Gillette. US-Präsident Trump will Obamas Klimaschutzplan kippen – und die Kohle fördern. In den Revieren löst das allerdings keinen Jubel aus.
Gut, dass Louise Carter-King an der Hauptstraße von Gillette nebenbei den größten Laden für Bürobedarf betreibt. Die Bürgermeisterin der unspektakulären 30.000 Einwohner-Kleinstadt im Cowboy-Bundesstaat Wyoming muss sich vielleicht kurzfristig auf erhöhte Nachfrage einstellen, was Briefumschläge und Papier anbelangt – für Dankesschreiben ans Weiße Haus.
Mit der am Dienstag in erste Formen gegossenen radikalen Abkehr von der Klimaschutzpolitik seines Vorgängers Barack Obama hat US-Präsident Donald Trump in Amerikas größtem Kohle-Revier Sympathiepunkte geerntet.
Laster mit vier Meter hohen Reifen
Regeln, die die Kohleförderung zum Zweck der – umweltschädlichen – Verfeuerung in Kraftwerken nachhaltig erschweren, „können endlich gelockert werden“, sagt Charlene Murdock von der örtlichen Handelskammer unserer Redaktion. „Das stabilisiert die Produktion und schafft etwas Ruhe.“ Viel mehr aber auch nicht. An Trumps Standardsatz „Wir werden unsere wunderbaren Bergarbeiter wieder in Arbeit bringen“ glaubt auch im Kohlerevier „Powder River Basin“ gut wie niemand.
Dabei sind die Voraussetzungen für den Abbau nirgends so kostengünstig wie hier im Nordwesten der USA. Keinen einzigen Förderturm sieht man in der endlosen Weite der Prärie, wo noch vereinzelt Büffel grasen. Stattdessen rollen hier gelbe Laster-Ungetüme mit vier Meter hohen Reifen und einem Ladevermögen von 400 Tonnen. Sie fahren im Schritttempo durch die gigantischen Tagebau-Gruben von „Eagle Butte“ oder „North Antelope Rochelle“ und sammeln ein, was monsterhafte Baggerschaufeln aus einer 15 Meter hohen pechschwarzen Kohlewand kratzen.
Der Schock am „schwarzen Donnerstag“
Mit 300 Millionen Tonnen stellte Wyoming im vergangenen Jahr über 40 Prozent der US-Kohleproduktion. Dabei wurden 200 Millionen Tonnen weniger als 2008 gefördert. Generationen sind hier mit der Industrie verwoben. Im Epizentrum Gillette leben „nahezu alle von der Kohle“, sagt Charlene Murdock.
Umso dramatischer war es, als vor einem Jahr am „schwarzen Donnerstag“ 500 Minenarbeiter auf einen Schlag auf die Straße gesetzt wurden. Der Kohlepreis war zusammengebrochen. Arch Coal, Alpha und andere Konzerne, von denen viele in Insolvenzverfahren stecken, wussten sich nicht mehr anders zu helfen. Gillette verlor 2000 Einwohner. Im Haushalt klafft eine Lücke. Die Steuereinnahmen fehlen.
Obamas Energieplan soll gekippt werden
Für Donald Trump ist dies der Beweis dafür, dass die auf Treibhausgas-Vermeidung zielende Politik von Barack Obama die Kohle-Industrie „stranguliert“ hat. Vor allem der „Clean Power Plan“, der bis zum Jahr 2030 den Ausstoß von Kohlendioxid in Kraftwerken im Vergleich zu 2005 um über 30 Prozent senken helfen soll, ist dem neuen Mann im Weißen Haus ein Dorn im Auge.
Den Plan abzuschaffen, so versprach Trump vor wenigen Tagen wieder Kohle-Arbeitern in Kentucky, werde dem Bergbau dauerhaft Perspektiven eröffnen. Obendrein will der Präsident den Unternehmen neue Lizenzen für die Kohleförderung auf Ländereien in Bundesbesitz anbieten und generell von vielen Vorschriften bei der Produktion befreien. Dazu soll die Aufsichtsbehörde EPA auf Bonsai-Format zurückgeschnitten werden.
„Wir brauchen keine neuen Kohle-Reviere“
Doch Trumps Euphorie hält der Realität nicht stand. „Es wird viele Klagen geben. Das wird Jahre dauern“, sagt Charlene Murdock über die Erfolgsaussichten der legislativen Rolle rückwärts. Der Energie-Riese Peabody Energy in St. Louis winkt bereits ab. „Wir brauchen für die nächsten zehn Jahre keine neuen Kohle-Reviere“, lässt sich Sprecher Vic Svec zitieren. Mit den bestehenden hat man genug Probleme.
Was nicht so sehr an der Umwelt-Bürokratie Obamas liege, sondern am Markt, erklärt Robert Godby. Dort, so der Energiewirtschafts-Experte an der Universität von Wyoming, hat das durch den Fracking-Boom gewonnene Gas, das sauberer zu produzieren ist, der Kohle als Treibstoff für die Kraftwerke 2016 zum ersten Mal den Rang abgelaufen. Und einen alten Trend nochmals verstärkt. Waren Ende der 70er-Jahre über 250.000 Menschen in den USA im Bergbau beschäftigt, sank die Zahl zuletzt auf knapp über 50.000. Die Kohleproduktion selbst ist auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren. Im Gefolge sind Dutzende Kraftwerke abgeschaltet worden.
„Trump soll seine Erwartungen zügeln“
Dass Donald Trump daran prinzipiell etwas ändern wird, sei nahezu ausgeschlossen, glaubt Godby. Sollten die Erlasse des Präsidenten gerichtsfest werden, könnten Minen, die unter Obamas Gesetzgebung wohl schon eher geschlossen worden wären, eine Verlängerung bekommen, „vielleicht ein Jahrzehnt“. Mit nennenswert mehr Beschäftigung werde das aber nicht einhergehen. Godby: „Die Unternehmen setzen auf Automatisierung.“
Weltweite Proteste gegen Donald Trump
Mehr Kohle also mit weniger Kumpeln. Wie will Trump da sein Versprechen, das ihm von den Appalachen bis Wyoming Tausende Wähler aus dem Bergbau zugetrieben hat, erfüllen? Robert Murray, Chef des größten privaten Kohleförderers in den USA, lobt zwar die generelle Richtung Trumps, weil sie der Branche Luft verschaffe. „Was die Jobs angeht, sollte der Präsident aber seine Erwartungen zügeln.“
„Kein Geld für Klimaforschung verschwenden“
Andere Kohle-Lobbyisten gehen einen Schritt weiter. Ihnen behagt nicht, dass Trumps Budget-Direktor Mick Mulvaney gerade erst verkündete: „Für Klimawandelforschung geben wir künftig kein Geld mehr aus. Das wäre Verschwendung.“ Wer in Gillette mit Kohle-Kumpeln spricht, findet kaum jemanden, der den wissenschaftlichen Konsens über den menschengemachten Klimawandel anzweifelt. „Der Einfluss ist bewiesen“, sagt der Ingenieur John Dillinger, „das Thema ist, wie man sinnvoll gegensteuern und die Kohle sauberer machen kann.“
Wyomings Gouverneur Matt Mead träumt in Gillette von einer Pionieranlage, die das Abtrennen und Speichern von schädlichem Kohlendioxid unter der Erde und den Einsatz von Kohle bei der Öl-Gewinnung vorexerziert. Dazu, sagt der Republikaner, braucht es „mehr Forschung“. Nicht weniger.