Berlin. Für seine Rede vor der Bundesversammlung hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) viel Lob bekommen. Hier ist sie im Wortlaut.

Am Sonntag sind die mehr als 1250 Delegierten der Bundesversammlung im Berliner Reichstag zusammengekommen, um den neuen Bundespräsidenten zu bestimmen. Vor der Wahl hielt Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eine Rede, die im Saal und im Netz viel Beifall fand. Hier ist sie.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie, die Mitglieder und Gäste, alle herzlich zur 16. Bundesversammlung im Reichstagsgebäude in Berlin, dem Sitz des Deutschen Bundestages! Ich freue mich über die Anwesenheit unseres früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und des langjährigen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer.

Der 12. Februar ist in der Demokratiegeschichte unseres Landes kein auffälliger, aber auch kein beliebiger Tag. Heute vor genau 150 Jahren, am 12. Februar 1867, wurde ein Reichstag gewählt, nach einem in Deutschland nördlich der Mainlinie damals in jeder Hinsicht revolutionären, dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht: Der Urnengang zum konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes stützte sich auf die Vorarbeiten der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche.

Bei deren Wahl 1848 war das Stimmrecht in den Einzelstaaten noch an die berufliche Selbständigkeit des Wählers geknüpft gewesen, Arbeiter und Dienstboten blieben deshalb wie Bedürftige weitgehend ausgeschlossen. Die Entscheidung ausgerechnet Otto von Bismarcks für das allgemeine Wahlrecht – nur für Männer freilich – folgte im Ringen um die nationale Einheit unter preußischer Führung rein taktischen Erwägungen, wie er rückblickend bekannte.

Öffentlich tat er allerdings 1867 kund, „kein besseres Wahlgesetz“ zu kennen – und würdigte es „als ein Erbteil der Entwicklung der deutschen Einheitsbestrebungen“. Mit dieser Einschätzung behielt Bismarck ungewollt mehr Recht als mit seiner persönlichen Erwartung, das Volk würde schon selbst einmal einsichtig genug werden, sich vom allgemeinen Wahlrecht wieder frei zu machen. Dies hat sich glücklicherweise nicht bestätigt.

Prominente bei der Bundesversammlung

Bei der Bundespräsidentenwahl in Berlin am 12. Februar sind auch zahlreiche Prominente stimmberechtigt. Die Schauspielerin Natalia Wörner und ihr Freund, der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), im Reichstag in Berlin.
Bei der Bundespräsidentenwahl in Berlin am 12. Februar sind auch zahlreiche Prominente stimmberechtigt. Die Schauspielerin Natalia Wörner und ihr Freund, der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), im Reichstag in Berlin. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Dragqueen Olivia Jones gehört zu den Prominenten, die über den neuen Bundespräsidenten abstimmen. Sie posiert mit Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne).
Dragqueen Olivia Jones gehört zu den Prominenten, die über den neuen Bundespräsidenten abstimmen. Sie posiert mit Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). © dpa | Kay Nietfeld
Olivia Jones kam im Rollstuhl zur Bundesversammlung. Die Dragqueen hatte sich vor wenigen Wochen die Beine kürzen lassen.
Olivia Jones kam im Rollstuhl zur Bundesversammlung. Die Dragqueen hatte sich vor wenigen Wochen die Beine kürzen lassen. © dpa | Kay Nietfeld
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (r.) und Sänger Peter Maffay.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (r.) und Sänger Peter Maffay. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Doris Schröder-Köpf (SPD) traf bei der Fraktionssitzung der SPD im Reichstag vor dem Start der Bundesversammlung auf Peter Maffay.
Doris Schröder-Köpf (SPD) traf bei der Fraktionssitzung der SPD im Reichstag vor dem Start der Bundesversammlung auf Peter Maffay. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Monika Grütters (l., CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, zusammen mit Schauspielerin Veronica Ferres.
Monika Grütters (l., CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, zusammen mit Schauspielerin Veronica Ferres. © dpa | Rainer Jensen
Noch ein gemeinsames Foto: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Schauspielerin Veronica Ferres, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, und Unternehmerin Friede Springer (v.l.).
Noch ein gemeinsames Foto: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Schauspielerin Veronica Ferres, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, und Unternehmerin Friede Springer (v.l.). © dpa | Rainer Jensen
Auch der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Jogi Löw, ist dabei.
Auch der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Jogi Löw, ist dabei. © dpa | Kay Nietfeld
Die Schauspielerin Veronica Ferres gibt ihre Stimme bei der Bundesversammlung ab.
Die Schauspielerin Veronica Ferres gibt ihre Stimme bei der Bundesversammlung ab. © dpa | Ralf Hirschberger
Olivia Jones über Bundespräsidentenkandidat Steinmeier: „Er ist für mich ein bisschen so ein Anti-Trump. (...) In der heutigen Zeit können wir viel mehr Steinmeiers gebrauchen.“
Olivia Jones über Bundespräsidentenkandidat Steinmeier: „Er ist für mich ein bisschen so ein Anti-Trump. (...) In der heutigen Zeit können wir viel mehr Steinmeiers gebrauchen.“ © dpa | Gregor Fischer
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Bis heute wählen wir – inzwischen selbstverständlich auch die Frauen! – nach diesem Prinzip unsere Repräsentanten: in die Stadt- und Gemeinderäte, in die Landtage und in den Bundestag. Und weil unsere Demokratie aus noch immer überzeugenden Gründen repräsentativ verfasst ist, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes im klug austarierten Zusammenwirken der Verfassungsorgane die Wahl des Bundespräsidenten ganz bewusst der Bundesversammlung anvertraut – einem Gremium, in dem Sie, meine Damen und Herren, beauftragt sind, die Gesellschaft im Ganzen zu repräsentieren.

Diese 16. Bundesversammlung ist mit 1.260 Mitgliedern die drittgrößte seit Gründung der Republik; größer waren nur noch zwei in den 1990er Jahren, nach der Wiederver­einigung und der ihr folgenden Vergrößerung des Bundestages, die aus guten Gründen mit Wirkung zur 15. Legislaturperiode 2002 auf 598 Abgeordnete zurückgeführt wurde.

