Berlin. Laut dem Auswärtigen Amt sind in der Türkei zwei Deutsche festgenommen. Die Kanzlerin kündigt eine härtere Gangart gegen die Türkei an.

  • Die zwei Deutschen wurden am Flughafen der Urlaubsregion Antalya festgenommen
  • Es geht wohl um politische Vorwürfe gegen die Personen
  • Insgesamt sitzen 55 deutsche Staatsbürger in der Türkei in Haft

In der Türkei sind zwei weitere deutsche Staatsbürger festgenommen worden. Den Festgenommenem werden politische Vorwürfe gemacht. Man habe von der Verhaftung nicht von türkischer Seite erfahren, sondern von „nicht-staatlichen Stellen“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Adebahr, am Freitag in Berlin.

Die Festnahme habe am Donnerstag stattgefunden. Die Flughafenpolizei in Antalya habe die Festnahme auf Anfrage des Generalkonsulats in Izmir bestätigt.

Bisher kein diplomatischer Kontakt zu Gefangenen

Bestätigt worden sei auch die alleinige deutsche Staatsangehörigkeit der beiden Festgenommenenm die jedoch türkische Wurzeln haben sollen. Telefonischen Kontakt habe es zunächst nicht gegeben. Die Bundesregierung versuche, Kontakt herzustellen und konsularische Betreuung so schnell wie möglich sicherzustellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwägt nach der Festnahme von zwei weiteren Deutschen in der Türkei eine schärfere Politik gegenüber Ankara. Solche Festnahmen hätten in den „allermeisten Fällen keinerlei Grundlage“, sagte sie am Freitag beim Bundesmittelstandstag in Nürnberg. „Und deshalb müssen wir hier auch entschieden reagieren.“ Merkel bekräftigte zudem ihre Ankündigung, Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion zwischen der Europäischen Union und Ankara zu blockieren.

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    FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner fordert eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Türkei. „Mit der neuerlichen Festnahme von zwei deutschen Staatsangehörigen in der Türkei ist klar, dass sich Herr Erdogan nicht an rechtsstaatliche und zivilisatorische Anforderungen hält“, sagte der FDP-Chef unserer Redaktion. „Die Bundesregierung muss den Druck auf die Türkei erhöhen.“ Es könne keine Kooperation in wirtschaftlicher Hinsicht mehr geben. „Die Beitrittsgespräche zur Europäischen Union müssen ausgesetzt werden und die Regierung sollte eine Reisewarnung für die Türkei aussprechen. Offensichtlich können Geschäftsleute, Urlauber und Journalisten sich in der Türkei nicht mehr sicher sein, dass Land auch wieder verlassen zu dürfen.“

    Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner bringt Reisewarnungen für die Türkei ins Gespräch.
    Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner bringt Reisewarnungen für die Türkei ins Gespräch. © dpa | Federico Gambarini

    „Herr Erdogan versteht nur die Sprache der Härte“, sagte Lindner weiter. Das habe man bereits im Konflikt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesehen. „Die inkonsequente Politik der Bundesregierung – Wahlkampfhilfe, Referendum, Böhmermann – hat doch nur die Opposition in der Türkei geschwächt. Jedes Entgegenkommen Europas ist ein Tritt in die Kniekehlen der Opposition.“ Deshalb müssten nun alle Ampeln auf Rot geschaltet werden. „Erdogan verfolgt ein neues Geschäftsmodell für die Türkei: Die Wiederherstellung des Osmanischen Reichs in Form einer islamistischen Präsidialdiktatur.“ Dafür sei kein Platz in Europa.

    Auch Martin Schulz schließt Reisewarnung nicht aus

    SPD-Kanzlerkandidat Schulz regt eine Diskussion zu Gegenmaßnahmen an. Das sei keine Frage mehr von Wochen und Monaten, sondern müsse in den nächsten Tagen von der Bundesregierung geprüft werden, sagte Schulz am Freitag in Berlin. Der SPD-Chef schloss eine Reisewarnung an deutsche Türkei-Urlauber nicht aus. Nach den kürzlich verschärften Hinweisen des Auswärtigen Amtes müsse geschaut werden, „wie weit man in der Skala da gehen kann“.

    In Deutschland wächst der Verdacht, Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan könnte Bundesbürger womöglich als Faustpfand festhalten. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der „Bild“-Zeitung (Samstag): „Erdogan ist kein Präsident, sondern ein Geiselnehmer.“ Die Situation sei so ernst, „dass ich niemandem mehr mit gutem Gewissen sagen kann, dass man in der Türkei derzeit sicher ist“.

    Zehntausende Festnahmen nach Putschversuch

    In der Türkei sitzen bereits mehrere deutsche Staatsbürger im Gefängnis. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich derzeit 55 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft, davon zwölf aus politischen Gründen (einschließlich der beiden am Donnerstag Verhafteten). Mindestens vier der zwölf hätten die doppelte Staatsbürgerschaft, sagte Adebahr. Den Journalisten Mesale Tolu und Deniz Yücel, sowie dem Menschenrechtler Peter Steudtner werden Terror-Propaganda oder die Unterstützung terroristischer Organisationen vorgeworfen.

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      Die Festsetzung ist Teil einer Reihe von Festnahmen, die nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 erfolgten. Zehntausende Menschen wurden nach dem Putschversuch verhaften. Unter ihnen sind Polizisten, Soldaten, Lehrer und Journalisten. Den meisten wird vorgeworfen den Prediger Fethullah Gülen zu unterstützen.

      Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vermutet Gülen hinter dem Putschversuch. Der Prediger – ein einstiger Verbündeter Erdogans – lebt in den USA im Exil.

      Regierung fordert Freilassung deutscher Inhaftierter

      Am 200. Tag der Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel forderte Regierungssprecher Steffen Seibert einen Kurswechsel der türkischen Führung. „Unsere Forderung an die Türkei ist klar: Wir erwarten von der Türkei, dass deutsche Staatsbürger freigelassen werden.“ Seibert kritisierte auch Verstöße gegen das Wiener Übereinkommen, das die konsularische Betreuung von Inhaftierten regele.

      Nach der Festnahme der zwei Deutschen erhebt die Linke schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gefährdeten mit ihrer Politik gegenüber Ankara die Sicherheit der Bürger, sagte Sevim Dagdelen, Sprecherin der Linksfraktion für Internationale Beziehungen, am Freitag in Berlin. Angesichts der Gefährdungslage müsse das Auswärtige Amt unverzüglich eine offizielle Reisewarnung für die Türkei herausgeben. (dpa/rtr/ac/FMG)