Bornhagen. Er hatte es „Denkmal der Schande“ genannt: Nun haben Aktivisten Björn Höcke eine Mini-Kopie des Holocaust-Denkmals vors Haus gesetzt.

Das Berliner Holocaust-Mahnmal in klein neben dem Anwesen des thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke? Die Aktivisten des „Zentrums für politische Schönheit“ (ZfP) haben auf einem Nachbargrundstück im thüringischen Bornhagen Betonstelen aufgestellt. Sie wollen Höcke buchstäblich für eine Entschuldigung in die Knie zwingen. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen nannte es „widerwärtig, dass so etwas in Deutschland überhaupt möglich sein kann.“ Seine Partei werde alles daransetzen, „dass diese sogenannten Künstler zur Rechenschaft gezogen werden“.

Lea Rosh, Mitinitiatorin des Berliner Holocaust-Mahnmals, nannte die Stelen so kurz vor der Weihnachtszeit eine „herrliche Bestrafung“ für Höcke. Er selbst wollte am Mittwoch zunächst nicht über die Aktion reden. Er hatte das Holocaust-Mahnmal in Berlin in einer Rede in Dresden Anfang des Jahres ein „Denkmal der Schande“ genannt.

Nach eigenen Angaben sind die Aktivisten seit zehn Monaten im Besitz des Grundstücks neben Björn Höcke. In mehreren Live-Streams zeigten sie die Betonblöcke und das Anwesen, bis Youtube die Übertragung beendete und die Videos zunächst sperrte. Auf Periscope ging es dann weiter.

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Aktivisten werben um Spenden

Nun setzt das Zentrum für politische Schönheit ihm eine Kopie in klein vor die Haustür. Auf der Seite deine-stele.de werden Spenden für Miete und Unterhaltung des Grundstücks gesammelt. Und die Resonanz ist gewaltig, schon nach vier Stunden waren von fast 100 Spendern mehr als 25.000 Euro zusammen. Die Installation ist damit finanziert und für zwei Jahre gesichert, erklären die Organisatoren.

„Investiere in Beton und finanziere den Bau, Unterhalt und Betrieb des Mahnmals in der national befreiten Zone ,Bornhagen’“, heißt es dort. Bornhagen ist ein 300-Einwohner-Ort, Höcke bringt sich dort wenig ein. Bürgermeister Mario-Paul Apel (parteilos) wusste am Mittwoch zunächst nichts von der Aktion, er befindet sich aktuell im Krankenhaus. Er hatte mit den Gemeindearbeitern Kontakt, die hatten ihm nichts gesagt, sagte er unserer Redaktion. Die Polizei rückte wenig später an, hatte aber keinen Anlass, einzuschreiten.

Höcke seit Monaten observiert

Björn Höcke.
Björn Höcke. © imago/foto2press | Michael Täger

Das ZfP erklärt, man observiere Höcke bereits seit zehn Monaten von dem benachbarten Grundstück aus und sammele Material gegen ihn. Kritik an der Methode teilt ZfP-Mitglied Morius Enden sogar. „Stasi-Methoden“ seien das nicht, aber „Nazi-Methoden“. Er rechtfertigt aber: „Wir benutzen gegen Nazis nur Nazi-Methoden.“

Die Gruppe nennt ihre Observation „zivilgesellschaftlicher Verfassungsschutz“ und erklärt diesen für notwendig, weil der staatliche Verfassungsschutz bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus versage. Den eigenen „Verfassungsschutz“ löse man wieder auf, wenn Höcke einen „Kniefall wie einst Willy Brandt“ mache.

Man wolle Höcke Gelegenheit geben, öffentlich Reue zu zeigen, sagt Stefan Pelzer von der Initiative. Auch er spricht von einer „Grenzüberschreitung“. Man wende aber keine Sippenhaft an. „Die Familie Höcke ist, abseits von Herrn Höcke, nicht Gegenstand von einer Bedrohung, die von uns ausgeht.“ Geplant sei, in den nächsten Tagen noch weitere Informationen zu veröffentlichen. „Zum Beispiel wird die Öffentlichkeit erfahren, was Höcke dieses Jahr am Hitlergeburtstag gemacht hat.“

Jüdische Gemeinde mit Verständnis und Kritik

Höcke war am Mittwoch bei der regulären Sitzung der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Ein leicht gequältes Lächeln hatte er für den wartenden Reporter übrig, mehr aber auch nicht. Was er denn von der Aktion in Bornhagen halte? „Da reden wir ein andermal drüber“, sagte er und ging weiter. Hat er davon was mitbekommen? „Ich muss mir da erst einmal drüber Gedanken machen“, sagte er. „Ich bitte um Verständnis.“

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, kritisiert die Wahl des Ortes, äußerte aber Verständnis für die Aktion. „Wenn man ihm und seiner Partei auf seine Äußerungen eine eindrucksvolle Antwort darauf vor die Nase setzt, schadet das nichts“, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“.

