Berlin. Petry verlässt schon vor der ersten Sitzung die Fraktion. Unter den neuen Abgeordneten finden sich Figuren mit zweifelhaften Ansichten.

Dass es nach der Wahl in der

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wieder zum Streit um den richtigen Kurs der Partei kommen würde, war absehbar. Der Konflikt war im Wahlkampf nur mit Mühe unter dem Deckel gehalten worden. Dass er aber schon weniger als 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale aufbrechen würde, kam überraschend: „Von der gerade geplatzten Bombe hatte ich keine Kenntnis“, sagte Parteichef Jörg Meuthen.

Kurz nach Beginn einer Pressekonferenz mit Meuthen und mit den AfD-Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland hatte AfD-Chefin Frauke Petry verkündet: „Ich werde der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören.“ Daraufhin griff sie sich ihre Handtasche und ihr Handy und verließ den Saal der Bundespressekonferenz. Zurück blieben drei irritierte Parteifreunde und Journalisten, die keine Gelegenheit mehr für Fragen hatten.

Fraktion vor erster Sitzung gespalten

Mit dem öffentlichkeitswirksamen Abtritt ist die turbulente Geschichte der

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nicht nur um eine Facette reicher. Damit hat sich auch die neue AfD-Bundestagsfraktion noch vor ihrer allerersten Sitzung am heutigen Dienstag gespalten. Dass die Partei so schnell nicht zur Ruhe kommt, zeigen auch Meldungen aus den Bundesländern: In Mecklenburg-Vorpommern verließen am Montag vier AfD-Abgeordnete die dortige Landtagsfraktion und nennen sich nun „Bürger für Mecklenburg-Vorpommern“. In Thüringen wird nach Petrys Abgang mit einer Einstellung des Parteiausschlussverfahrens gegen Landeschef Björn Höcke gerechnet.

Spitzenkandidat Gauland sagte zu Petrys Rückzug, er kenne die Gründe für den Schritt nicht und „will sie auch nicht wissen“. Weidel fand zunächst Worte des Bedauerns und forderte Petry wenige Stunden später auf, nicht nur ihren Posten als Vorsitzende niederzulegen, sondern gleich ganz „die Partei zu verlassen, um nicht weiteren Schaden zu verursachen.“

Mehrfach wies die AfD-Spitze am Montag darauf hin, wie wenig sich Petry in den vergangenen Wochen an Vorstandssitzungen und Telefonkonferenzen beteiligt hatte. Sie sei kaum erreichbar gewesen und habe mit niemandem den persönlichen Kontakt gesucht. Seit Langem herrschte offene Feindschaft zwischen der Vorsitzenden und dem Rest der Parteispitze.

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    Petrys Abgang erleichtert ihren Parteifreunden die Arbeit

    Petry selbst verkündete auf ihrer Facebook-Seite, sie werde dem Bundestag „als Einzelabgeordnete“ angehören, um „einer vernünftigen konservativen Politik Gesicht und Stimme zu verleihen“. In der Pressekonferenz hatte sie gesagt, die AfD solle „keine abseitigen Positionen“ mehr vertreten, die mit der Realität nichts zu tun hätten. Sie distanzierte sich erneut vom oft krawalligen Wahlkampf der Parteispitze und sagte, man solle im Bundestag keine Fundamentalopposition betreiben, sondern „die Regierungsübernahme 2021 vorbereiten“.

    Wie sie das allein schaffen will, ist unklar. Ihren Kurs hatte Petry bereits vor dem Parteitag in Köln im April verfolgt und war damit krachend gescheitert. Anschließend hatte sie ähnlich öffentlichkeitswirksam in einer Videobotschaft verkündet, nicht als Spitzenkandidatin für den Wahlkampf zur Verfügung zu stehen. Damit hatte sie damals den Weg für das Duo Gauland/Weidel freigemacht. Auch jetzt erleichtert Petrys Abgang ihren Parteifreunden die Arbeit: Gauland und Weidel können nun ohne Probleme Fraktionschefs werden.

