Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden sollen verschlüsselte Messenger überwachen können. Doch Sicherheitsexperten melden schon Zweifel an.

Der Bundestag hat am Donnerstagabend das umstrittene Whats­App-Gesetz verabschiedet: Sicherheitsbehörden ist es künftig erlaubt, die verschlüsselten Online-Chats von Verdächtigen mitzulesen. Dies soll mithilfe von Schadsoftware auf Handys oder Computern geschehen, sogenannten Bundestrojanern. Die Überwachung von Programmen wie WhatsApp oder Threema soll schwere Straftaten verhindern.

Dem Bundesinnenministerium geht es beim neuen Gesetz nicht nur darum, Terroranschläge zu vereiteln. Es soll auch bei Verdacht auf Delikte wie Mord, Hehlerei, Steuerbetrug, Computerbetrug und missbräuchliche Asylantragstellung angewendet werden. Bisher durften die Sicherheitsbehörden im Grunde nur die SMS-Nachrichten von Verdächtigen mitlesen und ihre Telefonate abhören.

Zur Überwachung muss Zusatzprogramm auf Geräte geladen werden

Weil Terroristen und andere Kriminelle mittlerweile aber fast nur noch über Dienste wie WhatsApp miteinander kommunizieren, sollen diese Messenger genannten Programme nun ebenfalls kontrolliert werden. Es geht dabei vor allem um das Mitlesen in Echtzeit von Nachrichten auf Computern, Handys oder Tablets.

Ein Staatstrojaner wird auf das Handy oder den Rechner von Verdächtigen eingeschleust. Das ist ein kleines Programm im Hintergrund, das ohne Wissen des Anwenders auf das Gerät zugreift. Mit seiner Hilfe können die Nachrichten vor der Verschlüsselung abgefangen werden.

Das neue Gesetz erlaubt auch Online-Durchsuchungen. Dabei dürfen betroffene Computer und Handys vollständig ausgelesen werden – inklusive Terminkalender, Kontakte, Kontobewegungen, Social-Media-Einträgen und vielen anderen sensiblen Daten. Allerdings soll die Online-Überwachung nur auf richterlichen Beschluss möglich sein. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versicherte vor Kurzem, die „Kommunikation unbescholtener Bürger“ sei ungestört und sicher.

Datenschutzbeauftragte sieht Verfassungsverstoß

Doch es gibt viel Kritik an dem neuen Gesetz. Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff spricht in einer Stellungnahme von „erheblichen datenschutzrechtlichen Risiken“ sowie „einem klaren Verfassungsverstoß“. Sie kritisiert, von der Bundesregierung „nicht über die geplante Änderung der Strafprozessordnung informiert“ worden zu sein. Die Grünen sehen einen „finalen Angriff auf die Bürgerrechte“.

Smartphone-Test: Diese Handys sind jetzt die besten

weitere Videos

    Der Deutsche Richterbund (DRB) verteidigt hingegen das WhatsApp-Gesetz. „Es kann nicht sein, dass die Ermittler bei einem Verdacht auf gravierende Straftaten zwar Telefongespräche abhören oder E-Mails mitlesen dürfen, aber nicht auf die Kommunikation bei WhatsApp, Telegram oder Threema zugreifen können“, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des DRB, unserer Redaktion. „Es ist wichtig, dass der Gesetzgeber die Strafverfolgungsbehörden bei der Überwachung von Telekommunikation wieder auf die Höhe der Zeit bringt.“

    Experten verweisen auf Risiken

    Der Staat müsse technologisch Schritt halten, um insbesondere Terrorismus und organisierte Kriminalität weiterhin effektiv bekämpfen zu können. Der Zugriff auf die Kommunikation bei WhatsApp und Co. werde nur mit hohen rechtsstaatlichen Hürden und mit Richtervorbehalt eröffnet, was richtig und rechtsstaatlich geboten sei, sagte Rebehn.

    Die Behörden werden Sicherheitslücken ausnutzen, die jedes Betriebssystem hat, um die Bundestrojaner einzuschleusen. Erst vor Kurzem diente Hackern eine ursprünglich von dem US-Geheimdienst NSA entdeckte, aber nicht offiziell gemeldete Sicherheitslücke im Windows-Betriebssystem für einen weltweiten Angriff mit dem Erpressungstrojaner „WannaCry“. So etwas könne immer wieder passieren, warnen IT-Experten, wenn gefundene Lücken nicht an die Entwickler des jeweiligen Betriebssystems gemeldet würden. (ab/ak/cu/les)

    Das iPhone wird zehn Jahre alt

    weitere Videos