Ich hoffe, dass auch die nächste Bundesversammlung wieder im Reichstagsgebäude stattfinden kann – jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber das jetzt geltende Wahlrecht so verändert, dass sich die Anzahl der Sitze im Bundestag und die damit korrespondierende doppelte Gesamtzahl der Wahlmänner und Wahlfrauen der Bundesversammlung nicht in beliebigen, unabsehbaren Höhen bewegen kann.

So wird der Bundespräsident gewählt

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    Die Bundesversammlung macht schon durch ihre Zusam­mensetzung die herausragende Bedeutung der Wahl des Staatsoberhaupts deutlich: Sie tritt nur zu diesem Zweck und nie wieder in der gleichen Besetzung zusammen. So wenig alltäglich also das Zusammenkommen von Bundestag und den Vertretern der Länder in der Bundes­versammlung ist, so außergewöhnlich sind in der Regel auch die Erwartungen an den Bundespräsidenten – nicht selten sind es sogar übertrieben hohe Ansprüche.

    Richard von Weizsäcker, von dem wir – wie auch von Walter Scheel und Roman Herzog – in den vergangenen zwei Jahren Abschied nehmen mussten, hat in seiner Antrittsrede 1984 festgestellt: „Unsere Verfassung spricht ausführlich von unseren Rechten als Bürger. Pflichten dagegen werden kaum erwähnt. In umgekehrter Weise behandelt das Grundgesetz das Amt des Bundespräsidenten.“

    2014 hat das Bundesverfassungs­gericht aus gegebenem Anlass diese Rechte und Pflichten präzisiert. Der Bundes­präsident hat demnach insbesondere den Auftrag, „im Sinne der Integration des Gemeinwesens zu wirken.“ Wie er diese Aufgabe wahrnimmt, entscheide er dabei grundsätzlich autonom – dem knappen Amtsverständnis Richard von Weizsäckers folgend: „über­parteilich, aber nicht neutral oder meinungslos!“

    Wir besetzen heute das Amt, das aus Sicht der Hüter des Grundgesetzes die Einheit des Staates verkörpert und in ihrer Formulierung auf „vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt“ ist. Ihnen, Herr Bundespräsident, ist das in den vergangenen fünf Jahren auf überzeugende Weise gelungen.

