Prognosen sind“, sagte Christian Bickenbach, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Universität Potsdam, dieser Redaktion. Es werde sich zeigen müssen, ob diese Projektion funktioniere.

Was galt bislang?

Bislang galt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich Vorgaben zum CO₂-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Da zum Beispiel der Verkehrssektor den Klimazielen hinterherhinkt, wären dann von Wissing ins Spiel gebrachte Einschnitte für Autofahrer wohl unvermeidbar gewesen.

Welche Klimaziele gelten jetzt für die Bundesregierung?

Deutschland soll weiterhin bis 2045 klimaneutral werden. Neu ist, dass künftige Bundesregierungen erstmals darlegen müssen, wie genau sie ihre Klimaziele bis 2040 erreichen wollen – und nicht nur bis 2030 wie bislang. Für den Zeitraum gelten nun auch strengere Vorgaben, was die CO₂-Reduktion angeht. 2021 war die damalige schwarz-rote Bundesregierung noch vom Bundesverfassungsgericht abgestraft worden. Die Richter in Karlsruhe hatten die damalige Klimapolitik für zu unambitioniert gehalten.

Neues Klimaschutzgesetz kommt: Fahrverboten vom Tisch

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    Droht nun eine neue Klatsche vor dem Bundesverfassungsgericht?

    Die Novelle des Klimaschutzgesetzes sei verfassungsrechtlich unproblematisch, solange pro Jahr die notwendige Menge an CO₂ eingespart wird, so Rechtsexperte Bickenbach. „Dem Bundesverfassungsgericht kommt es auf die Gesamtbetrachtung an“, so der Jurist. „Wie die Politik diese letztlich aufteilt, ist aus meiner Sicht unbedenklich.“

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    Was passiert, sollte Deutschland die Klimaziele trotzdem nicht einhalten?

    Dann könnte es für den deutschen Steuerzahler teuer werden, sagte die Wissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Sollte Deutschland seine Klimaziele verfehlen, ist aufgrund der EU-Lastenverteilung mit hohen Strafzahlungen zu rechnen. Studien gehen davon aus, dass Strafzahlungen in einer Größenordnung von bis zu 30 Milliarden Euro möglich wären. Aufgrund der klammen Haushaltslage ist dringend anzuraten, dass die Emissionen schnell gesenkt werden“, so Kemfert weiter.

    Was bedeutet die Einigung beim Solarpaket für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien?

    Die Bundesregierung will den Turbo zünden. Solarenergie ist neben Windenergie eine wichtige Säule der Energiewende. Schon 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus den erneuerbaren Energien stammen. Im vergangenen Jahr war es mehr als die Hälfte.

    Der Ausbau der Solarleistung hatte bereits im vergangenen Jahr stark zugenommen. Laut Bundesnetzagentur verdoppelte sich der Zubau im Vergleich zum Vorjahr fast auf 14,1 Gigawatt. Nötig sind ab 2026 laut Bundeswirtschaftsministerium aber 22 Gigawatt jährlicher Zubau, um das Ausbauziel von 215 Gigawatt für Solar im Jahr 2030 zu erreichen. Verschiedene Maßnahmen sollen den Ausbau nun beschleunigen. Kommunen sollen zum Beispiel einfacher und schneller Wind- und Solarparks planen und umsetzen können. Für Mieter in Mehrfamilienhäusern soll Solar auf dem Dach mit verbesserten Förderbedingungen deutlich attraktiver werden. Mehr Solaranlagen sollen auch auf Flächen wie Parkplätzen, Supermarktdächern und landwirtschaftlichen Äckern entstehen. Insgesamt sollen Auflagen und Bürokratie deutlich sinken.

    Welche Verbesserungen gibt es für Balkonkraftwerke?

    Der Strom vom eigenen Balkon hatte bereits zuletzt an Beliebtheit gewonnen. Das Solarpaket sorgt nun dafür, dass auch dafür Auflagen sinken. So muss mit der Inbetriebnahme einer Anlage künftig nicht mehr gewartet werden, bis der alte Stromzähler durch einen neuen ausgetauscht ist. Darüber hinaus entfällt die Anmeldung beim Netzbetreiber und auch die Eintragung im sogenannten Marktstammdatenregister, in dem alle Anlagen und Einheiten im deutschen Energiesystem erfasst sind, soll sich auf wenige, einfach einzugebende Daten beschränken.

    Was sagt die Solarbranche dazu?

    Dort sieht man Licht und Schatten. „Wir sind zuversichtlich, dass das Gesetz als Energiewende-Beschleuniger wirken wird und auf Dächern und Freiflächen in den nächsten Jahren noch mehr Solarmodule installiert werden können. Klimaschutz, Privathaushalte und Gewerbebetriebe werden profitieren“, so Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW).

    Heimische Solarmodul-Fabriken hingegen gehen jedoch leider weitgehend leer aus, so der Verband. Vor dem Hintergrund wesentlich billigerer Module aus China hatte vor allem die Grünen bis zuletzt auf einen Resilienzmaßnahmen für die heimische Solarindustrie gedrängt. Die FDP lehnte neue Subventionen allerdings unter Verweis auf Mehrkosten für die Stromverbraucher ab.