Berlin. Die SPD-Politikerin Michelle Müntefering gilt in der Türkei offenbar als Staatsfeind. Grund sollen Beziehungen zur Gülen-Bewegung sein.

Der türkische Geheimdienst MIT spioniert offenbar die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering aus. Das hätten Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR ergeben. Demnach stehen die Politikerin sowie eine Berliner CDU-Abgeordnete auf den Listen der angeblichen Staatsfeinde der Türkei.

Die beiden Frauen würden in der Tabelle 10 des MIT-Dossiers unter der Rubrik „Machtzentren und Nichtregierungsorganisationen“ geführt, zu denen die Gülen-Bewegung angeblich „gute Beziehungen“ pflege.

Müntefering, die ihren Wahlkreis in Bochum und Herne hat, ist Vorsitzende der Parlamentariergruppe Deutsch-Türkei sowie langjähriges Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Seit Juni 2015 ist sie zudem Vizepräsidentin der Deutsch-Türkischen Gesellschaft e.V. Berlin.

Müntefering empört über mutmaßliche Spionage

Die SPD-Politikerin bezeichnete die mutmaßliche Ausspähung durch den türkischen Geheimdienst als deutliche Grenzüberschreitung. „Dieses Vorgehen der türkischen Regierung zeigt einmal mehr den Versuch, kritische Positionen zu unterdrücken“, erklärte sie am Mittwoch in Berlin. „Als Vorsitzende der Parlamentariergruppe stehe ich für Dialog und klare Worte, mit den unterschiedlichsten und schwierigsten Gesprächspartnern im In- und Ausland. Hier allerdings wird mit einem solchen Vorgehen erneut und deutlich eine Grenze überschritten.“

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verurteilte die mutmaßlichen Ausspähungen scharf. Er verlangt eine harte Ansage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an Präsident Recep Tayyip Erdogan. „Ich erwarte, dass die Bundeskanzlerin klare Worte findet“, sagte Oppermann am Mittwoch in Berlin.

Oppermann kritisiert Radikalität der türkischen Regierung

Es sei „absolut unerträglich“ und mache ihn fassungslos, mit welcher Radikalität die türkische Regierung daran arbeite, das Verhältnis zu Deutschland zu verschlechtern. „Erdogan geht weit über das hinaus, was wir akzeptieren können. Er scheint keinerlei Interesse mehr an einer Partnerschaft mit Deutschland zu haben“, sagte Oppermann. (cho/dpa)