    Der Tag der Bundespräsidentenwahl

    Nur ein Wahlgang war nötig, da stand der neue Bundespräsident fest: Frank-Walter Steinmeier wird Deutschlands Staatsoberhaupt. Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht ihm einen Blumenstrauß.
    Nur ein Wahlgang war nötig, da stand der neue Bundespräsident fest: Frank-Walter Steinmeier wird Deutschlands Staatsoberhaupt. Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht ihm einen Blumenstrauß. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Einer der ersten Gratulanten war der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck. Er trat aus Altersgründen nicht für eine zweite Amtszeit an.
    Einer der ersten Gratulanten war der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck. Er trat aus Altersgründen nicht für eine zweite Amtszeit an. © Getty Images | Steffi Loos
    Frank-Walter Steinmeier (M.) wird von den Mitgliedern der Bundesversammlung beglückwünscht. Neben ihm applaudieren Außenminister Sigmar Gabriel (v.l.), Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Torsten Albig und der Fraktionsvorsitzender der SPD Thomas Oppermann.
    Frank-Walter Steinmeier (M.) wird von den Mitgliedern der Bundesversammlung beglückwünscht. Neben ihm applaudieren Außenminister Sigmar Gabriel (v.l.), Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Torsten Albig und der Fraktionsvorsitzender der SPD Thomas Oppermann. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
    Steinmeier auf dem Weg zum Rednerpult.
    Steinmeier auf dem Weg zum Rednerpult. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Der designierte Bundespräsident versprach in seiner Antrittsrede, auch um das Vertrauen derjenigen zu werben, die ihn nicht gewählt hatten.
    Der designierte Bundespräsident versprach in seiner Antrittsrede, auch um das Vertrauen derjenigen zu werben, die ihn nicht gewählt hatten. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
    Der Wahltag begann mit einem Gottesdienst in der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt kamen an der Kathedrale an.
    Der Wahltag begann mit einem Gottesdienst in der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt kamen an der Kathedrale an. © dpa | Kay Nietfeld
    Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender.
    Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender. © dpa | Kay Nietfeld
    Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (M.) war bei dem Gottesdienst und der Wahl dabei.
    Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (M.) war bei dem Gottesdienst und der Wahl dabei. © dpa | Kay Nietfeld
    Steinmeier saß während des Gottesdienstes zwischen seiner Frau Elke Büdenbender und Bundeskanzlerin Merkel (CDU).
    Steinmeier saß während des Gottesdienstes zwischen seiner Frau Elke Büdenbender und Bundeskanzlerin Merkel (CDU). © dpa | Kay Nietfeld
    Steinmeier war der gemeinsame Kandidat von SPD und Union.
    Steinmeier war der gemeinsame Kandidat von SPD und Union. © dpa | Kay Nietfeld
    Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte Steinmeiers Kandidatur.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte Steinmeiers Kandidatur. © dpa | Kay Nietfeld
    Hohe Sicherheitsvorkehrungen vor dem Reichstagsgebäude, wo von der Bundesversammlung der neue Bundespräsident gewählt wurde.
    Hohe Sicherheitsvorkehrungen vor dem Reichstagsgebäude, wo von der Bundesversammlung der neue Bundespräsident gewählt wurde. © dpa | Ralf Hirschberger
    Mit bunten Zetteln waren die Sitze im Plenarsaal des Bundestages markiert. Dort fand die Bundespräsidentenwahl statt.
    Mit bunten Zetteln waren die Sitze im Plenarsaal des Bundestages markiert. Dort fand die Bundespräsidentenwahl statt. © dpa | Ralf Hirschberger
    Im Plenarsaal mussten für die Wahl deutlich mehr Stühle aufgestellt werden. 1260 Mitglieder der Bundesversammlung wurden zu der Wahl erwartet.
    Im Plenarsaal mussten für die Wahl deutlich mehr Stühle aufgestellt werden. 1260 Mitglieder der Bundesversammlung wurden zu der Wahl erwartet. © dpa | Rainer Jensen
    Vor dem Reichstagsgebäude stand eine Leinwand für die Übertragung der Bundespräsidentenwahl bereit.
    Vor dem Reichstagsgebäude stand eine Leinwand für die Übertragung der Bundespräsidentenwahl bereit. © dpa | Gregor Fischer
    Im Paul-Löbe-Haus des Bundestages fand nach der Wahl ein Empfang statt. Die Reinigungskräfte waren schwer beschäftigt.
    Im Paul-Löbe-Haus des Bundestages fand nach der Wahl ein Empfang statt. Die Reinigungskräfte waren schwer beschäftigt. © dpa | Ralf Hirschberger
    Auch die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry gehörte zu den 1260 Mitgliedern der Bundesversammlung und stimmte über den Bundespräsidenten ab.
    Auch die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry gehörte zu den 1260 Mitgliedern der Bundesversammlung und stimmte über den Bundespräsidenten ab. © dpa | Gregor Fischer
    Außenminister Sigmar Gabriel (M., SPD) und der Fraktionsvorsitzender der SPD, Thomas Oppermann, bei der Fraktionssitzung der SPD im Reichstag. Gegen 12 Uhr wurde der Bundespräsident gewählt.
    Außenminister Sigmar Gabriel (M., SPD) und der Fraktionsvorsitzender der SPD, Thomas Oppermann, bei der Fraktionssitzung der SPD im Reichstag. Gegen 12 Uhr wurde der Bundespräsident gewählt. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
    Auch die Schauspielerin Natalia Wörner, die Lebensgefährtin von Bundesjustizminister Heiko Maas (r. SPD), kam zur Wahl des neuen Bundespräsidenten.
    Auch die Schauspielerin Natalia Wörner, die Lebensgefährtin von Bundesjustizminister Heiko Maas (r. SPD), kam zur Wahl des neuen Bundespräsidenten. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
    Schauspielerin Veronica Ferres war ebenfalls dabei.
    Schauspielerin Veronica Ferres war ebenfalls dabei. © dpa | Rainer Jensen
    Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth (Grüne), neben dem Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Jogi Löw. Auch er gehörte zu den Prominenten, die über den Bundespräsidenten abstimmten.
    Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth (Grüne), neben dem Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Jogi Löw. Auch er gehörte zu den Prominenten, die über den Bundespräsidenten abstimmten. © dpa | Kay Nietfeld
    Blick in den gut gefüllten Plenarsaal des Reichstags.
    Blick in den gut gefüllten Plenarsaal des Reichstags. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
    Die Mitglieder der Partei „Die Linke“ mit Gregor Gysi, Petra Pau, Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Inge Höger und Katja Kipping (v.l.) im Reichstag.
    Die Mitglieder der Partei „Die Linke“ mit Gregor Gysi, Petra Pau, Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Inge Höger und Katja Kipping (v.l.) im Reichstag. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Bundeskanzlerin Angela Merkel traf auch auf Olivia Jones und Jogi Löw.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel traf auch auf Olivia Jones und Jogi Löw. © dpa | Gregor Fischer
    Mitglieder der Bundesversammlung im Plenarsaal des Reichstags. Vor allem Olivia Jones stach optisch heraus.
    Mitglieder der Bundesversammlung im Plenarsaal des Reichstags. Vor allem Olivia Jones stach optisch heraus. © dpa | Ralf Hirschberger
    Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hielt eine Rede und würdigte den scheidenden Präsidenten Gauck.
    Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hielt eine Rede und würdigte den scheidenden Präsidenten Gauck. © dpa | Ralf Hirschberger
    Applaus für den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck (M.).
    Applaus für den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck (M.). © dpa | Ralf Hirschberger
    Gauck wirkte nach der Rede von Lammert gerührt.
    Gauck wirkte nach der Rede von Lammert gerührt. © dpa | Kay Nietfeld
    Einzeln wurden die Mitglieder der Bundesversammlung aufgerufen, um während des ersten Wahlganges ihre Stimme abzugeben.
    Einzeln wurden die Mitglieder der Bundesversammlung aufgerufen, um während des ersten Wahlganges ihre Stimme abzugeben. © dpa | Rainer Jensen
    Vor dem Reichtagsgebäude verfolgten Menschen die Wahl auf einer Leinwand.
    Vor dem Reichtagsgebäude verfolgten Menschen die Wahl auf einer Leinwand. © dpa | Monika Skolimowska
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    Das solidarische Miteinander der Bürgerinnen und Bürger lag Ihnen ganz besonders am Herzen und Sie nahmen die Gesellschaft nachdrücklich in die Pflicht, sich weder verängstigen noch spalten zu lassen, auch nicht in Zeiten terroristischer Gefahren. Dabei haben Sie selbst einen bedeutenden Beitrag zum demokratischen Zusammenhalt geleistet – indem Sie entschieden das Recht und die Notwendigkeit zur politischen Auseinandersetzung, auch zum heftigen Streit, betonten und zugleich Respekt vor dem politischen Gegner und Augenmaß einforderten.

    Herr Bundespräsident, in den verbleibenden Tagen Ihrer Amtszeit wird es noch mehrfach Gelegenheit geben, Ihre großen Verdienste um unser Land angemessen zu würdigen. Im Namen der Bundesversammlung möchte ich Ihnen schon heute unseren Dank und Respekt aussprechen.

    Meine Damen und Herren, den demokratischen Grundkonsens zu artikulieren, ist schwieriger geworden in einer Gesellschaft, die immer mehr Einzel­interessen kennt, und in einer Öffentlichkeit, die gern das Trennende gegenüber dem Einigenden betont, das Besondere gegenüber dem Allgemeinen. Das macht die Aufgabe des Bundespräsidenten gewiss nicht einfacher, aber zweifellos seine Bedeutung im Verfassungsgefüge umso größer – erst Recht in einem Moment, der von manchen Beobachtern bereits zur beunruhigenden Zeitenwende dramatisiert wird.

