Berlin. Die USA planen die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Es würde auch die deutsche Wirtschaft treffen. Die Regierung ist alarmiert.

Eigentlich hatte die deutsche Wirtschaft im Russland-Geschäft gerade wieder Hoffnung geschöpft. Drei Jahre nach Beginn der westlichen Sanktionen gegen Russland im August 2014 zieht der deutsch-russische Handel kräftig an. Doch ausgerechnet jetzt droht eine neue, schwere Krise: Die USA wollen ihre Strafmaßnahmen gegen Russland verschärfen – sie gefährden damit, womöglich absichtlich, die Geschäfte deutscher und europäischer Unternehmen im Osten.

Bundesregierung und EU sind alarmiert: Sie fürchten Schaden für die heimische Wirtschaft und drohen Washington bereits offen mit Vergeltungsmaßnahmen. Steht ein Handelskrieg mit den USA bevor? „Das wäre ganz schlecht“, sagte am Donnerstag Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Aber sie betonte: „Es gibt die Möglichkeit von Gegensanktionen“.

Die USA wollen russische Erdgasexporte erschweren

Auslöser des Konflikts: Das US-Repräsentantenhaus hat mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Sanktionen gegen Russland, aber auch gegen den Iran und Nordkorea verschärft. Russland soll für die Annexion der ukrainischen Krim, die Unterstützung des Assad-Regimes im syrischen Bürgerkrieg und für die vermutete Einflussnahme auf die US-Präsidentenwahl härter bestraft werden. Ziel ist diesmal vor allem der Export von russischem Erdgas. Einzelpersonen und Unternehmen müssen Strafen befürchten, wenn sie Russland bei Bau, Betrieb, Modernisierung oder der Wartung von Pipelines zum Erdgasexport unterstützen. Wohl kein Zufall, denn beim Gas liefern sich USA und Russland einen heftigen Wettbewerb. Obwohl es sich um ein amerikanisches Gesetz handelt, wären auch europäische Unternehmen betroffen – in Deutschland etwa BASF und Eon.

Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft warnte am Donnerstag: „Insgesamt gibt es rund 90 russische Exportpipelines. Bei vielen dieser Projekte geht es auch um europäische Partner und Arbeitsplätze“, sagte Geschäftsführer Michael Harms. Ausdrücklich verhindern wollen die USA die Ostsee-Pipeline Nordstream 2, an dem Unternehmen aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien mitwirken. Die Pipeline soll ab 2019 russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland liefern. Sie ist auch in Europa umstritten, die EU-Kommission hat sich bereits eingeschaltet. Aber die amerikanische Intervention hat eine neue Qualität.

Wirtschaft sieht Eingriff in die deutsche Energieversorgung

Und auch viele weitere Vorhaben könnten ins Visier geraten, heißt es bei Wirtschaftsverbänden. Die Auswahl würde dem US-Präsidenten überlassen. „Das Gesetz schwebt wie ein Damoklesschwert über europäischen Firmen, die sich im Energiesektor engagieren“, warnte Harms. Viele Unternehmen seien bereits verunsichert, ob sie Nachteile auf dem US-Markt erleiden müssten. Die Gefechtslage in Washington ist allerdings ungewöhnlich. Auch im US-Senat zeichnet sich jetzt eine breite Zustimmung von Republikanern und Demokraten ab. Doch Präsident Donald Trump ist eigentlich gegen neue Sanktionen. Unterschreibt er das Gesetz trotzdem? Der Präsident kann sich ein Veto kaum leisten angesichts der großen Mehrheit im Kongress; und Trump steht ja ohnehin im Verdacht einer zu großen Nähe zu Moskau.

In der deutschen Wirtschaft, aber auch in der Bundesregierung ist die Empörung auch deshalb so groß, weil hinter den Sanktionen handfeste Wirtschaftsinteressen vermutet werden: Die USA dürften die Sanktionen nutzen, um die eigenen Energieexporte anzukurbeln. Sie planen ja bereits den Bau von Flüssiggasterminals in Europa. Wirtschaftsverbände warnen, ein Ziel der USA sei es, die Förderung der eigenen Schiefergasindustrie auf Kosten europäischer Konkurrenz zu unterstützen. Der Ostausschuss spricht von einem „fundamentalen Eingriff in die europäische Energieversorgung“. Folge könnten „steigende Energiepreise und eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit“ der europäischen Wirtschaft sein. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fürchtet empfindliche Schäden für die Wirtschaft, wenn wichtige Projekte für die Versorgungssicherheit zum Stillstand kämen.

Der Gesetzentwurf wurde schon auf Druck von Diplomaten entschärft

So drastisch formuliert es die Bundesregierung nicht. Denn Diplomaten der EU und Deutschlands konnten bei Gesprächen in Washington den Gesetzentwurf entschärfen, wie es in Berlin heißt. So wird jetzt geregelt, dass sich der US-Präsident vor der Verhängung von Sanktionen mit den Verbündeten abstimmen soll – wobei unklar bleibt, wie das im Einzelfall aussehen soll. Grundsätzlich macht die Bundesregierung klar, dass sie solche Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung, die also Drittstaaten betreffen, ablehnt. Der Regierungskoordinator für die Beziehungen zu den USA, Jürgen Hardt, nennt nennt sie „völkerrechtswidrig“.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker droht den USA bereits mit Gegenschlägen, wenn europäische Firmen von Sanktionen betroffen sein sollten: „Wir sind bereit, innerhalb von Tagen adäquat zu reagieren.“ Aber auch Russlands Präsident Wladimir Putin gibt sich gewappnet: Die Sanktionen seien illegal, eines Tages müsse sich Russland rächen.