Berlin. Die Linke würde nur dann ein Bündnis mit SPD und Grünen eingehen, wenn diese ihren Kurs ändern. Spitzenkandidat Bartsch im Interview.

Die Linkspartei ist nicht gut in das Superwahljahr gekommen. Der Fehlstart des rot-rot-grünen Senats in Berlin dämpft Hoffnungen auf ein Linksbündnis auf der Bundesebene – und die AfD ist der Linken in den Umfragen enteilt. Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat und Vorsitzender der Bundestagsfraktion, beschreibt im Interview, wie die Linke aus der Defensive kommen will.

Herr Bartsch, Rot-Rot-Grün in Berlin zerlegt sich schon nach wenigen Tagen. Ist das der Vorgeschmack auf eine Linkskoalition im Bund?

Dietmar BartschKommt es nach der Bundestagswahl zu einem Mitte-Links-Bündnis, wäre das gut für Deutschland und Europa. Für Berlin muss man konstatieren: Das war kein guter Start. In der Causa Andrej Holm haben sich einige Beteiligte nicht mit Ruhm bekleckert. Ich wünsche mir, dass jetzt der Koalitionsvertrag umgesetzt wird.

Der Fehler lag aufseiten der Linken. Sie haben einen Staatssekretär mit Stasi-Vergangenheit aufgeboten.

BartschNein. Andrej Holm ist ob seiner Kompetenz auf wohnungs- und mietenpolitischem Gebiet nominiert worden. Er ist ein anerkannter Experte. Seine Biografie war bekannt. Ich hätte erwartet, dass man Fragen dazu zwischen den Koalitionspartnern beredet.

Im Grundsatz haben Sie nichts dagegen, Personen mit Stasi-Biografie in Regierungsämter zu befördern?

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, verwendet für die DDR nicht den Begriff „Unrechtsstaat“.
Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, verwendet für die DDR nicht den Begriff „Unrechtsstaat“. © dpa | Bernd von Jutrczenka

BartschSpätestens seit der Zeit, als der SPD-Politiker Manfred Stolpe als Ministerpräsident und Bundesminister mit Stasi-Vorwürfen konfrontiert war, kann und sollte man solche Diskussionen anders führen. Ich plädiere nicht dafür, Schlussstriche zu ziehen. Aber ich möchte, dass man die Biografien von Personen differenziert bewertet.

Man sollte erwarten, dass die Linkspartei ihr Verhältnis zur DDR-Vergangenheit inzwischen geklärt hat.

BartschWir haben uns wie keine andere Partei umfangreich und selbstkritisch mit unserer Vergangenheit auseinandergesetzt. Das hätte ich mir von CDU und FDP, die DDR-Blockparteien schluckten, auch gewünscht. Dieser Prozess ist allerdings nie beendet.

Anerkennen Sie inzwischen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war?

Bartsch : Dazu ist alles gesagt.

Uns interessiert Ihre Position.

Bartsch : Diese Frage lässt sich nicht eindimensional beantworten. Dass es in der DDR schlimmes Unrecht und Opfer dessen gegeben hat, ist unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass es in der DDR auch rechtsstaatliche Bereiche gegeben hat. Deswegen wende ich den Begriff Unrechtsstaat auf die DDR nicht an. Er ist kein Argument, sondern eine Keule.

Die Linke wird mancherorts immer noch vom Verfassungsschutz beobachtet. Ist Ihre Partei reif für die Regierungsverantwortung im Bund?

Bartsch : Natürlich sind wir das. Es ist wirklich absurd, eine Partei zu beobachten, die in drei Bundesländern Regierungsverantwortung trägt und auch in westdeutschen Kommunen und Landtagen verantwortungsvolle Arbeit leistet. Außerdem hätte ich andere Ideen für die Zukunft des Verfassungsschutzes und wen dieser beobachten sollte.

Nämlich?

Bartsch : Wirkliche Gefährder und rechtsextreme Parteien.

Zählen Sie die AfD dazu?

Bartsch : Ich erwarte, dass diejenigen, die zuständig sind, eine Beobachtung der AfD nicht nur prüfen, sondern auch die entsprechenden Entscheidungen treffen. Schauen Sie sich nur die aktuellen Entgleisungen von Herrn Höcke in Dresden an. Entscheidend aber bleibt die politische Auseinandersetzung. Aus mir macht auch die AfD keinen Freund des Verfassungsschutzes.

