Paris. Fünf Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich sind viele Wähler noch unentschlossen. Nun stritten die Kandidaten im TV.

Es war eine mit Spannung erwartete TV-Debatte zwischen den fünf aussichtsreichsten Bewerbern, mit der am Montagabend die heiße Phase des französischen Präsidentschaftswahlkampfs eingeläutet wurde. Dass die Sendung Millionen Franzosen vor ihre Bildschirme locken würde, stand von vornherein fest. Noch nie ist eine Präsidentschaftskampagne in der V. französischen Republik so nachhaltig durch völlig unerwartete Wendungen durcheinander gewirbelt worden, noch nie zeigten sich die Wähler knapp fünf Wochen vor den Urnengängen so verwirrt und unentschlossen.

Für den konservativen Bewerber François Fillon ging es bei dieser Debatte bereits um alles. Noch Mitte Januar galt er als haushoher Favorit, doch dann ließ ihn der Skandal um die vermutete Scheinbeschäftigung seiner Frau als parlamentarische Mitarbeiterin in der Wählergunst auf den dritten Platz abstürzen.

Ermittlungen schaden Marine Le Pen nicht

Dass die Justiz gleichzeitig auch wegen mehrerer Finanzaffären gegen die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen ermittelt, ohne dass sich dies negativ auf deren Umfragewerte auswirkt, ist lediglich ein weiteres Paradox in einer beinahe schon absurd anmutenden Situation.

Der konservative Anwärter François Fillon, der unabhängige Bewerber Emmanuel Macron, der Linkspolitiker Jean-Luc-Mélenchon, die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Sozialist Benoît Hamon (l. n. r.) vor der TV-Debatte in Aubervilliers bei Paris, Frankreich.
Der konservative Anwärter François Fillon, der unabhängige Bewerber Emmanuel Macron, der Linkspolitiker Jean-Luc-Mélenchon, die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Sozialist Benoît Hamon (l. n. r.) vor der TV-Debatte in Aubervilliers bei Paris, Frankreich. © dpa | Patrick Kovarik

Le Pen bekräftigte am Montagabend ihren EU-kritischen Kurs. „Ich will die Präsidentin Frankreichs sein und nicht eine unbestimmte Region der Europäischen Union beaufsichtigen“, sagte Le Pen am Montagabend und fügte hinzu: „Ich will nicht die Vizekanzlerin von Angela Merkel sein.“

Doch ob es Fillon und Le Pen gelingen kann, aus dem Schatten ihrer Affären zu treten, trieb viele Zuschauer ungleich weniger um als die Frage, ob der parteilose Bewerber Emmanuel Macron wirklich das Zeug zum Präsidenten hat. Der politische Quereinsteiger zeigte sich unbeeindruckt und wich keinen Yota von seiner gemäßigten Linie ab, die „die Progressisten dieses Landes, von rechts wie von links, gegen die Blockaden unseres festgefahrenen Systems“ vereinigen will. Den traditionellen Parteien sei es seit Jahrzehnten nicht gelungen, „die Probleme von gestern“ zu lösen, sagte Macron. „Sie werden das auch nicht morgen schaffen.“

Umfragewerte zeigen nicht mehr als Trends

In den Umfragen für den ersten Wahlgang am 23. April liefert sich Macron, der sich bislang weder einer Wahl noch einer TV-Debatte gestellt hatte, derzeit ein Kopf-an- Kopf-Rennen mit Le Pen. Beiden wäre demnach der Einzug in die Stichwahl am 7. Mai gewiss, die der erst 39-jährige Macron laut jüngsten Prognosen klar für sich entscheiden soll.

Nicht von ungefähr kam es, dass Le Pen Macron auch gezielt anging. Sie befeuerte dabei die Debatte um den Islam und religiöse Symbole im öffentlichen Raum. „Vor einigen Jahren gab es keine Burkinis an den Stränden“, sagte sie. „Emmanuel Macron, Sie waren für den Burkini, oder?“ Macron warf Le Pen daraufhin Provokation vor. „Sie tappen in die Falle, die Franzosen zu spalten“, so der 39-Jährige. „Das hat nichts mit der Laizität (der Trennung von Kirche und Staat) zu tun.“

