Berlin/Istanbul. Fast zwei Wochen ist der Journalist Deniz Yücel in türkischem Polizeigewahrsam. Nun verhängte ein Richter Untersuchungshaft gegen ihn.

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in der Türkei hat ein Haftrichter in Istanbul Untersuchungshaft für den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel erlassen. Der Haftrichter sei dem Haftantrag der Staatsanwaltschaft am Montagabend gefolgt, berichtete die „Welt“. Dem 43-jährigen Korrespondenten würden „Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung“ vorgeworfen. Verdächtige können in der Türkei bis zu fünf Jahre in Untersuchungshaft gesperrt werden.

Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Er ist der erste deutsche Korrespondent, der seit Regierungsübernahme der islamisch-konservativen AKP des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2002 in Untersuchungshaft kommt.

Merkel nennt U-Haft „unverhältnismäßig hart“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Untersuchungshaft für den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei scharf kritisiert. „Die Nachricht (...) ist bitter und enttäuschend“, erklärte sie am Montagabend in Berlin. „Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat.“

Die Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz in ihrer Behandlung des Falles Yücel „den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft“ berücksichtige. „Wir werden uns weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt.“

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Deutscher Journalisten-Verband übt harsche Kritik

Die „Welt“ berichtete, der Haftrichter Mustafa Cakar habe in der Vergangenheit schon mehrere Journalisten der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ zu U-Haft verurteilt. Der Staatsanwalt habe Yücel allgemein zu seinen Artikeln befragt und dann Haftantrag gestellt.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu kündigte eine Kundgebung für diesen Dienstag vor der türkischen Botschaft in Berlin unter dem Motto #FreeDeniz an. Mutlu sagte: „Wenn die Türkei zeigen will, dass sie eine Demokratie ist, dann muss diese Farce endlich beendet und die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt werden.“ Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte den Haftantrag des Staatsanwalts für Yücel einen „entsetzlichen Verstoß gegen die Pressefreiheit“.

Yücel begab sich freiwillig in Polizeigewahrsam

Unter dem derzeit geltenden Ausnahmezustand in der Türkei können Verdächtige bis zu 14 Tage in Gewahrsam gehalten werden. Deshalb musste Yücel spätestens an diesem Dienstag einem Haftrichter vorgeführt oder freigelassen werden.

Bereits der lange Polizeigewahrsam für Yücel war in Deutschland auf Kritik gestoßen. „Er hat sich freiwillig in Polizeigewahrsam begeben und ist dort nach unserer Auffassung viel zu lange festgehalten worden“, sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag in Rom vor dem Beschluss des Haftrichters.

Yücel hatte sich am 14. Februar bei der Polizei in Istanbul gemeldet, weil nach ihm gefahndet wurde, und war festgenommen worden. Der „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt hatte danach an die Behörden appelliert, keine Untersuchungshaft zu verhängen. Auch das Auswärtige Amt kritisierte die Entscheidung des Haftrichters.

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Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat die Untersuchungshaft scharf kritisiert. „Das ist eine viel zu harte und deshalb auch unangemessene Entscheidung“, teilte Gabriel am Montagabend mit. „Sie berücksichtigt weder das demokratische hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit noch, dass Deniz Yücel sich freiwillig der türkischen Justiz gestellt und bereit erklärt hat, für das Ermittlungsverfahren voll zur Verfügung zu stehen.“ Gabriel sprach von „schwierigen Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen“.

Polizisten grob im Ton

Yücel hatte seine Bedingungen im Polizeigewahrsam – vermittelt über seinen Anwalt – in der „Welt am Sonntag“ als schwierig bezeichnet. Er hatte aber auch hinzugefügt: „Mir geht es ganz gut.“ Yücel teilte sich demnach mit meist ein bis zwei Mitgefangenen eine Sieben-Quadratmeter-Zelle. Gewalt habe er nicht erfahren oder mitbekommen. Die Polizisten seien manchmal grob im Ton, aber nicht ausfallend und im Rahmen der Vorschriften meistens auch hilfsbereit.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten. Dutzende regierungskritische türkische Journalisten sitzen in Haft. Im Dezember war ein amerikanischer Korrespondent des „Wall Street Journals“ vorübergehend festgenommen worden, er verließ anschließend das Land.

Yücel ist seit Mai 2015 Türkei-Korrespondent der „Welt“. Die Regierung hatte ihm eine Akkreditierung verweigert. Da er auch türkischer Staatsbürger ist, konnte er dennoch legal im Land arbeiten. Zahlreiche türkische Journalisten sind nicht von der Regierung akkreditiert. Bei ausländischen Korrespondenten ist die Akkreditierung Voraussetzung für die Aufenthaltsgenehmigung. (dpa/les)