    Diese Stars wählen den Bundespräsidenten

    Mariele Millowitsch ist dabei. Die Schauspielerin gehört zu einer Reihe von Promis, die am 12. Februar neben den Abgeordneten den neuen Bundespräsidenten wählen darf.  Millowitsch wurde von der SPD in Nordrhein-Westfalen ernannt.
    Mariele Millowitsch ist dabei. Die Schauspielerin gehört zu einer Reihe von Promis, die am 12. Februar neben den Abgeordneten den neuen Bundespräsidenten wählen darf. Millowitsch wurde von der SPD in Nordrhein-Westfalen ernannt. © Getty Images | Miguel Villagran
    Carolin Kebekus wurde von den Grünen in NRW ausgewählt.
    Carolin Kebekus wurde von den Grünen in NRW ausgewählt. © imago | DeFodi
    Hape Kerkeling wurde von der CDU in NRW aufgestellt.
    Hape Kerkeling wurde von der CDU in NRW aufgestellt. © imago/Hoffmann | imago stock&people
    Die Schauspielerin Iris Berben (SPD/Hessen) darf ihre Stimme abgeben.
    Die Schauspielerin Iris Berben (SPD/Hessen) darf ihre Stimme abgeben. © dpa | Gregor Fischer
    Roland Kaiser (SPD/Mecklenburg-Vorpommern) darf ebenfalls seine Stimme abgeben.
    Roland Kaiser (SPD/Mecklenburg-Vorpommern) darf ebenfalls seine Stimme abgeben. © imago | imago
    Peter Maffay wurde von der SPD im Saarland nominiert.
    Peter Maffay wurde von der SPD im Saarland nominiert. © imago/VIADATA | imago stock&people
    Nur einer von mehreren Sportlern, die am 12. Februar abstimmen dürfen: Jogi Löw.
    Nur einer von mehreren Sportlern, die am 12. Februar abstimmen dürfen: Jogi Löw. © dpa | Arne Dedert
    Auch von der SPD nominiert, aber in Brandenburg: Katja Ebstein.
    Auch von der SPD nominiert, aber in Brandenburg: Katja Ebstein. © imago/Rainer Unkel | imago stock&people
    Die Sängerin Stefanie Kloß (SPD/Sachsen) darf ihre Stimme am 12. Februar abgeben.
    Die Sängerin Stefanie Kloß (SPD/Sachsen) darf ihre Stimme am 12. Februar abgeben. © dpa | Henning Kaiser
    Feridun Zaimoglu, deutscher Schriftsteller türkischer Herkunft, wurde von der SPD Schleswig-Holstein auserkoren.
    Feridun Zaimoglu, deutscher Schriftsteller türkischer Herkunft, wurde von der SPD Schleswig-Holstein auserkoren. © ZDF | ZDF/Jana Kay
    Die Grünen Niedersachsen haben Travestiekünstlerin Olivia Jones ausgewählt.
    Die Grünen Niedersachsen haben Travestiekünstlerin Olivia Jones ausgewählt. © imago/Christian Schroedter | imago stock&people
    Der Journalist und Medien-Manager Helmut Markwort wurde von der FDP Baden-Württemberg aufgestellt.
    Der Journalist und Medien-Manager Helmut Markwort wurde von der FDP Baden-Württemberg aufgestellt. © dpa | Sven Hoppe
    Für die Berliner CDU zieht Friede Springer, Mehrheitsaktionärin des Springer-Konzerns, in den Abstimm-Ring.
    Für die Berliner CDU zieht Friede Springer, Mehrheitsaktionärin des Springer-Konzerns, in den Abstimm-Ring. © dpa | Boris Roessler
    Auch Veronica Ferres darf mitwählen. Sie wurde von der CDU Nordrhein-Westfalen bestimmt.
    Auch Veronica Ferres darf mitwählen. Sie wurde von der CDU Nordrhein-Westfalen bestimmt. © Getty Images for FIJI Water | Charley Gallay
    Schauspielerin Natalia Wörner wurde von der SPD Baden-Württemberg nominiert.
    Schauspielerin Natalia Wörner wurde von der SPD Baden-Württemberg nominiert. © dpa | Britta Pedersen
    Sebastian Brendel – Kanu-Olympiasieger 2016 – wurde in Brandenburg von der SPD  auserwählt.
    Sebastian Brendel – Kanu-Olympiasieger 2016 – wurde in Brandenburg von der SPD auserwählt. © REUTERS | MURAD SEZER
    Verena Bentele (SPD/Bayern), Paralympics-Siegerin im Biathlon sowie Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, darf ihre Stimme ebenfalls am 12. Februar abgeben.
    Verena Bentele (SPD/Bayern), Paralympics-Siegerin im Biathlon sowie Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, darf ihre Stimme ebenfalls am 12. Februar abgeben. © Berufsgenossenschaft der Bauwirt | Marc Darchinger/ BG BAU-Foto
    Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, ist Wahlfrau für die Grünen aus Berlin.
    Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, ist Wahlfrau für die Grünen aus Berlin. © dpa Picture-Alliance | Soeren Stache
    Semiya Simsek ist die Tochter des ersten NSU Opfers Enver Simsek. Sie darf für die Linke Thüringen bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten in der Bundesversammlung ihre Stimme abgeben.
    Semiya Simsek ist die Tochter des ersten NSU Opfers Enver Simsek. Sie darf für die Linke Thüringen bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten in der Bundesversammlung ihre Stimme abgeben. © imago | Eibner
    Kabarettist Volker Pispers ist von den Piraten aus Nordrhein-Westfalen als Wahlmann  nominiert worden.
    Kabarettist Volker Pispers ist von den Piraten aus Nordrhein-Westfalen als Wahlmann nominiert worden. © imago | Eßling
    Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball-Liga, ist von der SPD Nordrhein-Westfalens ausgewählt worden.
    Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball-Liga, ist von der SPD Nordrhein-Westfalens ausgewählt worden. © REUTERS | REUTERS / KAI PFAFFENBACH
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    Dabei ist die Zukunft heute keineswegs offener als früher; sie war immer ungewiss und forderte ordnende Gestaltung – schon gar in den vergangenen 25 Jahren seit Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, die wir rückblickend als eine Epoche der besonderen Herausforderungen, Hoffnungen und Chancen begreifen.

    Die Zukunft scheint derzeit allenfalls unberechenbarer, weil vermeintliche Selbstverständlichkeiten, gewachsene Einsichten und Überzeugungen sowie seit Jahrzehnten gültige Regeln in Frage gestellt oder auch mutwillig gebrochen werden.

    Vor 100 Jahren, zum Ende des Ersten Weltkriegs, konstituierte sich mit Kriegseintritt der USA auf Seiten der liberalen Demokratien in Europa das, was wir heute wie selbstverständlich „den Westen“ nennen: eine weltumspannende Wertegemeinschaft.

