Kairo. Der IS hat sich zu dem Attentat in Berlin bekannt. Die Terrormiliz gibt ihren Kriegern Anleitungen für Attentate mit Pkw und Lastern.

Der Bekennertext benutzt die üblichen Kampfbegriffe. Ein „Soldat des Kalifates“ habe den Angriff ausgeführt und sei damit der Aufforderung der IS-Führung gefolgt, Bürger von Staaten der Anti-Terror-Koalition anzugreifen, hieß es in dem Onlineschreiben zum Lkw-Massaker in Berlin, das die Dschihadisten auf ihrem Webportal Amak veröffentlichten.

Täter und Details werden nicht genannt, auch ein Bekennervideo wurde bisher nicht hochgeladen, so dass Zweifel bleiben, ob der IS wirklich hinter dem Anschlag vom Montagabend mit zwölf Toten steckt. Fest dagegen steht: Je stärker die Terrormiliz auf dem nahöstlichen Schlachtfeld in Bedrängnis gerät, desto mehr nimmt sie Europa ins Visier.

IS stützt sich auf drei Tätergruppen

Dabei stützt sich der IS vor allem auf drei Tätergruppen: aus dem Kalifat eingeschleuste IS-Kämpfer, sozial frustrierte einheimische Muslime, die nie in Syrien waren, oder junge Flüchtlinge, die sich in ihrer labilen, entwurzelten Lage aufhetzen und rekrutieren lassen.

Die IS-Kommandeure hätten die strategische Entscheidung gefällt, den europäischen Kontinent mit Tausenden Kämpfern zu erschüttern und zu destabilisieren, warnte kürzlich der Chef von Europol, Rob Wainwright. Hinzu komme eine „noch größere Zahl solcher, die niemals in Syrien waren und dennoch fähig sind, sich zu radikalisieren und ebenfalls Attentate auszuführen“.

So erkläre ich Kindern den Anschlag

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    Dieser Personenkreis ist für die Sicherheitsbehörden besonders schwer zu greifen. Denn bei diesem neuen Typ Dschihadist verwischen sich die Grenzen zwischen islamistischem Extremismus, organisiertem Verbrechen oder Flüchtlingsexistenz.

    Vom Straßendieb zum Attentäter

    Auffallend viele der nach den Massakern in Paris und Brüssel identifizierten IS-Täter hatten eine kriminelle Karriere hinter sich. Ihre verbrecherischen Fähigkeiten erwarben sie als Straßendiebe, Drogenhändler oder kleine Ganovenbosse, bevor sie für den IS auf Mordmission gingen. Extremismusforscher Peter Neumann vom King’s College in London nennt diese Verbindung von Kriminalität und Islamismus „einen operativen Aspekt des Islamischen Staates“.

    Anders als im herkömmlichen radikal-fundamentalistischen Milieu, werden IS-Konvertierten nicht „durch das Licht des Islam“ geläutert, sondern bleiben ihrer kriminellen Szene treu. „Diese Verbindung mit der kriminellen Welt, das gab es bei Osama bin Laden nicht“, erläuterte Mohammad-Mahmoud Ould Mohamedou, Harvard-Dozent und Vizechef des „Zentrums für Sicherheitspolitik“ in Genf.

