Taormina. Auf dem G7-Gipfel in Taormina wird deutlich sichtbar, wie fremd sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump sind.

Es ist ein Bild für die Götter. Bundeskanzlerin Angela Merkel, strahlend blaues Jackett und weiße Hose, plaudert mit US-Präsident Donald Trump, der im staatstragenden Dunkelblau daherkommt. Beide schlendern mit ihren Kollegen, den Staats- und Regierungschefs der westlichen G7-Industrienationen, durch das griechische Amphitheater in Taormina. In der Ferne schimmert der Gipfel des Ätnas. Die historische Stadt an der sizilianischen Mittelmeerküste bietet an diesem Freitag eine großartige Kulisse. Doch der Eindruck täuscht. Denn Freunde – das lässt sich mit einiger Bestimmtheit sagen – werden Donald Trump und Angela Merkel nicht mehr.

Rückblende. Am Donnerstag steht der US-Präsident am Rednerpult des neuen Nato-Hauptquartiers in Brüssel. Die blauen Flaggen des Bündnisses spielen im Wind. Plötzlich poltert Trump, dass 23 von 28 Mitgliedern der Allianz weniger als zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. „Und viele dieser Nationen schulden enorme Mengen Geld aus den vergangenen Jahren.“ Auch Deutschland steht damit am Pranger. Die Bundesregierung hat zwar zuletzt das Verteidigungsbudget um rund acht Prozent gesteigert, kommt aber trotzdem kaum über die 1,2-Prozent-Marke hinaus.

Während Trump spricht, gibt sich die Kanzlerin Mühe, geradeaus zu schauen. Sie versucht, ihre Gesichtszüge zu kontrollieren, kann aber nicht verhindern, dass sich ihre Mundwinkel nach unten verhärten. Sie weiß, dass sie von den Kameras der Weltpresse beo­bachtet wird. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bleckt ungläubig die Zähne, Luxemburgs Premier Xavier Bettel wischt sich mit zwei Fingern die Verlegenheit aus dem Gesicht. Selten wird der Leitspruch der Nato – „Einer für alle, alle für einen“ – derart mit Füßen getreten. „Das ist bitter“, kommentiert ein G7-Diplomat in Taormina. Trumps Paukenschlag von Brüssel hallt nach bis nach Sizilien. Beim zweitägigen G7-Gipfel gibt es nur ein Thema: Trump – und welcher Hammer kommt als Nächstes?

Bei den Scheichs fühlt Trump sich wohler als bei Merkel

Wenige Stunden zuvor hat der US-Präsident bereits im Gespräch mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk gegen die deutschen Export-Unternehmen vom Leder gezogen. Juncker bestätigt am Freitag, dass sich der Chef des Weißen Hauses über den deutschen Handelsüberschuss beschwert habe. Er gibt indirekt wieder, dass die Worte „the Germans are bad, very bad“ gefallen seien. Die Übersetzung „Die Deutschen sind böse, sehr böse“ bezeichnete Juncker aber als übertrieben. „Ich bin kein Spezialist im Englischen, wie man weiß, aber: ‚Bad‘ heißt nicht böse, schlecht reicht.“ Juncker fügte hinzu: „Er hat nicht gesagt, die Deutschen benehmen sich schlecht. Er hat gesagt, wir haben ein Problem.“

Aktuelle Spitzenpolitik vor historischer Kulisse: Die Teilenehmer des G7- Gipfels vor dem antiken griechischen Theater in Taormina.
Aktuelle Spitzenpolitik vor historischer Kulisse: Die Teilenehmer des G7- Gipfels vor dem antiken griechischen Theater in Taormina. © dpa | Michael Kappeler

Nach Angaben von Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn sagte der Präsident: „Ich habe kein Problem mit Deutschland, ich habe ein Problem mit dem deutschen Handel.“ Trump hat sich bereits mehrfach über den Handelsüberschuss beklagt. Nach einem Bericht des „Spiegels“ hat er auch die markigen Sätze gesagt: „Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen.“

Trumps Sprecher Sean Spicer läuft in den Gassen von Taormina zufällig deutschen Journalisten über den Weg. „Der Präsident hat nur über das unfaire Ungleichgewicht in der Handelsbilanz zwischen Deutschland und den USA geredet“, sagt Spicer. Trump habe einen „unglaublichen Respekt“ gegenüber Deutschland. Was auch damit zusammenhängen könnte, dass Trumps Großvater in der Pfalz geboren wurde.