    Folgen wir dem Historiker Heinrich August Winkler, so ist die Geschichte dieses normativen Prozesses, dem sich unser Land erst nach entsetzlichen Verirrungen mit Gründung der Bundesrepublik angeschlossen hat, immer auch eine Geschichte von Verstößen gegen die eigenen Werte gewesen – und zugleich stets eine Geschichte der produktiven Selbstkritik und Selbstkorrektur.

    Joachim Gauck: Sein Leben in Bildern

    Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik. Seine Amtszeit endete offiziell am 18. März 2017. Diese Fotostrecke zeigt weitere Bilder seiner Karriere.
    Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik. Seine Amtszeit endete offiziell am 18. März 2017. Diese Fotostrecke zeigt weitere Bilder seiner Karriere. © dpa | Tobias Schwarz
    Gauck wurde am 24. Januar 1940 in Rostock geboren, wo er später auch zur Schule ging und Theologie studierte.
    Gauck wurde am 24. Januar 1940 in Rostock geboren, wo er später auch zur Schule ging und Theologie studierte. © dpa | Fredrik Von Erichsen
    Vereidigung: Bundespräsident Joachim Gauck sprach am 23. März 2012 im Bundestag in Berlin den Amtseid. Rechts: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
    Vereidigung: Bundespräsident Joachim Gauck sprach am 23. März 2012 im Bundestag in Berlin den Amtseid. Rechts: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). © dpa | Rainer Jensen
    Von Anfang an hatte Joachim Gauck bei den Bürgern großen Rückhalt – so wie bei diesem Demonstranten, der sich für seine Wahl ausgesprochen hatte.
    Von Anfang an hatte Joachim Gauck bei den Bürgern großen Rückhalt – so wie bei diesem Demonstranten, der sich für seine Wahl ausgesprochen hatte. © © epd-bild / Rolf Zöllner | Rolf Zöllner
    Keine einfache Beziehung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.) hatte Gauck als Bundespräsidenten eigentlich nicht auf der Liste. Erst als ihr damaliger Koalitionspartner FDP für Gauck votierte, schaltete auch Merkel um.
    Keine einfache Beziehung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.) hatte Gauck als Bundespräsidenten eigentlich nicht auf der Liste. Erst als ihr damaliger Koalitionspartner FDP für Gauck votierte, schaltete auch Merkel um. © dpa | Britta Pedersen
    Das Paar: Joachim Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt war die First Lady.
    Das Paar: Joachim Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt war die First Lady. © Getty Images | Pool
    Joachim Gauck mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (r.) und seiner Tochter Gesine Lange (l.).
    Joachim Gauck mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (r.) und seiner Tochter Gesine Lange (l.). © © epd-bild / Peter Roggenthin | Peter Roggenthin
    Vom Pfarrer zum Politiker: Joachim Gauck hatte sich in seinen Jahren als Pastor im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs immer wieder kritisch gegenüber der DDR-Regierung geäußert.
    Vom Pfarrer zum Politiker: Joachim Gauck hatte sich in seinen Jahren als Pastor im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs immer wieder kritisch gegenüber der DDR-Regierung geäußert. © epd | Hans-Peter Stiebing
    Als die Widerstandsbewegung Fahrt aufnahm, war er Mitbegründer des Neuen Forums und dessen Sprecher in Rostock.
    Als die Widerstandsbewegung Fahrt aufnahm, war er Mitbegründer des Neuen Forums und dessen Sprecher in Rostock. © imago/Rolf Zöllner | imago stock&people
    Als Abgeordneter des Neuen Forums in der DDR-Volkskammer begann für Joachim Gauck die politische Laufbahn. Hier bespricht er sich mit Markus Meckel (SPD).
    Als Abgeordneter des Neuen Forums in der DDR-Volkskammer begann für Joachim Gauck die politische Laufbahn. Hier bespricht er sich mit Markus Meckel (SPD). © Stana
    Die konstituierende Sitzung der neuen Volkskammer der DDR im Jahr 1990: Joachim Gauck mit Wolfgang Ullmann von den Grünen. Gauck zog als Abgeordneter der Bürgerbewegungen, die sich im Bündnis 90 zusammengeschlossen hatten, in die Volkskammer ein. Er wurde zum Chef des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit gewählt.
    Die konstituierende Sitzung der neuen Volkskammer der DDR im Jahr 1990: Joachim Gauck mit Wolfgang Ullmann von den Grünen. Gauck zog als Abgeordneter der Bürgerbewegungen, die sich im Bündnis 90 zusammengeschlossen hatten, in die Volkskammer ein. Er wurde zum Chef des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit gewählt. © imago | Stana
    Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker berief Gauck, den die Stasi einst selbst überwachen ließ, am 3. Oktober 1990 zum Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Die zuständige Behörde, die die Unterlagen der Stasi danach verwaltete und erforschte, wurde auch „Gauck-Behörde“ genannt.
    Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker berief Gauck, den die Stasi einst selbst überwachen ließ, am 3. Oktober 1990 zum Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Die zuständige Behörde, die die Unterlagen der Stasi danach verwaltete und erforschte, wurde auch „Gauck-Behörde“ genannt. © imago stock&people | imago
    Als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen sorgte Joachim Gauck dafür, dass ab 1992 Bürgerrechtler Einsicht in ihre Akten nehmen konnten.
    Als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen sorgte Joachim Gauck dafür, dass ab 1992 Bürgerrechtler Einsicht in ihre Akten nehmen konnten. © © epd-bild / Rolf Zöllner | Rolf Zöllner
    Joachim Gauck an seinem Schreibtisch in der „Gauck-Behörde“ in Berlin. 1995 wurde er vom Bundestag für eine zweite Amtszeit zum Leiter berufen. 2000 schied er aus der Behörde aus, weil per Gesetz nur zwei Amtszeiten an der Spitze der Einrichtung möglich sind.