    Trauer um Opfer des Anschlags von Berlin

    Nur wenige Stunden nach dem Anschlag: Nahe des Weihnachtsmarkts an der Berliner Gedächtniskirche, in den ein Lkw gerast war und dabei mehrere Menschen tötete, legten Trauernde erste Blumen nieder.
    Nur wenige Stunden nach dem Anschlag: Nahe des Weihnachtsmarkts an der Berliner Gedächtniskirche, in den ein Lkw gerast war und dabei mehrere Menschen tötete, legten Trauernde erste Blumen nieder. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Der Morgen danach in der Nähe des Tatorts: „Ich bin Berlin – für mehr Menschlichkeit & Mitgefühl“, steht auf dem Zettel.
    Der Morgen danach in der Nähe des Tatorts: „Ich bin Berlin – für mehr Menschlichkeit & Mitgefühl“, steht auf dem Zettel. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Viele Menschen bekundeten ihre Trauer auf dem Platz vor der Gedächtniskirche.
    Viele Menschen bekundeten ihre Trauer auf dem Platz vor der Gedächtniskirche. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    Auch Schilder an den Straßen nahe der Gedächtniskirche erinnerten am Dienstag an den Anschlag vom Vorabend.
    Auch Schilder an den Straßen nahe der Gedächtniskirche erinnerten am Dienstag an den Anschlag vom Vorabend. © dpa | Michael Kappeler
    Diese Frau betet für die Opfer der Todesfahrt. Zwölf Menschen waren am Montagabend ums Leben gekommen, viele weitere wurden schwer verletzt.
    Diese Frau betet für die Opfer der Todesfahrt. Zwölf Menschen waren am Montagabend ums Leben gekommen, viele weitere wurden schwer verletzt. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    „Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, steht auf dem Plakat, das dieser Passant in der Nähe des Anschlagsorts befestigt.
    „Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, steht auf dem Plakat, das dieser Passant in der Nähe des Anschlagsorts befestigt. © dpa | Rainer Jensen
    An allen Ecken der Schutzplane, die um den Anschlagsort aufgespannt wurde, legten die Menschen Blumen und Kerzen nieder.
    An allen Ecken der Schutzplane, die um den Anschlagsort aufgespannt wurde, legten die Menschen Blumen und Kerzen nieder. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    „In uns lebt ihr weiter“, steht auf einem Zettel, den jemand nahe des Anschlagsorts zusammen mit Kerzen niedergelegt hat.
    „In uns lebt ihr weiter“, steht auf einem Zettel, den jemand nahe des Anschlagsorts zusammen mit Kerzen niedergelegt hat. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Ein Moment des Innehaltens mitten in der Rush Hour. Eine Frau und ein Mann stehen vor der Gedächtniskirche und gedenken der Opfer.
    Ein Moment des Innehaltens mitten in der Rush Hour. Eine Frau und ein Mann stehen vor der Gedächtniskirche und gedenken der Opfer. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die brandenburgische Fahne weht in Potsdam auf Halbmast Für den Dienstag ordnete Innenminister Thomas de Maizière für das gesamte Land Trauerbeflaggung an.
    Die brandenburgische Fahne weht in Potsdam auf Halbmast Für den Dienstag ordnete Innenminister Thomas de Maizière für das gesamte Land Trauerbeflaggung an. © dpa | Ralf Hirschberger
    In der Gedächtniskirche zünden Menschen Kerzen des Gedenkens an.
    In der Gedächtniskirche zünden Menschen Kerzen des Gedenkens an. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trägt sich in der Gedächtniskirche in Berlin in das Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlags ein.
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trägt sich in der Gedächtniskirche in Berlin in das Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlags ein. © dpa | Maurizio Gambarini
    Auch die Fahnen vor dem Reichstag wehen am Tag nach dem Anschlag auf Halbmast.
    Auch die Fahnen vor dem Reichstag wehen am Tag nach dem Anschlag auf Halbmast. © dpa | Paul Zinken
    Den ganzen Tag über suchten Menschen den Weg zur Gedächtniskirche, um Blumen und Kerzen niederzulegen.
    Den ganzen Tag über suchten Menschen den Weg zur Gedächtniskirche, um Blumen und Kerzen niederzulegen. © Getty Images | Michele Tantussi
    Eine der vielen Botschaften, die auf Zetteln und Plakaten am Anschlagsort zu lesen sind: „Kriege führen zu mehr Terrorismus – Terrorismus verletzt ausnahmslos alle Menschen“.
    Eine der vielen Botschaften, die auf Zetteln und Plakaten am Anschlagsort zu lesen sind: „Kriege führen zu mehr Terrorismus – Terrorismus verletzt ausnahmslos alle Menschen“. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Europa sendet ein Zeichen der Solidarität: Die Fahnen vor dem Gebäude der EU-Kommission hängen auf Halbmast.
    Europa sendet ein Zeichen der Solidarität: Die Fahnen vor dem Gebäude der EU-Kommission hängen auf Halbmast. © dpa | Olivier Hoslet
    Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich am Dienstagnachmittag im Schloss Bellevue zum Anschlag in Berlin:  „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte Gauck.
    Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich am Dienstagnachmittag im Schloss Bellevue zum Anschlag in Berlin: „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte Gauck. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Eine Blume steht im Foyer des brandenburgischen Landtages neben dem Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlages.
    Eine Blume steht im Foyer des brandenburgischen Landtages neben dem Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlages. © dpa | Ralf Hirschberger
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) am Dienstagnachmittag den Anschlagsort.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) am Dienstagnachmittag den Anschlagsort. © dpa | Michael Kappeler
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in stillem Gedenken an die Opfer.
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in stillem Gedenken an die Opfer. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Die Kanzlerin zeigt sich beim Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche am Dienstagnachmittag sichtlich bewegt.
    Die Kanzlerin zeigt sich beim Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche am Dienstagnachmittag sichtlich bewegt. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Der Anschlag hat laut diesem Plakat an der Gedächtniskirche „Das Herz Berlins getroffen“.
    Der Anschlag hat laut diesem Plakat an der Gedächtniskirche „Das Herz Berlins getroffen“. © dpa | Michael Kappeler
    Das französische Parlament hielt am Nachmittag eine Schweigeminute ab in Gedenken an die Opfer aus Berlin.
    Das französische Parlament hielt am Nachmittag eine Schweigeminute ab in Gedenken an die Opfer aus Berlin. © dpa | Christophe Petit Tesson
    Trauernde am Dienstagabend in der Nähe des Anschlagsorts.
    Trauernde am Dienstagabend in der Nähe des Anschlagsorts. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Hunderte Kerzen hatten sich an der Gedächtniskirche angesammelt, als die Sonne am Dienstag untergegangen war.
    Hunderte Kerzen hatten sich an der Gedächtniskirche angesammelt, als die Sonne am Dienstag untergegangen war. © Getty Images | Michele Tantussi
    Das  Brandenburger Tor erstrahlte am Dienstagabend in Schwarz-Rot-Gold.
    Das Brandenburger Tor erstrahlte am Dienstagabend in Schwarz-Rot-Gold. © Reto Klar
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    „Gebrauchsanleitung“ für Terror-Attacken

