Madrid . Will Kataloniens Separatistenchef in Belgien Asyl beantragen? In Spanien droht ihm nach Anklageerhebung wegen Rebellion die Festnahme.

Am Morgen hatte Kataloniens abgesetzter Ministerpräsident Carles Puigdemont noch den Anschein erweckt, als ob er sich in seiner Residenz im Regierungspalast in Barcelona aufhält. Er veröffentlichte im sozialen Netzwerk Instagram ein Foto, das den Blick aus seinem Palais auf Dachgiebel und den blauen Himmel zeigte. „Bon dia“ („Guten Tag“) stand auf Katalanisch darunter. Ein Ablenkungsmanöver. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung befand sich Puigdemoint schon nicht mehr in seinen Amtsräumen.

Am Montagnachmittag wurde bekannt, dass Puigdemont in der Nacht zum Montag nach Brüssel reiste. Möglicherweise um in Belgien politisches Asyl zu beantragen, wie die in Barcelona erscheinende Zeitung „El Periódico“ berichtete. Auch die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtet am Abend von Puigdemonts Ausreise. Der Regionalpräsident habe in Berlgien am Montag mit einem Anwalt gesprochen, berichtete Belga unter Berufung auf den Juristen. Es ist wohl kein Zufall, dass dies nur Stunden vor einer Klageerhebung des spanischen Generalstaatsanwalts geschah.

Spaniens oberster Ankläger José Manuel Maza, beschuldigt Puigdemont am Montagvormittag der Rebellion gegen den Staat, der Anstiftung eines Aufstandes und der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Ihm wird vorgeworfen, mit der Organisation des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober ein Verbot des Verfassungsgerichtes ignoriert zu haben. Spaniens Verfassung erlaubt keine Abspaltung einer Region.

Beschuldigte sollen schnellstens vor Gericht gestellt werden

Eine zweite Klage mit ähnlichen Vorwürfen wurde vor dem Obersten Gerichtshof gegen das frühere Präsidium des inzwischen aufgelösten Regionalparlaments erhoben. Der Gerichtshof ist für die Anklage von Politikern zuständig, die parlamentarische Immunität besitzen. Die sechs Mitglieder des Präsidiums werden dafür verantwortlich gemacht, dass die illegale Unabhängigkeitserklärung am vergangenen Freitag auf die Tagesordnung kam und dann mit der knappen Mehrheit der Separatisten verabschiedet worden war.

Generalstaatsanwalt Maza beantragte, dass alle Beschuldigten „schnellstens“ vom Gericht vorgeladen werden. Maza schloss nicht aus, dass dann „wegen der Schwere der Vorwürfe“ vom Untersuchungsrichter Auflagen verhängt werden, die vom Entzug des Reisepasses bis zur Untersuchungshaft reichen können. Sollten die Beschuldigten der Vorladung nicht nachkommen, müssen sie mit ihrer sofortigen Verhaftung rechnen.

Puigdemont muss mit seiner Festnahme rechnen

Der Chefankläger beantragte zudem, dass jeder der insgesamt 20 Beschuldigten eine Kaution von 300.000 Euro hinterlegen muss, um finanzielle Schäden wiedergutzumachen. Beim dem Vorwurf der Veruntreuung geht es um die Verwendung öffentlicher Gelder für die Vorbereitung des verfassungswidrigen Referendums am 1.Oktober und für die weitere Planung des Abspaltungsprozesses.

Angesichts der massiven Vorwürfe muss Puigdemont mit seiner Festnahme rechnen. Angeblich wird er von wenigstens fünf seiner früheren Kabinettsmitglieder begleitet. Die Staatsanwaltschaft leitete auch gegen alle früheren Minister Puigdemonts Klage ein.

Separatisten werden sich an der Wahl im Dezember beteiligen

Am Wochenende hatte Puigdemont noch so getan, als wäre er weiterhin im Amt, und als wolle er seine Absetzung nicht akzeptieren. Er forderte von seiner Heimatstadt Girona aus per TV-Ansprache seine Anhänger auf, die am Freitag ausgerufene „katalanische Repu­blik“ mit „demokratischer Opposition“ zu verteidigen. Die separatistischen Parteien räumten aber am Montag indirekt ihre Entmachtung ein und kündigten an, sich an der von der Regierung in Madrid ausgerufenen Wahl am 21. Dezember zu beteiligen.

Am Wochenende kamen auch die ersten Gerüchte auf, dass Puigdemont möglicherweise mit einer Flucht nach Belgien spiele. Belgiens Staatssekretär für Immigration, Theo Francken, hatte am Sonntag überraschend erklärt, es sei nicht auszuschließen, dass sein Land der entmachteten katalanischen Regionalregierung Asyl gewähren könnte. Francken gehört der Neu-Flämischen Allianz (NVA) an, die sich für die Unabhängigkeit der Region Flandern von Belgien einsetzt. Belgien gilt als eines der wenigen EU-Mitgliedsländer, in dem andere EU-Bürger Asyl beantragen können.