    Joachim Gauck an seinem Schreibtisch in der „Gauck-Behörde“ in Berlin. 1995 wurde er vom Bundestag für eine zweite Amtszeit zum Leiter berufen. 2000 schied er aus der Behörde aus, weil per Gesetz nur zwei Amtszeiten an der Spitze der Einrichtung möglich sind. © © epd-bild / Rolf Zöllner | Rolf Zöllner
    Joachim Gauck in der heimeligen Höhle des Löwen – dem sogenannten Kupferkessel der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Ruschestrasse in Berlin.
    Joachim Gauck in der heimeligen Höhle des Löwen – dem sogenannten Kupferkessel der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Ruschestrasse in Berlin. © © epd-bild / Rolf Zöllner | Rolf Zöllner
    Seine Stimme hat stets Gewicht: Joachim Gauck während einer Rede vor dem Bundestag zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer.
    Seine Stimme hat stets Gewicht: Joachim Gauck während einer Rede vor dem Bundestag zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer. © REUTERS | Reuters Photographer
    Im Schatten der Grenze: Joachim Gauck am ehemaligen Grenzzaun der DDR in Hötensleben (Sachsen-Anhalt), der dort seit Januar 1990 unter Denkmalschutz steht.
    Im Schatten der Grenze: Joachim Gauck am ehemaligen Grenzzaun der DDR in Hötensleben (Sachsen-Anhalt), der dort seit Januar 1990 unter Denkmalschutz steht. © © epd-bild / Frank Drechsler | Drechsler, Frank
    Nach seiner Zeit als Sonderbeauftragter für die Stasi-Unterlagen war Gauck oft als Gast in politischen Diskussionsrunden und Talkshows zu sehen. Der parteilose Gauck trat auch in Ehrenämtern für seine freiheitlich-liberale Politik ein. Ebenso ging er im Jahr 2001 seinem einstigen Berufswunsch nach – als Journalist. Von Januar bis November moderierte er die ARD-Talkshow „Joachim Gauck“, in der er unter anderem auch mit der heutigen Kanzlerin Angela Merkel eine Gesprächspartnerin fand.
    Nach seiner Zeit als Sonderbeauftragter für die Stasi-Unterlagen war Gauck oft als Gast in politischen Diskussionsrunden und Talkshows zu sehen. Der parteilose Gauck trat auch in Ehrenämtern für seine freiheitlich-liberale Politik ein. Ebenso ging er im Jahr 2001 seinem einstigen Berufswunsch nach – als Journalist. Von Januar bis November moderierte er die ARD-Talkshow „Joachim Gauck“, in der er unter anderem auch mit der heutigen Kanzlerin Angela Merkel eine Gesprächspartnerin fand. © imago/teutopress | imago stock&people
    Vertauschte Rollen: Christian Wulff musste nach mehreren Vorwürfen der Vorteilsnahme im Amt am 17. Februar 2012 als Bundespräsident zurücktreten. Gauck wurde in der folgenden Woche von Union, FDP, SPD und Grünen als gemeinsamer Kandidat vorgestellt. Am 18. März 2012 wurde Gauck zum Bundespräsidenten gewählt, bei seiner Vereidigung vier Tage später erhielt er die Gratulationen von Wulff, die er gut eineinhalb Jahre zuvor in die andere Richtung gerichtet hatte.
    Vertauschte Rollen: Christian Wulff musste nach mehreren Vorwürfen der Vorteilsnahme im Amt am 17. Februar 2012 als Bundespräsident zurücktreten. Gauck wurde in der folgenden Woche von Union, FDP, SPD und Grünen als gemeinsamer Kandidat vorgestellt. Am 18. März 2012 wurde Gauck zum Bundespräsidenten gewählt, bei seiner Vereidigung vier Tage später erhielt er die Gratulationen von Wulff, die er gut eineinhalb Jahre zuvor in die andere Richtung gerichtet hatte. © imago stock&people | imago stock&people
    Präsidenten unter sich: Joachim Gauck 2012 im Gespräch mit einem seiner Amtsvorgänger, Richard von Weizsäcker († 31. Januar 2015). 
    Präsidenten unter sich: Joachim Gauck 2012 im Gespräch mit einem seiner Amtsvorgänger, Richard von Weizsäcker († 31. Januar 2015).  © © epd-bild / Andreas Schoelzel | Andreas Schoelzel
    Präsident trifft Pontifex: Der damals noch amtierende Papst Benedikt XVI. empfing Joachim Gauck im Dezember 2012 im Vatikan zur Privataudienz.
    Präsident trifft Pontifex: Der damals noch amtierende Papst Benedikt XVI. empfing Joachim Gauck im Dezember 2012 im Vatikan zur Privataudienz. © © epd-bild / Gennari / Siciliani | Cristian Gennari
    Zurück zu den Wurzeln: Der frühere DDR-Bürgerrechtler Gauck bei einer Gedenkfeier in Leipzig, wo im Oktober 2013 mit einer „89
    Zurück zu den Wurzeln: Der frühere DDR-Bürgerrechtler Gauck bei einer Gedenkfeier in Leipzig, wo im Oktober 2013 mit einer „89" aus brennenden Kerzen der friedlichen Revolution von 1989 gedacht wurde. © © epd-bild / Jens Schlüter | Jens Schlüter
    Der Präsident und die Kanzlerin: Im Dezember 2013 überreichte Joachim Gauck Angela Merkel nach ihrem Wahlsieg die Ernennungsurkunde.
    Der Präsident und die Kanzlerin: Im Dezember 2013 überreichte Joachim Gauck Angela Merkel nach ihrem Wahlsieg die Ernennungsurkunde. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Mir nach! Bundespräsident Joachim Gauck im Januar 2014 mit jungen Sternsingern im Schloss Bellevue.
    Mir nach! Bundespräsident Joachim Gauck im Januar 2014 mit jungen Sternsingern im Schloss Bellevue. © © epd-bild / Rolf Zöllner | Rolf Zöllner
    Gedenken an den Holocaust: Joachim Gauck legte im Mai 2014 in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar eine Blume für die Opfer der Nazi-Gewalt nieder.
    Gedenken an den Holocaust: Joachim Gauck legte im Mai 2014 in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar eine Blume für die Opfer der Nazi-Gewalt nieder. © epd | Maik Schuck
    Arm in Arm: Joachim Gauck mit Mitgliedern der Bundesregierung bei einer Mahnwache gemeinsam mit muslimischen Verbänden vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Sie wollten damit nach dem Anschlag auf das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo
