München. Räumt CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer das Feld? Seine Entscheidung steht wohl kurz bevor – eine ganze Partei wartet.

  • Räumt CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer das Feld?
  • Seine Entscheidung steht wohl kurz bevor
  • Eine ganze Partei wartet

Horst Seehofer ist und bleibt der Meister der Andeutungen. Offenbar erst recht, wenn er so massiv unter Druck steht wie jetzt, seit dem CSU-Desaster bei der Bundestagswahl.

„Es ist alles denkbar – und auch das Gegenteil“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur kurz nach dem Jamaika-Aus mit Blick auf diesen Donnerstagabend. Um 18 Uhr will er in einer CSU-Vorstandssitzung verkünden, wie er sich seine Zukunft vorstellt – und die seiner Partei.

CSU sackte bei der Wahl dramatisch ab

Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass ganz allein Seehofer im Fokus steht. Eine ganze Partei wartet auf die Worte des großen Vorsitzenden. Wie schon im April, als Seehofer verkündete, sein für 2018 geplantes Karriereende noch einmal zu verschieben – und noch einmal als Parteichef und bei der Landtagswahl 2018 auch für eine dritte Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident zu kandidieren. Der Parteivorstand stellte sich damals einstimmig hinter Seehofers Pläne.

Sieben Monate ist das erst her – und doch Welten entfernt: Die CSU hat bei der Bundestagswahl dramatisch verloren und ist auf nur noch 38,8 Prozent abgesackt. Wochenlange Jamaika-Sondierungen waren umsonst, womöglich gibt es Neuwahlen im Bund mit ungewissem Ausgang. Seehofer sagte damals, wenn die Wahl schiefgehe, könne die Partei ihn köpfen. Wird nun also abgerechnet?

Seehofers Partei ist tief gespalten

Fakt ist: In der CSU tobt in aller Öffentlichkeit bereits ein erbitterter Machtkampf um Seehofers Erbe. Kultusminister Ludwig Spaenle warf jüngst seiner Kollegin Ilse Aigner „politisches Leichtmatrosentum“ vor. Obwohl die unüberhörbaren Dissonanzen am Dienstag im Kabinett vollkommen ausgeblendet wurden, zeigt der Zwist: Die CSU steckt in ihrer größten Krise seit Jahren – und ist tief gespalten: in die Anhänger von Markus Söder, der sich berechtigte Hoffnungen auf den Bayern-Thron machen kann, und dessen Gegenspieler.

In dieser dramatischen Lage muss, will Seehofer nun verkünden, wie es weitergeht. Intern kündigte er eine Reaktion an, die „die Gefäße der Ungeduld nicht zum Platzen bringen wird“. So sehr Seehofer zuletzt auch unter Druck stand und steht, es könnte auch sein, dass sich die CSU wegen der bundespolitischen Krise nach dem Jamaika-Aus erneut um ihren umstrittenen Parteichef schart.

Der Dauerrivale Söder lauert

Eine Erwartung in der Partei ist dennoch groß: dass der 68-Jährige ankündigt, nicht mehr als Spitzenkandidat anzutreten. Als ausgeschlossen gilt aber, dass er seine Amtszeit freiwillig früher beendet. Und zwingen kann ihn niemand, da die Bayerische Verfassung kein konstruktives Misstrauensvotum vorsieht.

Söder - Es geht nur um die CSU und Bayern

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    Als ausgeschlossen gilt zudem auch, dass er selber seinen Dauerrivalen Söder als Nachfolger vorschlägt. Eher, so heißt es, werde er die Entscheidung in die Hände der Partei legen. Ein Parteitag – der nächste ist im Dezember – wäre dafür das zuständige Gremium. Oder doch eine Urwahl, wie sie Ilse Aigner zum Ärger der Söder-Anhänger vorgeschlagen hatte?

