Washington. Mit einer Drohung hat US-Präsident Trump versucht , seine Partei hinter der Gesundheitsreform zu vereinen. Geholfen hat das nichts.

Donald Trump hat das Kräftemessen mit seiner Partei verloren. Die US-Republikaner haben die Abstimmung über den vom Präsidenten unterstützten Gesetzentwurf für eine neue Gesundheitsversorgung mangels Erfolgsaussichten zunächst zurückgezogen, wie die Partei am Freitag mitteilte.

Präsident Trump soll den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, um den Schritt gebeten haben. Die Republikaner hatten bis kurz vor Beginn der für den Nachmittag (Ortszeit) angesetzten Abstimmung nicht annähernd die erforderlichen 215 Stimmen beisammen. Trump hatte sich persönlich massiv aber vergebens tagelang dafür eingesetzt.

Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, sagte nach der Absage der Abstimmung: „Wir waren kurz davor, aber wir haben es nicht ganz geschafft.“
Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, sagte nach der Absage der Abstimmung: „Wir waren kurz davor, aber wir haben es nicht ganz geschafft.“ © dpa | J. Scott Applewhite

Donald Trump äußerte sich nach der Blamage wenig betroffen. „Das Beste, was passieren hätte können, ist genau das, was passiert ist“, sagte der US-Präsident der „New York Times“. In einem Telefon-Interview soll Trump den Demokraten die Schuld für das Scheitern der Abstimmung gegeben haben. Er sei sich sicher, dass die Demokraten binnen eines Jahres auf ihn zukommen und einen Deal suchen würden, wenn das System seines Vorgängers Barack Obama „explodiert“.

Oppositionschefin: „Großer Tag für das Amerikanische Volk“

Die Oppositionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete den Freitag wegen der geplatzten Abstimmung über „Trumpcare“ als „großen Tag für das Amerikanische Volk.“ Zuvor hatte der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, die Absage der Abstimmung mitgeteilt.

„Wir müssen auf absehbare Zukunft mit „Obamacare“ leben“, sagte Ryan. „Wir waren kurz davor, aber wir haben es nicht ganz geschafft“, sagte Ryan. Rund zehn bis 15 Stimmen hätten den Republikanern gefehlt, sagte Trump, und ergänzte: „Wir haben heute viel gelernt, auch über Loyalität“, sagte Trump mit Blick auf den konservativen Freedom Caucus innerhalb der Republikaner. Dessen Mitglieder waren für die Revolte zu großen Teilen verantwortlich.

Trump liegt mit Versprechen falsch

Oppositionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, feierte den Freitag als„großen Tag für das Amerikanische Volk.“
Oppositionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, feierte den Freitag als„großen Tag für das Amerikanische Volk.“ © REUTERS | YURI GRIPAS

„Aufheben – und ersetzen.“ Das umstrittene Gesetz zur Krankenversicherung seines Vorgängers Obama umgehend abschaffen und ein neues, besseres verabschieden: Das war der maßgebliche programmatische Zweiklang, mit dem Donald Trump in Amerika vom Kandidaten zum Präsidenten wurde.

Republikanische Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses, so tönte der Immobilien-Unternehmer, würden die Angelegenheit zum Kinderspiel machen. Durchregieren!

Falsch.

Kraftprobe zwischen Weißem Haus und Republikanern

Neun Wochen nach Amtsantritt stand das erste große Gesetzesvorhaben, von dem Millionen Amerikaner betroffen sind, nun im Zentrum einer erbitterten Kraftprobe zwischen Weißem Haus und widerstreitenden Flügeln in der republikanischen Partei.

Der Ausgang der Fehde wird die Präsidentschaft des Geschäftsmannes prägen. Trumps Image als gewiefter Verhandler („Ich bin der beste Problemlöser“) in schwierigsten Situationen stand auf dem Prüfstand. Und er ist offenbar nicht überzeugend genug gewesen.

Trump setzt eigener Partei Pistole auf die Brust

Zuletzt setzte der sichtlich gereizte Präsident der eigenen Partei unverhohlen die Pistole auf die Brust. Er drohte Abgeordneten, die ihm die Gefolgschaft verweigern, mit Misshelligkeiten im nächsten Wahlkampf. Er erzwang ultimativ einen Urnengang, obwohl bis zuletzt rund 40 Parlamentarier aus den eigenen Reihen massive Vorbehalte gegen die Reform geltend machten und mit „Nein“ drohten. Die Demokraten sind eh geschlossen auf der Gegengeraden.

