Berlin. Die Berliner Polizei überprüft nach dem jüngsten Anschlag ihr Sicherheitskonzept. Thomas de Maizière: Unser Leben wird sich verändern.

Nach dem

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richten sich in Deutschland bange Blicke auf Berlin. Hier beginnt am Mittwoch der Evangelische Kirchentag mit rund 140.000 Besuchern, der für die Sicherheitsbehörden ohnehin schon als Herausforderung galt – nicht nur wegen der Teilnahme von Ex-US-Präsident Barack Obama. Am Wochenende werden auch noch

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erwartet.

Am Dienstagmorgen überprüfte die Berliner Polizei im Lichte der neuen Terrorattacke noch einmal ihr Sicherheitskonzept. Doch viel Spielraum gibt es nicht: Der Kirchentag wird schon jetzt so massiv geschützt wie noch nie – es ist ein Exempel, was die Behörden in Deutschland zur Terrorabwehr bei Großveranstaltungen inzwischen aufbieten können. „Wir haben“, heißt es beim Bundeskriminalamt, „bereits ein sehr hohes Sicherheitsniveau.“

2800 Polizisten im Einsatz

Rund 2800 Polizisten aus Berlin, mehreren Bundesländern und von der Bundespolizei sind im Einsatz. Rund um die Open-Air-Veranstaltungsorte werden Betonpoller aufgestellt, um mögliche Anschläge mit Fahrzeugen zu verhindern. Ergänzend setzt die Polizei eigene Transporter als bewegliche Barrieren ein und stationiert an neuralgischen Punkten schwere Polizeitechnik. Massiv ist die Videoüberwachung: An Orten wie dem Breitscheidplatz, dem Alexanderplatz oder dem Brandenburger Tor wird mobile Videotechnik aufgefahren, am Europa-Center sind „höchstauflösende“ Kameras angebracht worden.

Bei vielen Veranstaltungen müssen Besucher erstmals umfangreiche Taschenkontrollen passieren, größere Gepäckstücke mit einem Volumen von über 30 Litern sind verboten. Die Veranstalter bitten, Rucksäcke und Taschen zu Hause zu lassen, um die Kontrollen zu beschleunigen – mit längeren Wartezeiten ist dennoch zu rechnen.

Scharfschützen postieren sich bei Obamas Auftritt

Für den Besuch von Obama, der am Donnerstag mit Kanzlerin Angela Merkel am Brandenburger Tor diskutieren wird, gelten besondere Auflagen: Gullydeckel werden versiegelt, Sprengstoffhunde eingesetzt, auf dem umliegenden Dächern werden Scharfschützen postiert. Veranstalter und Polizei betonen, es gebe zum Kirchentag keine Anzeichen für eine besondere Terrorgefahr.

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    Schon nach dem Anschlag am Breitscheidplatz war das Sicherheitskonzept für die Veranstaltung an die neue Lage angepasst worden. Es ist eine Gratwanderung für die Polizei. Was in den nächsten Tagen in Berlin zu beobachten ist, wird für die deutschen Sicherheitsbehörden jetzt bei allen Großveranstaltungen zur Herausforderung: Die Terrorgefahr ist allgemein gestiegen, große Menschenansammlungen an schwer zu schützenden Orten gelten als potenzielle Anschlagsziele.

    Vollkommener Schutz vor Terror ist nicht möglich

    Nach Umfragen überlegt ein gutes Viertel der Bundesbürger, große Volksfeste oder Sportveranstaltungen vorsichtshalber zu meiden. Einen vollständigen Schutz vor Terroristen kann niemand garantieren. Auf Großveranstaltungen zu verzichten, Feste abzusagen oder durch überzogene Polizeipräsenz die Stimmung zu trüben, wäre andererseits das falsche Signal.

    Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, betont: „Wir müssen den Menschen sagen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit geben kann. Wenn Menschen sich begegnen, gibt es immer Einfallstore.“ Es könne eine Sportveranstaltung genauso treffen wie öffentliche Verkehrsmittel.

    Neue Sicherheitsmaßnahmen bergen auch Risiken

    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereitet die Bundesbürger schon darauf vor, dass sich das öffentliche Leben dauerhaft verändern wird: An erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, längere Schlangen, stärkere Kontrollen oder personengebundene Eintrittskarten werde man sich gewöhnen müssen.

    Auch die Weichen für mehr Videoüberwachung hat de Maizière gestellt. Die Behörden rüsten also an vielen Stellen auf. Doch nicht alles verspricht gleichermaßen Schutz. Tests ergaben, dass Lastwagen die eilig aufgebauten Betonsperren durchbrechen können. Vor Regierungsgebäuden, Botschaften oder jüdischen Gebetshäusern stehen deshalb fest installierte Poller.

    Schlangen bei Taschenkontrollen können zum Angriffsziel werden

    Nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump schützte die Polizei seinen Trump Tower in Manhattan provisorisch nicht etwa mit Betonsperren, sondern stellte eine lange Reihe Kipplaster mit Sand davor. Sicherheitsexperten mahnen auch, dass Taschenkontrollen neue Risiken bergen, weil die Menschenansammlungen an den Einlässen wiederum Ziel von Anschlägen sein können. Der Terroranschlag am Brüsseler Flughafen vor einem Jahr zeigte, dass Terroristen gar nicht hinter Sicherheitsabsperrungen gelangen müssen, um großen Schaden anzurichten.

    Auch deshalb mahnen Politiker und Polizeiexperten, es mit der Aufrüstung nicht zu übertreiben. In Berlin erklärt Innensenator Andreas Geisel (SPD): „Wir dürfen den Kirchentag nicht mit Sicherheitsmaßnahmen ersticken.“ Bei aller Vorsicht sollten die Gäste des Kirchentags schließlich bunte und fröhliche Tage in Berlin erleben.