    Viele Namen sind im Gespräch

    Und was ist mit dem Parteivorsitz? Da ist, wenn man sich in der CSU umhört, alles denkbar. Dass Seehofer noch einmal als CSU-Chef weitermachen will, um die Partei durch die ungewisse Zukunft auf Bundesebene und in mögliche Neuwahlen zu führen. Dass er aufhört und die Nachfolge-Entscheidung der Partei überlasst.

    Oder dass er jemanden vorschlägt: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt? Oder Manfred Weber, Parteivize und EVP-Fraktionsvorsitzender im Europaparlament? Oder seinen Innenminister Joachim Herrmann?

    Das sind die Vorsitzenden der CSU

    Josef Müller ist der Mitbegründer der CSU und war der erste Vorsitzende der Partei. Im Dritten Reich wurde der Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten mehrmals verhaftet und in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Nach dem Krieg gründete er mit Adam Stegerwald die CSU und stand bis 1949 an der Spitze der Partei. Von 1947 bis 1952 war Müller zudem bayerischer Justizminister. Am 12. September 1979 starb er.
    Josef Müller ist der Mitbegründer der CSU und war der erste Vorsitzende der Partei. Im Dritten Reich wurde der Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten mehrmals verhaftet und in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Nach dem Krieg gründete er mit Adam Stegerwald die CSU und stand bis 1949 an der Spitze der Partei. Von 1947 bis 1952 war Müller zudem bayerischer Justizminister. Am 12. September 1979 starb er. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Istvan Bajzat
    Nachfolger von Josef Müller wurde Hans Ehard. Der studierte Jurist war von 1949 bis 1955 Parteivorsitzender der CSU. Von 1946 bis 1954 und von 1960 bis 1962 war er Ministerpräsident des Freistaates Bayern. 1980 starb Hans Ehard in München.
    Nachfolger von Josef Müller wurde Hans Ehard. Der studierte Jurist war von 1949 bis 1955 Parteivorsitzender der CSU. Von 1946 bis 1954 und von 1960 bis 1962 war er Ministerpräsident des Freistaates Bayern. 1980 starb Hans Ehard in München. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
    Hanns Seidel wurde 1955 – in einer Kampfabstimmung gegen Franz Josef Strauß – zum Parteivorsitzenden der CSU gewählt. Von 1957 bis 1960 war er zudem bayerischer Ministerpräsident. Er legte das Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder, 1961 gab er auch den CSU-Vorsitz ab.
    Hanns Seidel wurde 1955 – in einer Kampfabstimmung gegen Franz Josef Strauß – zum Parteivorsitzenden der CSU gewählt. Von 1957 bis 1960 war er zudem bayerischer Ministerpräsident. Er legte das Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder, 1961 gab er auch den CSU-Vorsitz ab. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
    Franz Josef Strauß gilt als CSU-Übervater. Von 1961 bis zu seinem Tod im Oktober 1988 war Strauß Parteichef. In der Zeit, von 1978 bis 1988, auch Ministerpräsident in Bayern. Im Lebenslauf des gebürtigen Münchners stehen noch weitere Posten. So war er Bundesminister für besondere Aufgaben, Minister für Atomfragen, Verteidigungsminister und auch mal Finanzminister. Nur als Kanzlerkandidat scheiterte er und verlor die Bundestagswahl 1980 gegen Helmut Schmidt (SPD).
    Franz Josef Strauß gilt als CSU-Übervater. Von 1961 bis zu seinem Tod im Oktober 1988 war Strauß Parteichef. In der Zeit, von 1978 bis 1988, auch Ministerpräsident in Bayern. Im Lebenslauf des gebürtigen Münchners stehen noch weitere Posten. So war er Bundesminister für besondere Aufgaben, Minister für Atomfragen, Verteidigungsminister und auch mal Finanzminister. Nur als Kanzlerkandidat scheiterte er und verlor die Bundestagswahl 1980 gegen Helmut Schmidt (SPD). © imago/photothek | photothek.net
