Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärt überraschend seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur. Im Netz wird dieser Schritt heftig diskutiert.

Sigmar Gabriel verzichtet auf Kanzlerkandidatur und den SPD-Parteivorsitz. Seiner Meinung nach soll EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im Bundestagswahlkampf gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) antreten. Mit dieser Meldung hatte am Dienstag kaum jemand im politischen Berlin gerechnet. SPD-Politiker sehen darin vor allem eine Chance, aus der CSU wurde der Schritt als „Panikreaktion“ bezeichnet.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erklärte am Dienstagabend: „Mit Martin Schulz als Kanzlerkandidaten hat die SPD nun eine gute Ausgangsposition für die Bundestagswahl 2017.“ Schulz habe die Fähigkeit, die Bürger für Politik zu begeistern und genieße große Sympathien, wie Umfragen zeigten, erklärte der SPD-Bundesvize.

Stegner erhofft „kraftvollen Neuanfang“

Zuvor hatte bereits SPD-Vize Ralf Stegner die Entscheidung Gabriels begrüßt. „Das ermöglicht einen kraftvollen Neuanfang, der unseren Wahlkampf in Schleswig-Holstein beflügeln wird.“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte : „Die Entscheidung ist gefallen. Es ist gut, dass nun Klarheit herrscht.“ Nun gehe es darum, ein „gutes Programm für mehr soziale Gerechtigkeit, gute Arbeit und Bildung sowie Sicherheit für alle zu erarbeiten“.

CDU-Vize Fuchs: „Schulz wird zweiter Sieger“

Im Kanzleramt herrschte Schweigen zu der Personalie. Offizielle Kommentare aus der CDU zu Schulz lauten so: „Wir nehmen es, wie es kommt. Wir verfallen weder in Panik noch in Depression“, sagt etwa CDU-Vize Thomas Strobl. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sagt, Schulz könne an keinem Mikrofon vorbeilaufen. „Aber Berlin ist nicht Brüssel. Man kann sich nicht einfach hinstellen und nur irgendwas reden.“

Die CDU hingegen habe eine „ausgezeichnete Kandidatin, die schon dreimal bewiesen hat, dass sie Wahlkampf kann“. Schulz werde zweiter Sieger nach Merkel „wie die drei Vorgänger“ (2005 Gerhard Schröder, 2009 Steinmeier und 2013 Peer Steinbrück).

Göring-Eckhardt sieht SPD ohne Position

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte Gabriel nach dessen Verzicht. „Die Entscheidung für Schulz als Kanzlerkandidat ist vor allem eine Entscheidung Gabriels gegen Gabriel“, sagte Göring-Eckardt unserer Redaktion. Acht Monate vor der Bundestagswahl sei mit der Entscheidung für Martin Schulz völlig unklar, wofür die SPD stehe.

Zugleich äußerte die Spitzenkandidatin der Grünen auch Respekt vor Gabriels Entscheidung, die „für ihn persönlich schwierig“ gewesen sei.

Linken-Fraktionschef Bartsch: „Souveräne Entscheidung“

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch lobte die Entscheidung des SPD-Vorsitzenden. „Das ist eine souveräne Entscheidung der SPD und von Gabriel“, sagte der Spitzenkandidat der Linken dieser Redaktion. Er werde die SPD auch weiter an ihren Taten, sprich an ihrer Politik, messen, sagte Bartsch.

Die CSU hält die Kür für eine Panikreaktion. „Kandidat Schulz ist das letzte Aufgebot“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dieser Redaktion, auch er werde keinen Erfolg haben. „Wir erleben Panik und Chaos bei der 20-Prozent-SPD“, sagte Scheuer. Der Kurs der CSU bleibe unverändert: „Verhindern, dass eine Linksfront mit Rot-Rot-Grün Deutschland runterwirtschaftet.“

Kritik in den sozialen Netzwerken

In den sozialen Netzwerken war die Nachricht das beherrschende Thema. Parteifreunde dankten Gabriel für seine Arbeit in den vergangenen Jahren. Es wurde aber auch Kritik laut. Mit dem Rückzug setze Gabriel die politische Stabilität Deutschlands aufs Spiel, äußerte FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter.

(jha/fmg)