Die Kandidaten der Frankreich-Wahl

Am 23. April wählen die Franzosen im ersten Wahlgang einen neuen Präsidenten. Gute Chancen rechnet sich Marine Le Pen aus.
Am 23. April wählen die Franzosen im ersten Wahlgang einen neuen Präsidenten. Gute Chancen rechnet sich Marine Le Pen aus. © REUTERS | CHRISTIAN HARTMANN
Die Vorsitzende des rechtsradikalen Front National (FN) und Tochter von Parteigründer Jean-Marie verfolgt eine antieuropäische Linie, vertritt Protektionismus und Fremdenfeindlichkeit und wirbt mit dem möglichen Austritt aus dem Euro.
Die Vorsitzende des rechtsradikalen Front National (FN) und Tochter von Parteigründer Jean-Marie verfolgt eine antieuropäische Linie, vertritt Protektionismus und Fremdenfeindlichkeit und wirbt mit dem möglichen Austritt aus dem Euro. © REUTERS | JEAN-PAUL PELISSIER
Steigende Chancen hat der parteilose Emmanuel Macron. Der wirtschaftsliberale, proeuropäische Kandidat will mit seiner Bewegung „En Marche!“ die traditionelle Spaltung des französischen Parteien in Rechts und Links überwinden.
Steigende Chancen hat der parteilose Emmanuel Macron. Der wirtschaftsliberale, proeuropäische Kandidat will mit seiner Bewegung „En Marche!“ die traditionelle Spaltung des französischen Parteien in Rechts und Links überwinden. © REUTERS | GONZALO FUENTES
Damit hat Frankreichs Ex-Wirtschaftsminister zurzeit gute Chancen auf den Sieg. Umfragen sehen Macron im ersten Wahlgang bei etwa 22 Prozent der Stimmen – und mit 64 Prozent als Sieger in der Stichwahl am 7. Mai.
Damit hat Frankreichs Ex-Wirtschaftsminister zurzeit gute Chancen auf den Sieg. Umfragen sehen Macron im ersten Wahlgang bei etwa 22 Prozent der Stimmen – und mit 64 Prozent als Sieger in der Stichwahl am 7. Mai. © dpa | Christophe Ena
Der frühere französische Premierminister François Fillon tritt für die Konservativen an. Doch der Wahlkampf läuft für ihn immer schlechter. Der 63-Jährige ist wegen der Affäre um die Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau und teure Maßanzüge als Geschenk mit Ermittlungen konfrontiert.
Der frühere französische Premierminister François Fillon tritt für die Konservativen an. Doch der Wahlkampf läuft für ihn immer schlechter. Der 63-Jährige ist wegen der Affäre um die Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau und teure Maßanzüge als Geschenk mit Ermittlungen konfrontiert. © REUTERS | CHARLES PLATIAU
Seine politischen Vorschläge bergen Sprengstoff. 500.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sollen dem Rotstift zum Opfer fallen. Dies kommt in dem zentralistisch geführten Frankreich einer Revolution gleich. Der praktizierende Katholik hält zudem beispielsweise nichts davon, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren.
Seine politischen Vorschläge bergen Sprengstoff. 500.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sollen dem Rotstift zum Opfer fallen. Dies kommt in dem zentralistisch geführten Frankreich einer Revolution gleich. Der praktizierende Katholik hält zudem beispielsweise nichts davon, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren. © REUTERS | STEPHANE MAHE
Der 65-Jährige Jean-Luc Mélenchon war drei Jahrzehnte Mitglied der Sozialisten und tritt für die Bewegung La France Insoumise (Das Frankreich der Widerspenstigen) an, deren Gründer er ist.
Der 65-Jährige Jean-Luc Mélenchon war drei Jahrzehnte Mitglied der Sozialisten und tritt für die Bewegung La France Insoumise (Das Frankreich der Widerspenstigen) an, deren Gründer er ist. © REUTERS | GONZALO FUENTES
Wie Le Pen sitzt Mélenchon im Europäischen Parlament. Sollte er gewählt werden, würde er 100 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und sie in den Wohnungsbau und erneuerbare Energien stecken. Mélenchon liegt in Umfragen bei 18 Prozent.
Wie Le Pen sitzt Mélenchon im Europäischen Parlament. Sollte er gewählt werden, würde er 100 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und sie in den Wohnungsbau und erneuerbare Energien stecken. Mélenchon liegt in Umfragen bei 18 Prozent. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
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Ganz fraglos haben die Schwierigkeiten Fillons und die Zerstrittenheit des linken Lagers viel zu dem Höhenflug des linksliberalen und europafreundlichen Shooting-Stars beigetragen. Aber so scharf umrissen, wie es die Umfragen suggerieren, ist das Bild keineswegs.

Viele Franzosen haben sich noch nicht entschieden

Mehr als 40 Prozent der Franzosen gaben vergangene Woche an, ihre Wahl noch nicht getroffen zu haben. Gleichzeitig könnte eine Enthaltungsquote von rund 30 Prozent drohen. „Da ist noch jede Menge Luft drin – und zwar in jede Richtung“, kommentiert der Politologe Pascal Perrineau die Orientierungslosigkeit vieler Wähler.

Eine Orientierungslosigkeit, zu der gestern Abend beinahe zwangsläufig auch die Anwesenheit von Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon beitrug, die in den Umfragen hinter Fillon auf dem Plätzen vier und fünf liegen. Sowohl Hamon, der Kandidat der Sozialisten, als auch der von den Kommunisten unterstützten

Linksfront-Politiker Mélenchon werben mit radikal linken Programmen um Wählerstimmen. Ihr Unvermögen, sich auf eine gemeinsame Linie und eine einzige Kandidatur zu verständigen, dürfte die Linke jeder Chance auf einen Einzug in den Stichwahlgang berauben. (mit dpa)