Berlin. Das berichtet die „Bild“. Nächste Woche soll der Automobil-Verband demnach Details mit dem Ex-SPD-Chef aus Goslar klären.

Der ehemalige SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel ist laut einem Medienbericht Favorit für den Posten des Präsidenten beim Verband der Automobilindustrie (VDA). „Gabriel ist zu 99 Prozent sicher“, zitierte die „Bild am Sonntag“ einen Top-Manager. Er sei der Wunschkandidat der Autokonzerne, der Zulieferer und der Familienunternehmen. Kommende Woche sollen Details zwischen Präsidium und dem Goslarer geklärt werden. Gabriel wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht „zu Gerüchten“ äußern.

Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister und der damalige VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn bei der Eröffnung des VW-“Drive“-Forums in Berlin im April 2015.
Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister und der damalige VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn bei der Eröffnung des VW-“Drive“-Forums in Berlin im April 2015. © dpa | Jörg Carstensen

Als weitere Kandidatin für den Chef-Posten gilt, wie auch die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ übereinstimmend berichtet, die CDU-Frau Hildegard Müller. Die 52-Jährige war von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Später wechselte sie die Seiten und stand dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft vor. Zuletzt war sie Vorstandsmitglied beim Energiekonzern Innogy. Ihr Posten soll allerdings durch die Übernahme von Innogy durch Eon überflüssig werden, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.

Freitag legt Gabriel Bundestagsmandat nieder

„Bild am Sonntag“ zitiert informierte Kreise, nach denen die Reihenfolge der Kandidaten schon feststehe. „Sollten keine unüberbrückbaren Differenzen mit Gabriel auftreten, wird er der neue Präsident.“ Gabriel legt am kommenden Freitag, wie er im September angekündigt hatte, sein Bundestagsmandat nieder. Als Gründe nannte er damals seine Lehraufträge an den Universitäten in Harvard und Bonn, sein Amt als Vorsitzender der „Atlantikbrücke“ sowie die Enttäuschung über seine Partei.

In einem Interview mit unserer Zeitung sagt der 60-jährige Goslarer Ende September noch, dass er „gar nichts“ in Vorbereitung habe für die Zeit nach dem Verlassen des Bundestags. Ein Engagement für ein russisches Staatsunternehmen – wie Altkanzler und SPD-Genosse Gerhard Schröder – würde er „ganz sicher nicht“ eingehen. Wirtschaftliche Angebote habe er ausgeschlagen, weil er „weder meiner Partei, noch den Ämtern, die ich innehatte, Schaden zufügen“ wolle. Er habe gerade ein Maß an Freiheit, das er ungern aufgeben wolle.

Sigmar Gabriel (SPD) spricht während einer aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag.
Sigmar Gabriel (SPD) spricht während einer aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag. © dpa/ Archiv | Wolfgang Kumm

Gabriel saß schon im VW-Aufsichtsrat

Nun ist der VDA kein Konzern oder Staatsunternehmen, aber der Lobbyverband der wichtigsten deutschen Industriebranche. Gabriel kann hier nützliche Erfahrung vorweisen: Als niedersächsischer Ministerpräsident saß er von 1999 bis 2003 im Aufsichtsrat von Volkswagen, zudem war er Bundesumwelt-, Wirtschafts- und Außenminister. Mit den Problemen der Autoindustrie ist er also seit vielen Jahren vertraut. Er gilt zudem als durchsetzungsstark. Stephan Bratzel, Leiter des Auto-Instituts in Bergisch Gladbach, sagt: „Er hat kann vermitteln und hat ein Standing. Die Auto-Hersteller würden es schwer haben, ihn vor sich herzutreiben.“

Der noch amtierende VDA-Präsident Bernhard Mattes hatte im September angekündigt, Ende dieses Jahres zurückzutreten. Der frühere Ford-Werke-Chef war erst im März 2018 angetreten. Er galt jedoch als zu wenig vernetzt in der Politik und verkündete auf der Automobilmesse IAA in Frankfurt dann seinen Rückzug. „Man möchte nun jemanden haben, der ganz nah an der Politik ist“, sagt Bratzel.

Müller wäre zweite Frau an VDA-Spitze

Hildegard Müller (52, CDU) ist ebenfalls Kandidatin für das Amt des VDA-Präsidenten.
Hildegard Müller (52, CDU) ist ebenfalls Kandidatin für das Amt des VDA-Präsidenten. © dpa | Michael Kappeler

Das trifft für beide Kandidaten zu, obwohl die CDU-Frau Müller hier sicher im Vorteil ist. Schließlich ist es gut möglich, dass die SPD auf Bundesebene bald nicht mehr in Regierungsverantwortung ist. Müller an der VDA-Spitze würde außerdem ein Zeichen der Erneuerung und des Aufbruchs sein: Sie wäre nach Erika Emmerich (1889 bis 1996) die erst zweite Frau auf diesem Posten in einer männerdominierten Branche.

Die Aufgaben des kommenden Chef-Lobbyisten sind jedenfalls nicht zu unterschätzen. Die Autoindustrie steht vor einem Umbruch hin zur Elektromobilität, die entsprechende Rahmenbedingungen braucht, wie etwa den zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Zugleich hängt vor allem VW der Abgas-Skandal noch nach. Hinzu kommen internationale Handelskonflikte, drohende US-Zölle und eine schwache Konjunktur.

Branchenexperte Bratzel sieht die Rolle des neuen VDA-Präsidenten deswegen nicht nur als Oberlobbyist, sondern vor allem als Vordenker der Transformation. „Das kam bisher zu kurz“, sagt der Professor. Mit einer VDA-Spitze, die auch neue Ideen und Konzepte für die Automobilindustrie entwickeln würde, gewönnen die Autobauer auch Glaubwürdigkeit zurück.

Der VDA:

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wurde 1901 gegründet.

Mit Sitz in Berlin vertritt er die Interessen von rund 600 Autobauern und Zulieferern mit etwa 800.000 Beschäftigten.

Regelmäßig richtet er die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt aus.