Und Trump kündigte an, im Falle einer Abstimmungsniederlage das ohne Korrekturen finanziell dem Kollaps geweihte System seines Vorgängers („Obamacare“) links liegen zu lassen und sich anderen Themen zu widmen. „Das ist nicht nur Den-Arm-auf-den-Rücken drehen, das ist Erpressung“, beschwerten sich hinter vorgehaltener Hand Abgeordnete, denen das Gesetz entweder zu lax ist. Oder viel zu restriktiv.

Erzkonservative fordern Total-Privatisierung

Genau in diesem Richtungsstreit innerhalb der republikanischen Partei liegt das eigentliche Problem. Vor sieben Jahren führte Obama die flächendeckende Versicherungspflicht mit staatlichen Zuschüssen und Strafsteuern ein und ermöglichte so 20 Millionen Amerikanern zum ersten Mal einen wirksamen Schutz.

Seitdem laufen die Konservativen Sturm und rufen nach Abschaffung des ein bisschen nach europäischem Sozialstaat riechenden Verfahrens. Ein konsensfähiges Gegenkonzept haben sie bis heute nicht vorgelegt. Trump selber begnügte sich mit vagen Versprechungen: „Sinkende Prämien, mehr Wahlfreiheit. Leute, es wird wunderbar.“

Moderate Abgeordnete in sozial schwachen Wahlbezirken wissen dagegen die staatlich gelenkten Vorteile von „Obamacare“ zu schätzen. Sie befürworten Reparaturen, um das durch explosionsartig gestiegene Versicherungsbeiträge in Schieflage geratene Modell zu sanieren.

Dagegen verlangen erzkonservative Parlamentarier des radikalen „Freedom Caucus“ eine Total-Privatisierung der Gesundheitsversorgung. Sämtliche staatlichen Eingriffe, etwa Strafzahlungen für Bürger, die nicht über ihren Arbeitgeber versichert sind und sich weigern eine eigene Police abzuschließen, sollen fallen.

So reagiert Trump auf Fragen von deutschen Journalisten

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    Kosten beim Programm für Arme sollen reduziert werden

    Außerdem pochen sie auf drastische Kostenreduzierung im Programm „Medicaid“. Das ist der staatliche Basisschutz für Ältere, Arme und Behinderte, von dem 75 Millionen Amerikaner profitieren. Washington gibt den Bundesstaaten dazu – je nach Bedürftigen-Quote – viel Geld.

    Die Zuschüsse sollen ab 2020 vereinheitlicht werden. Arme Bundesstaaten, in denen Trump bei der Wahl im November überdurchschnittlich gut abgeschnitten hat, laufen Sturm. Die gegenläufigen Positionen zu versöhnen, ist dem Präsidenten nicht gelungen.

    Unbehagen gegen „Trumpcare“ wächst

    Im Gegenteil. In der Bevölkerung ist das Unbehagen gegen sein Modell, das bereits „Trumpcare“ genannt wird, gewachsen. Seit durch den unabhängigen Rechnungshof des Kongresses (CBO) bekannt wurde, dass mit der Abschaffung von „Obamacare“ binnen zehn Jahren 24 Millionen Amerikaner im Krankheitsfall ohne Schutz wären, waren zuletzt in Umfragen nur noch 17 Prozent für Trumps Reform.

    Auf lokalen Veranstaltungen bekamen republikanische Abgeordnete zuletzt offene Wut zu spüren. Viele Bürger wollen Versicherungsleistungen wie die Unterstützung von Schwangeren, Notaufnahme-Versorgung und Impfungen nicht mehr missen. Ihre Furcht: Angesichts der weltweit unverhältnismäßig hohen Kosten im amerikanischen Gesundheitswesen im Krankheitsfall wieder vor dem privaten Ruin zu stehen.

    Rätseln über Trumps Druck

    Warum Trump weitere Diskussionen über die Reform verweigerte und die Abstimmung im Repräsentantenhaus mit der Brechstange erzwingen wollte, ist politischen Beobachtern in Washington ein Rätsel. „Trumpcare“ hätte im Falle eines Sieges ohnehin in den 100-köpfigen Senat gemusst. 60 Stimmen sind hier das Maß aller Dinge. Die Republikaner haben 52 Sitze. „Niemals werden sie acht Demokraten umdrehen“, sagt ein Experte der Denkfabrik Cato.

