Berlin. Der Generalbundesanwalt war über die Ermittlungen der Länder gegen Anis Amri nicht informiert. Unionspolitiker üben schwere Kritik.

Die Bundesländer haben den Generalbundesanwalt nicht über ihre Ermittlungen gegen Anis Amri informiert. Dass der erst im Nachhinein davon erfahren habe, sei „erschreckend“, sagte der CDU-Rechtspolitiker Patrick Sensburg unserer Redaktion. „Nicht nur bei der Polizei, auch bei den Justizbehörden müssen wir mehr die Grenzen im Kopf überwinden“, forderte Sensburg. Gegen den späteren Attentäter war wegen Sozialleistungsbetrug, Urkundenfälschung und Drogenhandel ermittelt worden.

Task Force soll Verhalten der Behörden im Fall Amri klären

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    Für den Vorsitzenden des Innen-Ausschusses, Ansgar Heveling (CDU), stellt sich die Frage, ob die Ermittlungen genügend Ansatzpunkte gegeben haben, Untersuchungshaft anzuordnen. Im Zweifel hätten einzelne Delikte gereicht, „die Summe seiner Straftaten erst recht“. Sensburg beklagte, dass Amri nicht in Abschiebehaft genommen worden sei, als die Stadt Köln schon im Oktober 2016 Passersatzpapiere beantragt und Tunesien Amri als Staatsbürger identifiziert habe.

    „Man hat ihn ziehen lassen. Das ist der größte Vorwurf, dem man nachgehen muss“, so Sensburg. Laut Heveling liefen gegen Amri polizeiliche Operationen, die Nachrichtendienste seien wohl nur am Rande involviert gewesen. Derweil informierte BKA-Präsident Holger Münch den Bundestag darüber, dass von den 547 islamistischen „Gefährdern“ drei vom „Radar“ der Behörden verschwunden seien.

    NRW-Innenminister muss sich Fragen stellen

    Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger muss sich am Donnerstag schon zum zweiten Mal bohrenden Fragen im Düsseldorfer Landtag stellen. Die Opposition aus CDU, FDP und Piraten sieht viele offene Fragen und eine Reihe von Ungereimtheiten. Im Mittelpunkt stehen Zweifel an Jägers Aussage, es habe keine Möglichkeit gegeben, den islamistischen Gefährder loszuwerden oder festzusetzen. Vor der Sitzung des Innenausschusses am Mittag (12:30 Uhr) waren gegen den SPD-Politiker erneut Rücktrittsforderungen erhoben worden.

    Jäger verteidigte das Vorgehen der Behörden in NRW in seinem Bericht an die Abgeordneten. Die bei Gefährdern laut Ausländerrecht in Frage kommenden Instrumente seien geprüft worden. Sowohl die Sicherheitskonferenz in seinem Ministerium als auch das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern beschäftigten sich Jäger zufolge fortlaufend mit dem Tunesier. Die Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung oder auch für einen verbeugenden Gewahrsam hätten nicht vorgelegen.

    In NRW sei Amri am 17. Februar 2016 als Gefährder eingestuft worden. schildert der Minister in seinem Bericht. Der abgelehnte Asylbewerber sei von November 2015 bis 24. Mai „engmaschig und durchgehend“ überwacht worden. Am 24. Mai habe er NRW in Richtung Berlin verlassen. Amri nutzte 14 unterschiedliche Identitäten, stand im Kontakt zum radikal-islamischen Milieu, soll sich im Internet über Bombenbau informiert und sich als Selbstmordattentäter angeboten haben. Der Islamist war am 19. Dezember mit einem Lastwagen auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast und hatte zwölf Menschen getötet. (mit dpa)