Welches Ziel setzen Sie sich als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl?

Bartsch : Der Maßstab für uns ist das Wahlergebnis vom letzten Mal: 8,6 Prozent. Wir wollen zulegen und streben ein zweistelliges Ergebnis an. Damit wollen wir drittstärkste Kraft im Bundestag bleiben.

Reicht das für Rot-Rot-Grün?

Bartsch : Wir werden keinen Lagerwahlkampf führen. Jede Partei kämpft für sich und ihre Inhalte. Nach der Wahl kann man eine Entscheidung treffen. Mir ist wichtig, dass es zu einem Politikwechsel kommt.

Was sind Ihre Bedingungen für ein Bündnis mit SPD und Grünen?

Bartsch : Es gibt Punkte, bei denen klar ist, dass sie mit uns nicht gehen. Wer glaubt, dass es mit Waffenexporten so weitergehen kann wie unter Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister, braucht nicht mit uns zu reden. Außerdem lassen wir zum Beispiel nicht zu, dass es weiter unterschiedliche Rentengebiete in Ost und West gibt.

Ihre Co-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht nennt auch die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr als Voraussetzung für Rot-Rot-Grün. Ist das ernst gemeint?

Bartsch : Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland lehnt die Linke ab. Von unserem Wahlergebnis wird abhängen, was wir in eventuellen Koalitionsverhandlungen durchsetzen können – etwa in der für uns zentralen Frage sozialer Gerechtigkeit. Wenn der politische Wille da ist, sind Koalitionen möglich.

In Ihrer Abneigung zur Nato haben Sie einen Verbündeten gewonnen: den neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump.

Bartsch : Über viele Äußerungen Trumps bin ich entsetzt. Mit Sexisten und Rassisten möchte ich nichts zu tun haben. Es mag oberflächlich gesehen Übereinstimmungen geben, aber diese Regierung der Milliardäre hat mit unseren Vorstellungen nichts gemein. Ich habe große Sorge, dass sich Amerika und die Welt grundlegend verändern – und zwar nicht zum Guten.

Lässt sich von Trump lernen, wie man Wahlen gewinnt?

Bartsch : Die Mehrheit der Amerikaner hat nicht für Trump gestimmt. Wir haben ein anderes Wahlsystem als in den USA. Bei allen Differenzen konnte man im amerikanischen Wahlkampf einiges Neues erkennen, zum Beispiel im Umgang mit sozialen Medien.

Auf Facebook und Twitter sind Populisten im Vorteil. Wer hat die begabteren – AfD oder Linkspartei?

Bartsch : Es ist in Mode gekommen, AfD und Linke gleichzusetzen. Ich weise das entschieden zurück. Die Inhalte der beiden Parteien stehen einander diametral gegenüber. Alle demokratischen Parteien müssen selbstverständlich versuchen, der AfD so viele Stimmen wie möglich abzunehmen – auch die Linke.

Die Frage ist, wie das geschehen soll. Sahra Wagenknecht hat Kanzlerin Merkel – ganz im Stil der AfD – eine Mitverantwortung für den Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt gegeben. Ist das der richtige Weg?

Bartsch : Für den Anschlag in Berlin sind Anis Amri und seine Hintermänner verantwortlich. Terroristische Anschläge in Europa sind aber auch deshalb Realität geworden, weil wir eine falsche, militärisch geprägte Außenpolitik betreiben. So wurden radikale Gruppen gestärkt. Terror ist nicht mit Krieg zu bezwingen. Ich bedauere, dass Angela Merkel dies nicht meint, wenn sie sagt: „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit um Jahre zurückdrehen.“

Geben auch Sie der Kanzlerin eine Mitverantwortung für den Anschlag in Berlin?

Bartsch : Merkel hat mit dem Anschlag direkt nichts zu tun. Auch ein Bundeskanzler Dietmar Bartsch oder eine Bundeskanzlerin Sahra Wagenknecht hätten mit einem solchen Terrorakt nichts zu tun. Mitverantwortung zu beschreiben meint etwas anderes. Wer Waffen und Soldaten in die Welt schickt, bekämpft keine Fluchtursachen.