    Sein „Verhandlungskredit“ für kommende Großprojekten wie Steuersenkung, Freihandelsverträge und Mauerbau an der Grenze zu Mexiko scheint nun geschrumpft zu sein. „Überall braucht Trump die Republikaner, um seine Agenda durchzusetzen. Wenn er sie weiter tritt, werden sie ihm die Unterstützung entziehen.“

    Trump kündigte an, als nächstes großes politisches Projekt nun eine Steuerreform anzugehen. Er hatte zunächst geplant, die Steuerreform erst zu verabschieden, wenn die Gesundheitsreform steht. Dieser Plan geht nun nicht auf.

    Angela Merkels erstes Treffen mit Trump

    Angela Merkel am Weißen Haus in Washington: Die Bundeskanzlerin traf am 17. März 2017 US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal persönlich.
    Angela Merkel am Weißen Haus in Washington: Die Bundeskanzlerin traf am 17. März 2017 US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal persönlich. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
    Als Merkels gepanzerter Wagen vor dem West Wing vorfuhr, begrüßte Trump die Kanzlerin.
    Als Merkels gepanzerter Wagen vor dem West Wing vorfuhr, begrüßte Trump die Kanzlerin. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
    Bei dieser Gelegenheit reichte der US-Präsident der Kanzlerin noch die Hand.
    Bei dieser Gelegenheit reichte der US-Präsident der Kanzlerin noch die Hand. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
    Dass er das im Oval Office nicht tat, sorgte für viel Aufregung in den Medien.
    Dass er das im Oval Office nicht tat, sorgte für viel Aufregung in den Medien. © REUTERS | JONATHAN ERNST
    Nach einem kurzen Gespräch unter vier Augen wurden die Fotografen und Kameraleute ins Zentrum der Macht gelassen, um Bilder in die Welt zu schicken. Als die beiden Regierungschefs mit „Handshake, Handshake“-Rufen gebeten wurden, noch ein weiteres – und eigentlich übliches – Motiv zu liefern, reagierte Trump nicht.
    Nach einem kurzen Gespräch unter vier Augen wurden die Fotografen und Kameraleute ins Zentrum der Macht gelassen, um Bilder in die Welt zu schicken. Als die beiden Regierungschefs mit „Handshake, Handshake“-Rufen gebeten wurden, noch ein weiteres – und eigentlich übliches – Motiv zu liefern, reagierte Trump nicht. © dpa | Evan Vucci
    In Videos ist zu hören, wie die Kanzlerin den Präsidenten fragt, ob er noch einmal die Hände schütteln wolle: Auch darauf reagierte Trump nicht.
    In Videos ist zu hören, wie die Kanzlerin den Präsidenten fragt, ob er noch einmal die Hände schütteln wolle: Auch darauf reagierte Trump nicht. © dpa | Evan Vucci
    Ein angestrengter Moment, der sowohl in den traditionellen als auch in den sozialen Medien viel kommentiert wurde.
    Ein angestrengter Moment, der sowohl in den traditionellen als auch in den sozialen Medien viel kommentiert wurde. © dpa | Michael Kappeler
    Anschließend das Roundtable-Gespräch: Merkel und Trump trafen mit ihren Delegationen zu Gesprächen zusammen. Neben den Politikern waren Manager großer Unternehmen dabei – und Trumps Tochter Ivanka.
    Anschließend das Roundtable-Gespräch: Merkel und Trump trafen mit ihren Delegationen zu Gesprächen zusammen. Neben den Politikern waren Manager großer Unternehmen dabei – und Trumps Tochter Ivanka. © dpa | Michael Kappeler
    Als der Präsident das Wort ergriff, dankte er erst seiner Tochter für die Organisation des Treffens und dann der Bundeskanzlerin für ihr Kommen.
    Als der Präsident das Wort ergriff, dankte er erst seiner Tochter für die Organisation des Treffens und dann der Bundeskanzlerin für ihr Kommen. © dpa | Michael Kappeler
    Die erste gemeinsame Pressekonferenz von Angela Merkel und Donald Trump im prächtigen East Room.
    Die erste gemeinsame Pressekonferenz von Angela Merkel und Donald Trump im prächtigen East Room. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
    Themen waren unter anderem das Bekenntnis zur Nato, der Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“, aber auch Flüchtlingspolitik.
    Themen waren unter anderem das Bekenntnis zur Nato, der Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“, aber auch Flüchtlingspolitik. © dpa | Michael Kappeler