    Er trat das schwere Erbe von Franz Josef Strauß an: Theo Waigel. Von 1988 bis 1999 stand Waigel an der Spitze der CSU. Der Mann mit den markanten Augenbrauen war von 1989 bis 1998 unter Helmut Kohl Bundesfinanzenminister.
    Er trat das schwere Erbe von Franz Josef Strauß an: Theo Waigel. Von 1988 bis 1999 stand Waigel an der Spitze der CSU. Der Mann mit den markanten Augenbrauen war von 1989 bis 1998 unter Helmut Kohl Bundesfinanzenminister. © imago/WEREK | imago stock&people
    1999 folgte Edmund Stoiber. Acht Jahre lang war der Jurist Parteivorsitzender, von 1993 bis September 2007 auch Ministerpräsident. Der Höhepunkt seiner Karriere war die Kür zum Kanzlerkandidaten der Union im Jahr 2002. Edmund Stoiber verlor allerdings gegen den SPD-Politiker Gerhard Schröder.
    1999 folgte Edmund Stoiber. Acht Jahre lang war der Jurist Parteivorsitzender, von 1993 bis September 2007 auch Ministerpräsident. Der Höhepunkt seiner Karriere war die Kür zum Kanzlerkandidaten der Union im Jahr 2002. Edmund Stoiber verlor allerdings gegen den SPD-Politiker Gerhard Schröder. © imago/photothek | Liesa Johannssen/photothek.net
    Das war eher ein kurzes Intermezzo: Erwin Huber war knapp ein Jahr, von September 2007 bis Oktober 2008, Parteivorsitzender der CSU. Er setzte sich damals gegen Horst Seehofer und Gabriele Pauli durch. Weil das Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl 2008 so schlecht war, trat Huber zurück.
    Das war eher ein kurzes Intermezzo: Erwin Huber war knapp ein Jahr, von September 2007 bis Oktober 2008, Parteivorsitzender der CSU. Er setzte sich damals gegen Horst Seehofer und Gabriele Pauli durch. Weil das Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl 2008 so schlecht war, trat Huber zurück. © imago/photothek | Ute Grabowsky/photothek.net
    Nach dem Rücktritt von Erwin Huber übernahm Horst Seehofer den Posten. Seitdem ist er CSU-Parteivorsitzender.
    Nach dem Rücktritt von Erwin Huber übernahm Horst Seehofer den Posten. Seitdem ist er CSU-Parteivorsitzender. © dpa | Peter Kneffel
    Markus Söder ist seit dem 19. Januar 2019 CSU-Parteivorsitzender.
    Markus Söder ist seit dem 19. Januar 2019 CSU-Parteivorsitzender. © dpa | Peter Kneffel
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    Jüngere sehen Seehofer skeptisch

    Dann dürfte es spannend werden: Denn Markus Söder sieht seine Bühne zwar in München, nicht in Berlin. Viele in der Partei gehen aber davon aus, dass Söder notfalls als Parteichef kandidieren würde – wenn er nicht vorzeitig das Ministerpräsidentenamt bekommt. Das würde dann aber einen Machtkampf bis zum Parteitag im Dezember bedeuten.

    CSU-Vize Barbara Stamm sagte dieser Tage beinahe flehend an die Partei gerichtet, dass sie sich nicht vorstellen könne, wie die CSU in dieser politischen Situation auf Seehofer verzichten könne. Dagegen ist meist von jüngeren CSU-lern sehr wohl zu hören,

    dass auch Seehofer nicht unersetzlich sei, dass es eine Verjüngung brauche.

    Aber noch ist Seehofer nicht weg. Selbst die Variante, dass er noch einmal in beiden Ämtern weitermachen will, schließen viele nicht aus – auch wenn unvorhersehbar ist, wie die Partei dann reagieren wird. Die Partei steckt, so scheint es, in einem unauflösbaren Dilemma. Bis Donnerstagabend kann die CSU nur eines tun: warten. (dpa)