Berlin. Die Bundesregierung plant die Verlängerung der Auslandseinsätze der Bundeswehr um drei Monate. Irak-Mission könnte 2017 enden.

Die Bundesregierung will alle Militäreinsätze der Bundeswehr, die zum Jahreswechsel auslaufen, um drei Monate verlängern. Eine solche Initiative wird nach Informationen dieser Zeitung das Kabinett am Mittwoch auf den Weg bringen. Damit stellt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicher, dass Union, Grüne und FDP ohne diesen Druck über eine Jamaika-Koalition verhandeln können.

Es geht um fünf Mandate, die Ende 2017 auslaufen. Und um zwei Mandate, die spätestens Ende Januar verlängert werden müssen. Mehr als 4000 Soldaten bekämen Klarheit und Rechtssicherheit. Auch wenn die große Koalition abgewählt ist, wird die SPD noch einmal mit der Union die Mandate verlängern. Die Stimmen der Grünen und der FDP sind dazu nicht notwendig. Tatsächlich kommt der Plan den Grünen gelegen, die im Bundestag mehrere Einsätze abgelehnt und sich bei anderen enthalten haben. Die Auslandseinsätze drohen zur Belastungsprobe in den Koalitionsverhandlungen zu werden.

„Minusma“-Mandat in Mali und Senegal ist umstritten

André Wüstner, Chef des Bundeswehrverbands, erwartet von Parlament und geschäftsführender Regierung die Verlängerung der Auslandseinsätze. „Ein kurzfristiger Stopp der Einsätze durch Nichtverlängerung der Mandate wäre unverantwortlich“, sagt Wüstner dieser Zeitung. „Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass zur Erfüllung der Aufträge Anpassungsbedarf besteht.“ Umstritten sind vor allem drei Missionen. Erstens: das „Minusma“-Mandat in Mali und Senegal (1000 deutsche Soldaten), weil das deutsche Engagement in Afrika auf Drängen Frankreichs immer größer wird.

Zudem ereignete sich zuletzt ein schweres Hubschrauberunglück, zwei deutsche Soldaten starben. Die Frage ist, welche deutschen Interessen in Afrika vertreten werden und ob die Bundeswehr gut gerüstet ist. Zweitens: die Ausbildung der kurdischen Peschmerga, die im Nordirak gegen das Terrornetzwerk „Islamischer Staat“ (IS) kämpfen (Obergrenze: 150 Soldaten). Diese Mission ist aber aufgrund der unklaren Lage seit Freitagabend vorläufig ausgesetzt, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag sagte. Im Nordirak sind Kämpfe zwischen Kurden, die einen unabhängigen Staat anstreben, und der irakischen Armee ausgebrochen.

Engagement im Nordirak im kommenden Jahr beenden

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), kann sich vorstellen, dass der Einsatz vollständig beendet wird. „Der Kampf gegen den IS in Nordirak scheint gewonnen und somit wäre der Auftrag für die Bundeswehr erfüllt“, sagt Hellmich dieser Zeitung. Auch Wüstner kann sich ein Ende des Irakeinsatzes vorstellen. Einem Bericht von „Spiegel online“

„Die Übernahme von Verantwortung nach dem Gießkannenprinzip ist mit der kleinsten Bundeswehr aller Zeiten schlicht nicht möglich“, sagt er mit Blick auf die vielen Auslandseinsätze der Bundeswehr. „Eine mögliche Konsequenz könnte beispielsweise sein, dass das Engagement im Nordirak im kommenden Jahr beendet wird.“ Drittens: Schwer vermittelbar ist eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes „Resolute Support“ (Obergrenze: 980 Soldaten). Die USA beharren darauf. „Der Druck auf die Partner ist sehr groß“, weiß Hellmich. Es würde die Bürger unvorbereitet treffen.

Mandatsobergrenze von 980 Mann zu niedrig bemessen

Anders als die USA habe die Bundesregierung nie die Mission „gründlich evaluiert“, erinnert sich Hellmich. „Das ist ein Manko“. Der letzte Fortschrittsbericht liegt drei Jahre zurück. Hellmich sagt, „wir brauchen eine Evaluation und eine öffentliche Debatte darum“. Wüstner sieht Voraussetzungen für eine Erhöhung der Truppenstärke am Hindukusch. „Schon bei Mandatserteilung für die Mission „Resolute Support Afghanistan“ im Jahr 2014 war aus Sicht der Streitkräfte die Mandatsobergrenze von 980 Mann zu niedrig bemessen“, so der Chef des Bundeswehrverbandes. „Der militärische Ratschlag verhallte seinerzeit ungehört.“

Ein 21 Seiten langer Bericht für die Parlamentarische Versammlung legt schonungslos die Probleme in Afghanistan bloß, angefangen mit der Analyse des Kriegsschauplatzes durch den Kommandeur von „Resolute Support“, US-General John W. Nicholson. Vor dem US-Senat sprach er von einer „Pattsituation“. Afghanistan sehe sich konfrontiert mit „erweiterten und stärkeren Aufständen“, während gleichzeitig seine Institutionen geschwächt seien „durch interne Machtkämpfe und Korruption“.

Verlustraten gestiegen aufgrund von Feuerangriffen

Den afghanischen Streitkräften werden in dem Papier Mängel attestiert: bei „Führung, Nachrichtenwesen, Überwachung und Aufklärung, Logistik und Koordinierung zwischen den Dienststellen und Behörden und tragfähiger Unterstützung“. Zudem würden sie durch die „grassierende Korruption“ behindert. Gestiegen seien auch die Verlustraten aufgrund von Feuerangriffen, Explosionen, Minen. Ein besonderes Problem sind Insiderangriffe von eigenen Soldaten. Am meisten leidet die Bevölkerung.

2016 sind laut UN 11.418 Zivilisten gestorben. Das ist der größte Anstieg seit Beginn der Erfassung der zivilen Opfer im Jahr 2009. In der ersten Hälfte 2017 kamen 5243 Tote hinzu. Jahrelang verfolgte die Bundesregierung hilflos die Stop-and-go-Politik der US-Regierung. 2009 propagierte der damalige US-Präsident Barack Obama den Rückzug aus Afghanistan. 2014 folgte der Ausstieg aus dem Ausstieg. Nachfolger Donald Trump wurde von seinen Militärs überredet, über 2020 hinaus am Hindukusch zu bleiben. Es sieht so aus, als ob auch deutsche Soldaten noch lange in Afghanistan bleiben werden.

Die Soldaten sollen in Echtzeit unterstützt werden

Bisher stellen 39 Länder (26 Nato-Partner) für „Resolute Support“ 11.599 Soldaten bereit, davon allein 8400 Amerikaner. Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zögern, dem Drängen der USA nachzugeben. Intern kursieren Planspiele, das deutsche Kontingent um 400 Soldaten aufzustocken. Dass es „Überlegungen in verschiedene Richtungen“ gebe, bestätigt das Ministerium, nicht jedoch eine Entscheidung auf konkrete Zahlen.

Die USA planen, die Ausbildung zu verstärken, die afghanischen Streitkräfte besser, effektiver und in Echtzeit bei Operationen gegen die Taliban zu unterstützen. So könnten Ausbilder in die Nähe von Kampfhandlungen kommen. Das wäre eine neue Situation, so Hellmich, die „ein robusteres Mandat erforderlich machen würde“.