Washington. Zu verhandeln und gute Deals zu machen, das hatte Donald Trump immer als große Stärke vor sich hergetragen. Die Nagelprobe ging schief.

Neun Wochen nach dem Start steht das Donald Trump-Experiment in Amerika nicht vor dem Scheitern. Aber der Weg dahin bekommt allmählich Konturen.

Durch seine chronische Neigung, konstant die Wahrheit zu misshandeln (Zuschauerzahl bei seiner Amtseinführung) und Verschwörungstheorien (massenhafter Wahlbetrug, Lauschangriff seines Vorgängers) als Lautsprecher zu dienen, hat der Präsident seine ohnehin überschaubare Glaubwürdigkeit fast aufgezehrt. Lügner-in-Chief, das bleibt kleben.

Bei erster echter Bewährungsprobe gescheitert

Nach dem in letzter Sekunde abgesagten Showdown um die Reform der verhassten Krankenversicherung von Vorgänger Barack Obama sind nun auch noch Zweifel an jener Fähigkeit hinzugekommen, die Trump wie eine Monstranz vor sich herträgt: die des genialischen Machers, der auch in komplizierten Lagen wie kein anderer Geschäfte („Deals“) abzuschließen versteht.

Papperlapapp. Bereits die erste echte Bewährungsprobe ging daneben. Der New Yorker Geschäftsmann und die ihn nur widerwillig tragenden Republikaner sind die Lachnummern der Nation. „Du bist gefeuert“ - Trumps Spruch aus seiner Zeit als TV-Moderator hätte heute seine volle Berechtigung.

Überzeugungsarbeit zu mühsam

Dass es so kam, liegt vor allem an Trumps politischer Wurschtigkeit. Im Umgang mit der eigenen Partei, in der sich trotz des Wahlsieges Fundamentalisten und Moderate weiter unversöhnlich gegenüberstehen, hat Trump nicht begriffen, dass Zampano-Gesten und Erpressung keine Überzeugungsarbeit ersetzen. Mit Ultimaten bringt man die Poliere auf Hochhaus-Baustellen auf Trab. Aber keine ideologischen Betonköpfe.

Dass die Republikaner seit sieben (!) Jahren reflexartig Zeter und Mordio schreien, wenn es um „Obamacare“ geht, dass sie aber bis heute kein durchsetzungsfähiges Alternativ-Konzept besitzen, hätte dem Geschäftsmann zu denken geben müssen. Leider interessiert sich Trump nicht für wichtige Details. Zu kompliziert. Desinteresse, das sich jetzt rächt.

Regierung voller Amateure braucht Nachhilfe

Was zuletzt als republikanisches Reform-Paket auf dem Tisch lag, mehrfach verwässert, wäre auf eine Verschlimmbesserung des status quo hinausgelaufen. Allein die Tatsache, dass durch „Trumpcare“ 24 Millionen Amerikaner aus dem Versicherungsschutz wieder herausfallen würden, fühlt sich falsch an. Dass vor allem sozial schwache Trump-Wähler die Gelackmeierten gewesen wären, umso mehr.

Die Last-Minute-Absage der Abstimmung im Kongress, die mit einer noch größeren Blamage geendet wäre, müsste Donald Trump eine Lehre sein. 24 Stunden am Tag den Poltergeist zu geben und auf Twitter um sich zu schlagen, bringt kein einziges Gesetz durch den Kongress. Die von Amateuren durchsetzte Regierung Trump benötigt Nachhilfe-Unterricht. Und einen Kompass. Sonst fährt auch das nächste Projekt vor die Wand - die Steuer-Reform.

Zuspruch bei Anhängern noch hoch

Noch halten ausreichend viele Trump-Anhänger zu ihrem Idol. Sie kümmert nicht, dass sich über die Hälfte des Landes kopfschüttelnd abgewendet hat und das Ende dieser in jeder Hinsicht bizarren Präsidentschaft herbeisehnt.

Aber auch im Fan-Lager sind die Umfragenwerte auf der abschüssigen Bahn. Sie werden durch ein nun offiziell von Trump in den Wind geschossenes zentrales Wahlkampfversprechen nicht besser.

Anstatt dem Publikum mit grotesken Schuldzuweisungen – die Demokraten sind schuld! – Sand in die Augen zu streuen, muss sich der Präsident an die eigene Nase fassen und Verantwortung übernehmen. Er hat es vergeigt. Die ohne staatliches Eingreifen vor dem finanziellen Kollaps stehende Krankenversicherung zu stabilisieren, bleibt seine vornehmste Pflicht. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Der Patient: Millionen Amerikaner. Lässt Trump sie im Stich, sind seine Tage im Amt gezählt.