    Arm in Arm: Joachim Gauck mit Mitgliedern der Bundesregierung bei einer Mahnwache gemeinsam mit muslimischen Verbänden vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Sie wollten damit nach dem Anschlag auf das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo" im Januar 2015 für Weltoffenheit und gegen die Vereinnahmung der Religion für Gewalt demonstrieren. © Rolf Zoellner
    Eine von vielen viel beachteten Reden hielt Joachim Gauck im Februar 2015 in Dresden zum 70. Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg.
    Eine von vielen viel beachteten Reden hielt Joachim Gauck im Februar 2015 in Dresden zum 70. Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. © Matthias Schumann | Matthias Schumann
    Cheers, Majestät! Gauck prostete der britischen Queen Elizabeth bei deren Besuch in Berlin im Juni 2015 zu.
    Cheers, Majestät! Gauck prostete der britischen Queen Elizabeth bei deren Besuch in Berlin im Juni 2015 zu. © REUTERS | REUTERS / POOL
    Gemeinsame Trauer: Joachim Gauck mit Susanne Schmidt, Tochter von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, nach der Trauerfeier für den verstorbenen SPD-Politiker im November 2015 in Hamburg.
    Gemeinsame Trauer: Joachim Gauck mit Susanne Schmidt, Tochter von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, nach der Trauerfeier für den verstorbenen SPD-Politiker im November 2015 in Hamburg. © REUTERS | REUTERS / KAI PFAFFENBACH
    Eine Ehrung von vielen: Ende 2015 erhielt Joachim Gauck den Ehrendoktortitel der Jüdischen Universität von Jerusalem.
    Eine Ehrung von vielen: Ende 2015 erhielt Joachim Gauck den Ehrendoktortitel der Jüdischen Universität von Jerusalem. © REUTERS | REUTERS / AMIR COHEN
    Daumen hoch: Joachim Gauck sprach sich als Bundespräsident stets für Optimismus und gegen Verzagtheit aus.
    Daumen hoch: Joachim Gauck sprach sich als Bundespräsident stets für Optimismus und gegen Verzagtheit aus. © REUTERS | REUTERS / CHRIS WATTIE
    Ein Protestant zu Gast bei Katholiken: Gauck fühlte sich bei einer Podiumsdiskussion auf dem Katholikentag in Leipzig im Mai 2016 sichtlich wohl.
    Ein Protestant zu Gast bei Katholiken: Gauck fühlte sich bei einer Podiumsdiskussion auf dem Katholikentag in Leipzig im Mai 2016 sichtlich wohl. © dpa | Jan Woitas
    Gauck im Mai 2016 während der Feierlichkeiten zum Gedenken an die Seeschlacht während des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren bei Kirkwall (Großbritannien) auf der deutschen Fregatte „Schleswig-Holstein“.
    Gauck im Mai 2016 während der Feierlichkeiten zum Gedenken an die Seeschlacht während des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren bei Kirkwall (Großbritannien) auf der deutschen Fregatte „Schleswig-Holstein“. © dpa | Guido Bergmann
    Gemeinsam mit der britischen Prinzessin Anne legte Joachim Gauck am 31. Mai 2016 an der Gedenkstätte von Lyness Naval auf den Orkney Inseln einen Kranz für die Opfer der Schlacht von Jutland vor 100 Jahren nieder.
    Gemeinsam mit der britischen Prinzessin Anne legte Joachim Gauck am 31. Mai 2016 an der Gedenkstätte von Lyness Naval auf den Orkney Inseln einen Kranz für die Opfer der Schlacht von Jutland vor 100 Jahren nieder. © REUTERS | HANDOUT
    Joachim Gauck als Fußballfan: Im Mai 2016 überreichte er den Fußballerinnen des VfL Wolfsburg den Pokal nach deren Sieg im DFB-Pokalfinale in Köln gegen den SC Sand.
    Joachim Gauck als Fußballfan: Im Mai 2016 überreichte er den Fußballerinnen des VfL Wolfsburg den Pokal nach deren Sieg im DFB-Pokalfinale in Köln gegen den SC Sand. © Bongarts/Getty Images | Mika Volkmann
    Bei der Eröffnung der Sportabzeichen-Tour des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) für Sportler mit und ohne Behinderung am 3. Juni 2016 nahm Bundespräsident Joachim Gauck im Rollstuhl Platz.
    Bei der Eröffnung der Sportabzeichen-Tour des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) für Sportler mit und ohne Behinderung am 3. Juni 2016 nahm Bundespräsident Joachim Gauck im Rollstuhl Platz. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Drei Tage später steht der Abschied fest: Am 6. Juni 2016 erklärte Joachim Gauck offiziell seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit.
    Drei Tage später steht der Abschied fest: Am 6. Juni 2016 erklärte Joachim Gauck offiziell seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit. © dpa | Jan Woitas
    „Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen“, sagte der 77-Jährige sichtlich bewegt.
    „Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen“, sagte der 77-Jährige sichtlich bewegt. © dpa | Wolfgang Kumm
    Viele Spitzenpolitiker bedauerten die Entscheidung Gaucks. Auch Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Ich hätte mir eine zweite Amtszeit gewünscht.“
    Viele Spitzenpolitiker bedauerten die Entscheidung Gaucks. Auch Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Ich hätte mir eine zweite Amtszeit gewünscht.“ © dpa | Wolfgang Kumm
    Sein Nachfolger Frank-Walter Steinmeier wurde am 12. Februar mit großer Mehrheit zum zwölften Bundespräsidenten gewählt.
    Sein Nachfolger Frank-Walter Steinmeier wurde am 12. Februar mit großer Mehrheit zum zwölften Bundespräsidenten gewählt. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
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    Beides braucht es heute mehr denn je, Selbstkritik und Selbstkorrektur, innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft wie innerhalb unserer liberalen Gesellschaften. Nicht etwa die Werte des Westens stehen in Frage, sie haben nichts von ihrer Gültigkeit verloren, wohl aber unsere Haltung – zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und den Prinzipien der repräsentativen Demokratie.

    Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit fordert und sich sprichwörtlich einmauert, wer statt auf Freihandel auf Protektionismus setzt und gegenüber dem Zusammenarbeiten der Staaten Isolationismus predigt, wer damit zum Programm erklärt: Wir zuerst!, darf sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtun – mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internationalen Beziehungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert bekannt sind.

    Die wirklich großen Herausforderungen können unter den Bedingungen der Globalisierung allesamt nicht mehr von Nationalstaaten allein bewältigt werden, nicht in der Finanzwelt, nicht im Umgang mit den weltweiten Migrations­strömen, nicht im Kampf gegen den Terror oder gegen den Klimawandel.

    Das gilt gewiss für jedes einzelne Land in Europa, ebenso aber auch für unser großes Partnerland jenseits des Atlantiks, in dem vor wenigen Wochen ein vom Volk direkt gewähltes Staatsoberhaupt zugleich die Regierungsverantwortung übernommen hat. Jeder Versuch, diese Herausforderungen je einzeln zu bewältigen, schafft mindestens so viele neue Probleme, wie damit angeblich gelöst würden.

    Wir Europäer werden nur durch das Teilen von Souveränität einen möglichst großen Rest von dem bewahren können, was früher die Nationalstaaten mit Erfolg reklamierten und heute allenfalls rückwärtsgewandte Zeitgenossen irrig für sich beanspruchen: unabhängig von anderen die eigenen Angelegenheiten selbstständig regeln zu können.

    Deshalb brauchen wir die Union der europäischen Staaten, und wenn weder der amerikanische noch der russische Staatspräsident ein Interesse an einem starken Europa erkennen lassen, ist dies ein zusätzliches Indiz dafür, dass wir selbst dieses Interesse an einem starken Europa haben müssen.

    Meine Damen und Herren, demokratische Haltung erwächst in Deutschland mehr noch als irgendwo sonst aus dem Wissen um die Geschichte mit ihren Abgründen, aus dem verantwortungs­vollen Umgang mit der eigenen Vergangenheit.

    Dazu haben unsere Bundespräsidenten, von Theodor Heuß an, wichtige Beiträge geleistet, als Seismo­graphen des gesellschaftlichen Geschichtsbewusstseins und als Impulsgeber: Richard von Weizsäcker mit seiner Rede zum 8. Mai, Roman Herzog mit der Proklamation des 27. Januar zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, Horst Köhler und Christian Wulff mit ihren nachdrücklichen Hinweisen auf die Bedeutung Afrikas und des Islams für die Zukunftsperspektiven Europas und zuletzt Sie, Herr Bundes­präsident, mit Ihrer Mahnung, historische Schuld nicht dazu zu benutzen, um dahinter – wie Sie es formuliert haben – „Weltabgewandtheit und Bequemlichkeit zu verstecken.“

    Bequem ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nie – aber sie ist eine demokratische Tugend. „Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann mit Sinn gestalten. Ähnlich sehe ich das bei einem Staat“: Das schrieb mir nach der diesjährigen Gedenkstunde im Bundestag für die Opfer des Nationalsozialismus ein 24-jähriger Student, berührt und „auch stolz“, wie er schreibt, angesichts des Willens zur Aufarbeitung unserer Geschichte.

    Keine Schwäche, wie manche behaupteten, sei das für ihn, betonte er, sondern „das exakte Gegenteil: Eine unserer größten Stärken.“ Und tatsächlich hat das erstaunliche Ansehen, das Deutschland heute in der Welt genießt, wesentlich mit unserem verantwortungs­vollen Umgang mit der eigenen Gewaltgeschichte zu tun. Wer daran aus welchen Motiven auch immer rüttelt, muss wissen: Er gefährdet die internationale Reputation unseres Landes und er hat die überwältigende Mehrheit der Deutschen gegen sich.

    Zum historischen Werden Deutschlands gehört im Übrigen auch seine zwar wechselvolle, aber beachtliche Freiheits- und Demokratie­geschichte. Ihr angemessen und würdig zu gedenken, ist ebenso unverzichtbar wie konstitutiv für das Selbstverständnis unserer Nation. Ein Freiheits- und Einheitsdenkmal an einem zentralen Ort unserer Republik bleibt darum die noch immer ausstehende notwendige Ergänzung unserer vielfältigen Gedenklandschaft in der deutschen Hauptstadt – so wie es der Deutsche Bundestag beschlossen hat, symbolträchtig an einem 9. November, vor inzwischen schon fast zehn Jahren!

    Meine Damen und Herren, für die historisch Interessierten unter Ihnen, die ich bei der letzten Bundesversammlung mit Hinweisen zum 18. März erfreuen konnte – der 12. Februar ist in der deutschen Geschichte immer wieder ein Tag der Inthronisation gewesen, an dem bereits früher Staatsoberhäupter in Amt und Würden gekommen sind: 881, heute vor 1135 Jahren, wurde in Rom Karl der Dicke zum Kaiser gekrönt, der über große Teile des Territoriums herrschte, aus dem sich sehr viel später Deutschland entwickeln sollte.

    861 Jahre später, am 12. Februar 1742, wurde dem Wittelsbacher Karl Albrecht von Bayern in einer prunkvollen Zeremonie in Frankfurt die römisch-deutsche Kaiserwürde verliehen. Als Karl VII. unterbrach er nicht nur die Serie habsburgischer Kaiser, sondern war der letzte Bayer an der Spitze – bis zu Roman Herzog. Dass 1111 die bereits begonnene Kaiserkrönung Heinrichs V. wegen Protesten der versammelten Bischöfe und Tumulten unter der römischen Stadtbevölkerung im Chaos abgebrochen werden musste, sollte uns heute und wird dieser Bundesversammlung gewiss nicht als Vorbild dienen.

    Ein einiges, freiheitliches und rechtsstaatliches, ein demokratisches Deutschland gab es in keiner dieser Epochen unserer wechselhaften Geschichte – genauso wenig wie heute einen gesalbten Monarchen an der Spitze unseres vereinten Landes. Wir haben uns versammelt, um jetzt für fünf Jahre unser Staatsoberhaupt zu wählen – nicht von Gottes Gnaden, sondern als Repräsentanten des deutschen Volkes.

    Dazu habe ich Ihnen noch einige formelle Hinweise vorzutragen und bitte dafür um die gleiche Aufmerksamkeit und Geduld, mit der Sie meiner Begrüßungsansprache freundlicherweise gefolgt sind.