Berlin. Oppermann kritisiert die eigene Regierung. Grüne sind gegen Abschiebungen nach Afghanistan und appellieren in einem Brief an Gabriel

In der großen Koalition ist ein Streit über die Asylpraxis entbrannt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies am Sonnabend die Kritik zurück, seine Partei verhindere im Bundesrat strengere Vorschriften für Migranten aus Marokko, Algerien und Tunesien. „Es sind im Wesentlichen die Grünen, die es im Bundesrat blockieren“, sagte Oppermann der „Saarbrücker Zeitung“. Vom Kanzleramt sei es versäumt worden, die Grünen rechtzeitig einzubinden. Die Partei sitzt in mehreren Landesregierungen, zumeist als SPD-Partner.

Oppermann reagierte auf Unionsfraktionschef Volker Kauder, der im Gespräch mit unserer Redaktion angemahnt hatte, die drei Staaten aus der Maghreb-Region zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. „Gerade aus diesen Ländern kommen viele Männer, die keine Flüchtlinge sind, aber viele Probleme bereiten“, sagte Kauder. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will in der kommenden Woche nach Tunesien fliegen. Sie will dort eine bessere Kooperation bei den Abschiebungen anmahnen. Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten würde Asylverfahren beschleunigen und verhindern, dass Antragsteller auf die Kommunen verteilt würden, sagte Merkel auf einem CDU-Parteitag in Stralsund.

Abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben

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    Innenminister in Kiel spricht von „Verrat am Rechtsstaat“

    Aufgeschreckt hat Oppermann noch eine weitere Meldung unserer Zeitung, wonach die Bearbeitungszeit von Entscheiden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestiegen ist. Natürlich sei eine Beschleunigung auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015 nicht möglich gewesen, so Oppermann. Er habe allerdings kein Verständnis dafür, dass viele Verfahren aus dieser Zeit immer noch nicht abgeschlossen seien, sagte Oppermann.

    Zugleich warf er Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor, er habe bei den Abschiebungen „seine Hausaufgaben nicht gemacht“. So bleibe die vereinbarte Einrichtung von zwei Einreisezentren für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern entgegen der Absprache auf Bayern beschränkt. Auch die versprochene Einrichtung für die Beschaffung von Ersatzpapieren in Potsdam funktioniere nicht. Das Haupthindernis für schnelle Rückführungen liege auf Bundesebene.

    Brief an Gabriel auf Initiative von Kretschmann

    Unterdessen haben führende grüne Landespolitiker Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem Brief „dringend um eine aktualisierte Bewertung der Sicherheitslage“ in Afghanistan gebeten. Das Schreiben im Namen aller neun grünen Landesminister und Senatoren geht laut „Spiegel“ auf den baden-württembergischen Regierungschef Winfried Kretschmann zurück. Rückführungen nach Afghanistan sind möglich, weil Teile des Landes als sicher eingestuft werden. „Wir hoffen sehr, dass Sigmar Gabriel seinem neuen Amt gewachsen ist und endlich die Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan an die Realität anpasst“, sagte Hessens Vizeministerpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) dem „Spiegel“.

    Derweil warf Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) Schleswig-Holstein wegen des Abschiebestopps für Afghanistan „Verrat am Rechtsstaat“ vor. Es sei „unverantwortlich“, dass sich rot-grün regierte Länder bei Abschiebungen gegen den Bund stellten, kritisierte Caffier in Stralsund.

    Das Statistische Bundesamt rechnet mit einer dauerhaft erhöhten Zuwanderung nach Deutschland. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, werden aus Sicht der Experten netto, nach Abzug der Abwanderungen, jedes Jahr 200.000 Menschen nach Deutschland kommen.