Berlin. Mit Donald Trumps Wahl begann für viele das „Zeitalter des Populismus“. Droht ähnliches in Deutschland? Eher nicht, sagt eine Studie.

  • Radikal systemablehnende und anti-pluralistische Einstellungen finden in Deutschland keine Mehrheit.
  • Der Anteil der Populisten beträgt 29,9 Prozent. 36,9 Prozent lehnen populistische Positionen ab, weitere 33,9 Prozent stimmen ihnen nur teilweise zu.
  • Populisten sind jedoch vor allem enttäuschte Demokraten, aber keine Systemgegner

Die Briten haben für den Austritt aus der EU gestimmt, in den USA regiert Donald Trump. Auch in Frankreich und Österreich versammeln die Rechtspopulisten von Front National und FPÖ große Teile der Bevölkerung hinter sich. Steht Deutschland bei der Bundestagswahl am 24. September ähnliches bevor?

Mit dieser Frage haben sich Sozialwissenschaftler im Auftrag der Bertelsmann Stiftung auseinandergesetzt. Ihr Fazit: Radikal systemablehnende und anti-pluralistische Einstellungen finden in Deutschland keine Mehrheit. „Von einer ‘Stunde der Populisten’ ist das politische Klima vor der Bundestagswahl weit entfernt“, sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung.

Ein knappes Drittel ist populistisch

Dabei sind viele Deutsche populistisch eingestellt. Zwischen Juli 2015 und März 2017 wurden jeweils mehr 1600 Deutsche per Online-Panel-Umfrage zu ihren politischen Einstellungen befragt. Der Anteil der Populisten beträgt dabei 29,9 Prozent. 36,9 Prozent lehnen populistische Positionen ab, weitere 33,9 Prozent stimmen ihnen nur Teilweise zu. Populisten, also Menschen, die politische Themen radikal vereinfachen und von einem allgemeinen Volkswillen ausgehen, den sie selbst vertreten, machen damit fast ein Drittel der Bevölkerung aus.

Studienautor Robert Vehrkamp verweist jedoch darauf, dass es sich dabei in den meisten Fällen um einen „moderaten Populismus“ handele. „Sie stellen die Institutionen der Demokratie oder der EU nicht in Frage, sondern kritisieren ihre Funktionsweise“, sagte der Sozialwissenschaftler. „Es sind vor allem enttäuschte Demokraten, aber keine Systemgegner.“

„Ja“ zur Demokratie, Kritik an der Funktionsweise

Unter den populistisch Eingestellten zeigen sich laut Studie zwar nur 49 Prozent voll oder eher zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie. 85 Prozent der Befragten mit populistischen Ansichten sehen in der Demokratie dennoch das beste politische System.

Und während Donald Trump in den USA auch für das Versprechen gewählt wurde, die politischen Eliten zu entmachten, würde ein Kandidat mit dieser Forderung in Deutschland selbst in der Gunst populistischer Wähler verlieren. „Berlin ist nicht Washington“, beschreibt Vehrkamp den Befund. „Eine populistische Anti-Establishment-Kampagne wie von Donald Trump hätte in Deutschland nicht den Hauch einer Chance.“

Schlechte Bildung und geringes Einkommen befördern Populismus

Jedoch zeigt sich laut Studie eine deutliche soziale Spaltung: Je niedriger der Bildungsabschluss und je geringer das Einkommen desto weiter verbreitet sind populistische Einstellungen. Am stärksten ausgeprägt sind sie demnach bei Hauptschulabsolventen, die weniger als 1500 Euro verdienen.

Keine Rolle spielt hingegen, ob eine Person aus Ost- oder Westdeutschland stammt. Auch Alter und Geschlecht der Befragten, hatte keinen signifikanten Effekt auf ihre Einstellung.

Populistische Positionen nützen Parteien nicht - außer der AfD

Populistisch eingestellte Wähler gibt es der Studie zufolge über alle Parteigrenzen hinweg. Dennoch fällt ein Blick auf die Wählerschaft eindeutig aus: Mit Abstand am populistischsten sind die Anhänger der AfD. Dabei mobilisiert sie ihre Wähler fast ausschließlich über das Thema „Flüchtlinge“. Andere Parteipositionen spielen bei der Wahl der Rechten hingegen kaum eine Rolle.

Für Kandidaten anderer Parteien lohnt es sich dennoch nicht, mit populistischen Positionen auf Stimmenfang zu gehen, zeigt die Studie. Je zugespitzter und systemkritischer die Positionen sind, desto stärker sinkt die Zustimmung in der Gesamtwählerschaft.

Bei den Themen „Europa“, Flüchtlinge oder „Globalisierung und Freihandel“ etwa zahlen sich radikal-populistische Positionen für die Parteien nicht aus. Mit pro-europäische Positionen hingegen können Politiker über alle Wahlberechtigten hinweg punkten. Vehrkamp fast es so zusammen: „Es nutzt keiner Partei, der AfD in der Flüchtlingsfrage hinterher zu laufen.“