Reykjavik. Die isländische Mitte-Rechts-Regierung ist nach mehreren Politskandalen abgestraft worden. Ein Linksbündis errang die knappe Mehrheit.

Island steht vor einem Regierungswechsel. Nach einer Reihe politischer Skandale wurde die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Bjarni Benediktsson dem amtlichen Endergebnis vom Sonntag zufolge abgewählt. Ein linksgerichtetes Bündnis aus vier Parteien unter der Anführerin der Links-Grün-Bewegung, Katrin Jakobsdottir, kommt auf die äußerst knappe Mehrheit von 32 Mandaten im 63 Sitze zählenden Parlament.

Wie sich die neue Regierung zusammensetzt war zunächst jedoch unklar, da Präsident Gudni Johannesson erst noch einer Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss. Die konservative Unabhängigkeitspartei Benediktssons verlor bei den vorgezogenen Wahlen zwar Stimmen, blieb aber stärkste Kraft. Die Links-Grün-Bewegung der 41-jährigen Jakobsdottir kam auf den zweiten Platz.

Für bessere Gesundheitsversorgung und höhere Bildungsausgaben

Die Partei setzt sich für eine bessere Gesundheitsversorgung und höhere Ausgaben für Bildung und Infrastruktur im Gegenzug für eine Anhebung der Steuern für Reiche und die Einführung einer Immobilienabgabe ein. Jakobsdottir sagte zu Reuters, sie sei offen für Gespräche mit allen Parteien. Ihrem Bündnis gehören die Sozialdemokraten, die Progressive Partei und die Piraten an.

Wahl in Island: Konservative trotz Verlusten stärkste Kraft

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