    Merkel hob die Notwendigkeit eines fairen Handels zwischen Deutschland und den USA hervor. In beiden Volkswirtschaften stecke großes Potenzial, beide Seiten müssten gewinnen können. Die Globalisierung solle offen gestaltet werden, forderte Merkel. Sie machte deutlich, dass Freizügigkeit gerade auch für die deutsche Wirtschaft wichtig sei.
    Merkel hob die Notwendigkeit eines fairen Handels zwischen Deutschland und den USA hervor. In beiden Volkswirtschaften stecke großes Potenzial, beide Seiten müssten gewinnen können. Die Globalisierung solle offen gestaltet werden, forderte Merkel. Sie machte deutlich, dass Freizügigkeit gerade auch für die deutsche Wirtschaft wichtig sei. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
    Trump sagte, er erwarte „großartige Handelsbeziehungen mit Deutschland“. Er betonte: „Wir wollen Fairness, keine Siege.“
    Trump sagte, er erwarte „großartige Handelsbeziehungen mit Deutschland“. Er betonte: „Wir wollen Fairness, keine Siege.“ © REUTERS | JIM_BOURG
    Trump wies den Eindruck zurück, er setze auf Abschottung. „Wir sind ein sehr starkes Land, vielleicht bald auf einem Level, das es noch nie gegeben hat“. Dennoch sei er als US-Präsident ein Handelsmann und in keinerlei Hinsicht ein Isolationist.
    Trump wies den Eindruck zurück, er setze auf Abschottung. „Wir sind ein sehr starkes Land, vielleicht bald auf einem Level, das es noch nie gegeben hat“. Dennoch sei er als US-Präsident ein Handelsmann und in keinerlei Hinsicht ein Isolationist. © dpa | Michael Kappeler
    Eine deutsche Journalistin sprach Trump auf sein angespanntes Verhältnis zu kritisch berichtenden Medien an. Trump gab keine Antwort.
    Eine deutsche Journalistin sprach Trump auf sein angespanntes Verhältnis zu kritisch berichtenden Medien an. Trump gab keine Antwort. © dpa | Evan Vucci
    Merkel sagte Trump zu, die deutschen Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Deutschland habe sich auf das Nato-Ziel verpflichtet, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. „Wir werden auch weiter in diese Richtung arbeiten.“
    Merkel sagte Trump zu, die deutschen Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Deutschland habe sich auf das Nato-Ziel verpflichtet, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. „Wir werden auch weiter in diese Richtung arbeiten.“ © dpa | Evan Vucci
    Nicht nur Journalisten besuchten die Pressekonferenz der beiden Regierungschefs, auch Ivanka Trump und ihr Mann Jared Kushner, ein Berater des Präsidenten, waren dabei.
    Nicht nur Journalisten besuchten die Pressekonferenz der beiden Regierungschefs, auch Ivanka Trump und ihr Mann Jared Kushner, ein Berater des Präsidenten, waren dabei. © REUTERS | JIM_BOURG
    Einen leicht ungläubigen Blick erntete Trump, als er auf eine Frage nach seinen Überwachungsvorwürfen antwortete. Ein Journalist wollte wissen, ob er weiter an seiner nicht belegten Behauptung festhalte, Präsident Obama habe seine Telefone abgehört. Trump sagte in Anspielung auf die Überwachung von Merkels Handy durch US-Geheimdienste, da habe er wohl etwas gemeinsam mit der Kanzlerin. Der feine Unterschied: Obama gab 2013 zu, dass Merkels Handy überwacht worden war und entschuldigte sich. Für Trumps Behauptungen gibt es keine Beweise.
    Einen leicht ungläubigen Blick erntete Trump, als er auf eine Frage nach seinen Überwachungsvorwürfen antwortete. Ein Journalist wollte wissen, ob er weiter an seiner nicht belegten Behauptung festhalte, Präsident Obama habe seine Telefone abgehört. Trump sagte in Anspielung auf die Überwachung von Merkels Handy durch US-Geheimdienste, da habe er wohl etwas gemeinsam mit der Kanzlerin. Der feine Unterschied: Obama gab 2013 zu, dass Merkels Handy überwacht worden war und entschuldigte sich. Für Trumps Behauptungen gibt es keine Beweise. © REUTERS | JONATHAN ERNST
    Nach dem Affront im Oval Office beendete Trump die Pressekonferenz mit einem Handschlag.
    Nach dem Affront im Oval Office beendete Trump die Pressekonferenz mit einem Handschlag. © REUTERS | JIM_BOURG
    Dann gingen Merkel und Trump zu einem gemeinsamen Essen.
    Dann gingen Merkel und Trump zu einem gemeinsamen Essen. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
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