AfD-Sprecher: Psychologische Kriegsführung

Höckes Wohnhaus halte er aber „für kein geeignetes Ziel des Protestes“. Schramm: „Es gibt bei uns keine Sippenhaft.“ Jedes AfD-Büro oder jeder Sitz im Landtag wäre dafür besser geeignet gewesen.

AfD-Landessprecher Stefan Möller warf dem ZPS psychologische Kriegsführung gegen Höcke und dessen Familie vor. Höckes Familie sei monatelang nachgestellt, ausgespäht und fotografiert worden. Höcke ist verheiratet und hat vier Kinder. „Wie wollen Sie die Angst dieser Kinder wieder einfangen?“, sagte Möller.

Bauaufsicht sieht keinen Verstoß

Die Betonstelen sind für die Bauaufsicht kein Problem,wenn sie kleiner als vier Meter sind.
Die Betonstelen sind für die Bauaufsicht kein Problem,wenn sie kleiner als vier Meter sind. © dpa | WichmannTV

Baurechtlich haben die Macher offenbar keine Probleme zu fürchten. Nach der Thüringer Bauordnung ist für Denkmäler, Skulpturen und sonstige Kunstwerke mit einer Höhe bis zu 4 Metern keine Genehmigung erforderlich, Abstandsflächen müssen aber eingehalten werden. Gerald Schneider, stellvertretender Landrat des Kreises Eichsfeld und verantwortlich für die Bauaufsicht sieht in der Anlage nach den vorliegenden Informationen keinen Verstoß gegen Gesetz. „Wir haben es uns aber noch nicht vor Ort angesehen.“ AfD-Chef Meuthen erklärte, seine Partei werde alles daransetzen, „dass diese sogenannten Künstler zur Rechenschaft gezogen werden“.

Aktion für Höcke zu schlechtem Zeitpunkt

Für Höcke kommt die Aktion zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Beim anstehenden Bundesparteitag könnte er für den Vorstand kandidieren. Und es sei nicht ausgeschlossen, dass er im Fall von Neuwahlen für den Bundestag kandidiere. Nun richten die Stelen wieder den Blick auf die Dresdner Rede im Januar, auf der Höcke über das Holocaust-Denkmal sagte: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Zudem beklagte er die „dämliche“ Bewältigungspolitik und forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.“

Seit die frühere Parteivorsitzende Frauke Petry aus der Partei austrat, hat sich das Ausschlussverfahren, das der Bundesvorstand nach seiner Dresdner Rede gegen ihn einleitete, endgültig erledigt. Für Dezember ist vom Landesschiedsgericht noch einmal eine mündliche Anhörung geplant, dann wird die Angelegenheit wohl abgewickelt.

2016 schon einmal Demonstration im Ort

Bornhagen war im Mai 2016 an Himmelfahrt bereits Schauplatz einer Antifa-Kundgebung gegen Höcke. Damals hatten Demonstranten auch an Höckes Haus vorbeiziehen wollen und ein Foto des Anwesens ins Netz gestellt. Höcke hatte damals beklagt, dass seine Privatsphäre „angegriffen und zersetzt“ werde. Der Demonstrationszug durfte schließlich nicht an seinem Haus vorbeigeführt werden. Er selbst hat sich schon mehrfach vor dem Haus ablichten lassen.

Aktivist steckte auch hinter Anti-Erdogan-Aktion

Zwischen den Stelen in Bornhagen steht vom Zentrum für politische Schönheit dessen Mitglied Morius Enden und beantwortet ersten eintreffenden Journalisten Fragen. Enden hat in der Vergangenheit auch in der Türkei nach einer provokanten Protest-Aktion gegen Erdogan Schlagzeilen gemacht. Er wurde von den türkischen Behörden als „deutscher Agent“ bezeichnet. Die Aktivistengruppe hatte mit einem ferngesteuerten Drucker aus einem Hotelzimmer Flyer mit dem Text „Tod dem Diktator“ auf den Gezi-Park regnen lassen.

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2015 hatte das Zentrum für politische Schönheit ertrunkene Flüchtlinge nach Berlin überführt, die an der europäischen Außengrenze anonym verscharrt worden waren („Die Toten kommen“). (mit dpa)