Washington. Todesstrafe wie am Fließband: Weil in Arkansas das Gift für die Spritzen das Haltbarkeitsdatum erreicht, soll schnell getötet werden.

An diesen Gastvortrag werden sich die Mitglieder des Rotary Klubs 99 in Little Rock wohl bis an ihr Lebensende erinnern. Wendy Kelley, die Gefängnis-Direktorin des US-Bundesstaates Arkansas, bat ihre Zuhörer vor wenigen Tagen persönlich darum, dem Tod ins Auge zu sehen.

Sie benötigt dringend 48 Zeugen, die mindestens 21 Jahre alt sind, nicht vorbestraft und nicht mit Don Davis, Bruce Earl Ward, Ledelle Lee, Stacey Johnson, Marcell Williams, Jack Jones, Jason McGehee und Kenneth Williams verwandt. Geschweige denn mit deren Opfern. Oder den Angehörigen.

Hinrichtung bis Ende April per Giftspritze

Die acht Männer, vier Schwarze, vier Weiße, allesamt zur Todesstrafe verurteilte Mörder, deren Taten teilweise fast 30 Jahre zurückliegen, sollen auf Anweisung von Gouverneur Asa Hutchinson zwischen dem 17. und dem 27. April per Giftspritze hingerichtet werden. Ein landesweiter Aufreger.

Denn es wäre die größte Exekutionswelle in den USA seit über 40 Jahren. Aber ohne die nach dem Gesetz für jede Tötung vorgeschriebenen sechs „respektablen Bürger“ im Zuschauerraum darf das Prozedere nicht beginnen. Bislang kann Kelley die Anforderungen nicht erfüllen. Kaum jemand will sich in die Extremsituation begeben.

Letzte Hinrichtung in Arkansas vor zwölf Jahren

Gegner der Todesstrafe protestieren im Februar in Los Angeles.
Gegner der Todesstrafe protestieren im Februar in Los Angeles. © REUTERS | ANDREW CULLEN

Auch bei den Rotariern hielt sich die Bereitschaft in Grenzen. Stellvertretend für viele Mitglieder sagte Rotary-Präsident Bill Booker, im Hauptberuf Bestattungsunternehmer: „Ich bin für die Todesstrafe. Aber ich will mich nicht dem emotionalen Trauma aussetzen.“ Nicht das einzige Problem, das Arkansas mit einem Verfahren hat, über das die Los Angeles Times die Schlagzeile gesetzt hat: „Todesstrafe am Fließband“.

Kein Bundesstaat außer Texas hat seit Wiedereinführung der Todesstrafe in Amerika 1976 acht Menschen in einem Monat exekutieren lassen. In Arkansas liegt die letzte Hinrichtung zwölf Jahre zurück.

Haltbarkeitsdatum ist Grund für die Hast

Insgesamt ist die Todesstrafe in den USA auf dem Rückzug. Sie gilt noch in 31 von 50 Bundesstaaten. Im vergangenen Jahr gab es landesweit 20 Hinrichtungen – der niedrigste Stand seit 25 Jahren. Allerdings sitzen rund 3000 Kandidaten, fast ausnahmslos Männer, noch in den Todestrakten der Gefängnisse, die meisten (750) in Kalifornien. Dort wurden aber in den vergangenen 40 Jahren nur 13 Urteile vollstreckt.

Dass es diesmal in Arkansas Schlag auf Schlag gehen soll, treibt Gegnern der „death penalty“ die Zornesröte ins Gesicht. Denn der Grund für die Hast liegt an dem Haltbarkeitsdatum einer der drei chemischen Substanzen in dem Giftcocktail, der den Herzschlag für immer aussetzen soll: Midazolam, eigentlich ein Beruhigungsmittel, das vor Operationen verabreicht wird.

In Arkansas erreichen die Vorräte Ende April das Verfallsdatum. Weil sich viele Pharma-Unternehmen in Amerika und Europa weigern, ihre Produkte für die Todesstrafe zur Verfügung zu stellen (vor allem das über Jahrzehnte gängige Pentobarbital), fehlt es fast überall an Nachschub.

Einkauf über graue Vertriebskanäle im Ausland

Bundesstaaten wie Texas, wo die meisten Hinrichtungen stattfinden, versuchen sich über graue Vertriebskanäle im Ausland einzudecken. Oft wird dann von Bürgerrechtsorganisationen dagegen geklagt. Andere haben, zumindest auf dem Gesetzespapier, Methoden wie die Gaskammer (Oklahoma) oder das Erschießungskommando (Utah) reaktiviert.

Ein Protestmarsch gegen die Todesstrafe in Anaheim, Kalifornien.
Ein Protestmarsch gegen die Todesstrafe in Anaheim, Kalifornien. © REUTERS | ANDREW CULLEN

Was auch an Fällen wie dem von Clayton Lockett liegt. Der Todeskampf des Mörders 2014 in Oklahoma war laut Augenzeugen von „furchtbaren Schmerzen“ begleitet, was die US-Verfassung ausdrücklich verbietet, und endete schließlich mit einem Infarkt. Das Midazolam wirkte nicht. Lockett wachte während der Hinrichtung wieder auf, bevor ihm das den Herzstillstand auslösende Kaliumchlorid gespritzt wurde. Das Martyrium dauert 43 Minuten.

Richter genehmigten erst vor kurzem Einsatz der Giftspritze

Von dem Moratorium, das ein Richter in Arkansas danach verhängte, ist heute nicht mehr die Rede. Gouverneur Hutchinson macht Tempo. Es gehe darum, endlich zu vollziehen, was Richter entschieden haben, sagt der republikanische Politiker. Außerdem sehnten die Opfer-Familien einen Abschluss herbei.

Am 17. April soll deshalb mit Don Davis der erste Häftling im Gefängnis von Cummins 100 Kilometer südöstlich von Little Rock sterben. Seine einzige Hoffnung und die der anderen sieben Kandidaten ist eine Petition ihrer Anwälte an den Obersten Gerichtshof in Washington. Darin heißt es, dass die Hinrichtung von achten Männern binnen zehn Tagen „weit außerhalb von dem liegt, was eine Gesellschaft heutzutage akzeptabel findet“.

Auf ein Verbot von Midazolam zu drängen, macht juristisch keinen Sinn. Im Sommer 2015 hatten die höchsten Richter des Landes mit einer knappen 5:4-Mehrheit den Einsatz genehmigt.