Berlin. Kiews Bürgermeister erwartet in der Taurus-Debatte eine positive Entscheidung. Für die Deutschen hat er eine Warnung – und Dank.

Die hofft weiter auf die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Die Raketen mit hoher Reichweite könnten helfen, russischer Kommandoposten und Nachschubzentren zu zerstören. Das könnte den Verteidigern eine dringend benötigte Atempause verschaffen – gerade jetzt, nach dem Rückzug aus der wichtigen Frontstadt Awdijiwka.

Vor der Bundestags-Abstimmung am Donnerstag über die „Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen“, wie es in einem Bundestagsantrag der Koalitionsfraktionen heißt – ob damit die Taurus gemeint sind, ist offen – schickt Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko mahnende Worte nach Deutschland.

In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagte der 52-Jährige, für sein Land sei es „eine der wichtigsten Fragen“, ob Deutschland die erbetenen Marschflugkörper liefere. „Wir verteidigen unser Land. Und deswegen brauchen wir Taurus. Wir können damit die Militärlogistik der Russen zerstören.“ Er erwarte von der Bundesregierung eine positive Entscheidung.

Vitali Klitschko vor einem zerstörten Haus in Kiew. „Wir verteidigen jeden von euch.“
Vitali Klitschko vor einem zerstörten Haus in Kiew. „Wir verteidigen jeden von euch.“ © DPA Images | Efrem Lukatsky

Hilfe für die Ukraine? Kanzler will keine Taurus liefern

Er könnte damit zumindest bei Bundeskanzler Olaf Scholz auf taube Ohren stoßen. Dessen Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte am Mittwoch verlauten lassen, Scholz unterstütze zwar den Antrag „aus vollem Herzen“. Was die Lieferung eines „besonderen Waffensystems angeht, bleibt er bei seiner Position“. Und die heißt: keine Taurus für die Ukraine.

Der Kanzler fürchtet, die Waffe könnte russisches Gebiet treffen – und damit Deutschland noch tiefer in den gefährlichen Konflikt ziehen.

Klitschko betont unterdessen, dass es in der Ukraine nicht nur um deren Existenz geht, sondern der Krieg auch für Europas Freiheit gefochten wird. „Jeder muss verstehen: Wir verteidigen jeden von euch. Putin geht so weit, wie wir es ihm erlauben zu gehen. Die Gefahr ist da, die Gefahr ist groß“, sagte er der dpa.

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„Putin wird mit seinem barbarischen Krieg nicht aufhören“

Ähnlich hatte sich Klitschko vor wenigen Tagen in einem gemeinsamen Beitrag mit seinem Bruder Wladimir beim internationalen Medientreffen M100 Sanssouci Colloquium in Potsdam geäußert. Darin heißt es: „Wir kämpfen. Nicht nur für uns, für unser Volk, unsere Identität, für unser Land, sondern auch für ein freies, demokratisches Europa.“ Die Brüder warnten: „Wenn die Ukraine fällt, wird Putin nicht mit seinem barbarischen Eroberungskrieg aufhören.“

Bürgermeister Klitschko indessen dankte Deutschland für die bisher geleistete Unterstützung. „Endlich ist Deutschland mal aufgewacht und hilft uns sehr“, sagte er der dpa. Es sei aber mehr Hilfe nötig. Jeder müsse verstehen, wen die Ukraine verteidige. „Es wäre ein riesiger Fehler zu denken, der Krieg ist weit weg, das berührt mich nicht.“

Klitschko: „Wir dürfen nicht verlieren“

Der frühere Box-Weltmeister appellierte auch an alle anderen Verbündeten, der Ukraine weiterhin zur Seite zu stehen. „Jeder Finger ist ziemlich stark. Aber wenn alle Finger zusammenkommen, werden wir zig Mal stärker.“

Die Hängepartie im US-Kongress bei der Bewilligung weiterer Militärhilfen für die Ukraine bezeichnete er als „riesige Gefahr für die Demokratie“. „Wir dürfen nicht verlieren. Weil sonst verliert die ganze demokratische Welt.“

Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, kommt zur Münchner Sicherheitskonferenz in den Bayerischen Hof.
Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, kommt zur Münchner Sicherheitskonferenz in den Bayerischen Hof. © DPA Images | Felix Hörhager

Botschafter Makeiev zuversichtlich

Die Ukraine wünscht sich seit langem, dass Deutschland die Marschflugkörper liefert. Trotz des Berliner Zögerns lobte ihr Botschafter Oleksii Makeiev die deutsche Hilfe für sein Land ausdrücklich. „Deutschland hat unter Bundeskanzler Olaf Scholz eine Führungsrolle bei der Unterstützung unseres Landes eingenommen. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagte Makeiev unserer Redaktion.

Er erinnerte mit Blick auf das Waffensystem Taurus an frühere Diskussionen: „Auch bei den Panzern hieß es lange, diese Systeme werden nicht geliefert. Irgendwann waren sie dann aber doch da. Das Gleiche gilt für Systeme, über die nie öffentlich diskutiert wurde.“ (pcl/mit dpa)

Russland-Reportagen von Jan Jessen