Handel ist eines der Konfliktthemen

Das Thema Handel ist eines der großen Konfliktthemen beim G7-Gipfel. Die EU und auch Länder wie China drängen auf Freihandel, die Amerikaner halten dagegen: „Wir werden weiter kämpfen für das, von dem wir glauben, dass es richtig ist: Das ist freier, offener und fairer Handel“, betont Wirtschaftsberater Cohn. „Wir werden eine sehr kontroverse Debatte über den Handel haben und wir werden darüber reden, was frei und offen bedeutet“, fügt er hinzu. „Fair“, so schimmert es durch, ist, was Amerika nützt. Trumps Drohung, ausländische Unternehmen mit Importzöllen von bis zu 35 Prozent zu belegen, steht damit wieder im Raum. In der Zwischenzeit hatte man in Berlin den Eindruck, dass der US-Präsident die ganz große Handelskeule wieder eingepackt habe.

Auch in der Klimapolitik schalten die Amerikaner auf stur. Die Reduzierung von CO2-Emissionen zur Verminderung des weltweiten Temperaturanstiegs gilt in Washington als Luxuspro­blem. Zwar hat Trump noch nicht endgültig entschieden, ob er aus dem Ende 2015 beschlossenen Pariser Klimavertrag aussteigen will. Doch seine Unterstützung für die Kohle- und Stahlindustrie weist die Richtung.

„Böse Deutsche“: Was hat Trump wirklich gesagt?

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    Schon in Washington wurde die Kluft zwischen Merkel und Trump deutlich

    Kanzlerin Merkel war Mitte März zumindest mit einer leisen Hoffnung nach Washington geflogen. Schwierige Typen und vertrackte Probleme liegen ihr. Warum nicht auch Trump? So hatte sie in einem der Gespräche dem Präsidenten eine Karte der UdSSR von 1982 einschließlich der weltpolitischen Einflusszonen des Landes gezeigt. Darauf waren Sowjetrepubliken wie die Ukraine oder Georgien zu sehen – Regionen, in denen es heute Spannungen gibt.

    Merkel wollte Trump wohl bedeuten, dass der russische Präsident Wladimir Putin kein Mann für einen Kuschelkurs sei, wie das in der Wahlkampagne des Republikaners immer wieder angeklungen war. Der US-Präsident schien dem Vortrag der Kanzlerin interessiert zuzuhören. Doch der verweigerte Handschlag beim Treffen im Oval Office des Weißen Hauses machte die Grenzen der Annäherung deutlich.

    G20-Gipfel in Hamburg wird wohl nicht harmonischer

    Die Vorlieben Trumps scheinen derzeit in anderen Staaten zu liegen. Mitglieder der westlichen Wertegemeinschaft gehören nicht dazu. Beim Schwertertanz in Saudi-Arabien vor wenigen Tagen bewegte sich der Präsident mit sanftem Schwung neben den Scheichs und lächelte still in sich hinein.

    © dpa | Michael Kappeler

    Vielleicht waren es die Verträge in Höhe von 380 Milliarden Dollar, die er mir den Saudis abschloss, die einen Ausdruck der Glückseligkeit auf seine Miene zauberten. Vielleicht waren es aber einfach die Gepflogenheiten in der autokratischen Monarchie – zum Beispiel haben die Herrscher in Saudi-Arabien nie Ärger mit kritischer Presse, da es sie dort nicht gibt –, die ihn faszinierten.

    In der deutschen G7-Delegation hat man das sehr wohl zu Kenntnis genommen. Am 7. und 8. Juli ist Deutschland Gastgeber des G20-Gipfels der Indus­trie- und Schwellenländer in Hamburg. Dann kommen alle strittigen Fragen von Handel, Klima bis hin zur Flüchtlingspolitik erneut auf die Tagesordnung. „Das wird dann noch verzwickter als in Taormina“, prophezeit ein deutscher Diplomat.