    Fraktion aus sehr unterschiedlichen Mitgliedern

    Die beiden werden 93 Abgeordneten (ohne Petry) vorstehen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Alice Weidel (38) war bis zur Gründung der AfD selbst politisch nicht aktiv. Lange galt sie als wirtschaftsliberal, nimmt aber zunehmend radikale Positionen ein. Ob eine kürzlich bekannt gewordene vier Jahre alte E-Mail mit rassistischem und verschwörungstheoretischem Inhalt von ihr stammt, ist unklar. Weidel verweigert dazu jede Aussage.

    Ihr Parteifreund Alexander Gauland (76) zählt in der Fraktion zur Gruppe der enttäuschten früheren CDU-Mitglieder. Er war früher in der Frankfurter Kommunalpolitik tätig und leitete die hessische Staatskanzlei unter Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU).

    Ebenfalls aus Hessen kommt Martin Hohmann (69), der nun der einzige AfD-Abgeordnete ist, der schon einmal im Bundestag saß. Hohmann war CDU-Mitglied und wurde vor 14 Jahren aus der Partei ausgeschlossen, weil er eine als antisemitisch kritisierte Rede gehalten hatte.

    Holocaust infrage gestellt

    In Schutz genommen wurde Hohmann damals von Wilhelm von Gottberg (77), ebenfalls früher in der CDU. Von dem ehemaligen Polizeibeamten und früheren Vizepräsidenten des Bundes der Vertriebenen sind Äußerungen überliefert, in denen er den Holocaust infrage stellt und den „Schuldkult“ mit der Nazizeit beenden will. Ähnlich äußert sich Martin Renner (63), Spitzenkandidat aus Nordrhein-Westfalen. Renner nennt Zuwanderung eine „als humanistisch getarnte Selbstzerstörung der deutschen Kultur“.

    Auch Armin Paul Hampel (60) war früher in der CDU. Der ehemalige ARD-Fernsehreporter ist einer der AfD-Landesvorsitzenden, denen ihr Bundesland zu klein wurde und die für den Bundestag kandidiert haben. Dazu zählt auch Leif-Erik Holm (47), Radiomoderator aus Mecklenburg-Vorpommern.

    Gemäßigte

    Als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl hatte er ein gutes Ergebnis erzielt und gilt als gemäßigter AfD-Politiker. Früher leitete er das Berliner Büro der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch (46). Die geborene Herzogin von Oldenburg ist auch AfD-Landesvorsitzende in Berlin und gilt als christliche Fundamentalistin. Sie wirkte bisher in wenig transparenten Netzwerken, in denen sie Spenden für politische Kampagnen sammelte.

    Zur Riege der Landesvorsitzenden zählt auch Petr Bystron (44) aus Bayern. Der Unternehmensberater hält die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ als geeignete „Vorfeld-Organisation“ für die AfD und lässt „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ erkennen, wie ein Gericht urteilte.

    Darüber hinaus sind zahlreiche AfD-Abgeordnete mit rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Dazu zählt Thomas Seitz (50), ein Staatsanwalt aus Freiburg, der Flüchtlinge als „Migrassoren“ bezeichnet hat und Menschen mit schwarzer Hautfarbe „Neger“ nennt. Weil er in der Politik von Kanzlerin Merkel den „Auftakt zur Vernichtung des deutschen Volkes“ sieht, bekam er ein Disziplinarverfahren. Der Dresdner Richter Jens Maier (55) trat bei Pegida-Kundgebungen auf, warnte vor „Mischvölkern“ und zeigte angeblich Verständnis für den norwegischen Rechts-Terroristen Anders Breivik. Gegen Sebastian Münzenmaier (28) aus Mainz läuft ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Er soll mit Anhängern des 1. FC Kaiserslautern Fans des Clubs Mainz 05 angegriffen haben.

    Parteichef Meuthen widersprach am Montag dem Vorwurf, die AfD gebe Neonazis eine Heimat. Damit überschritten die politischen Gegner „die Grenzen des Anstands“. Dies sei ein „ungeheuerlicher“ Vorwurf. Meuthen behauptete: „Die Saat der Gewalt wird vom politischen Gegner gesät. Wir wollen den gepflegten politischen Diskurs.“