    Und so sind IS-Konvertiten bei der Polizei – wenn überhaupt – nur als gewöhnliche Straftäter registriert, als gefährliche Extremisten jedoch erst zu identifizieren, wenn sie ihre Bluttaten begangen haben.

    Vor allem auf dieses muslimisch-kriminelle Milieu, in dem sich Täter bisweilen binnen weniger Wochen radikalisieren, zielen die neuen „Gebrauchsanleitungen“ für Terrorangriffe, die der IS seit kurzem in seinen Propagandaheften verbreitet. So enthält die Novemberausgabe der Online-Zeitschrift „Rumiyah“, die unter anderem in Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch und Türkisch erscheint, genaue Ratschläge für Terrorangriffe mit Lastwagen.

    Märkte und Bürgersteige als Terrorziele

    „Fahrzeuge sind wie Messer, sie sind sehr leicht zu beschaffen“, heißt es in dem dreiseitigen Artikel. Anders als der Besitz eines Messers rufe der Besitz eines Autos keinerlei Misstrauen hervor. Daher sei dies eine der besten Methoden, Ungläubige zu töten, „weil es die Möglichkeit ist zum Terror für jedermann, der Auto fahren kann“, heißt es in dem Text, der genaue Checklisten für Vorbereitung des Wagens, Wahl und Lage des Anschlagortes sowie Ablaufphasen der Tat enthält.

    Wie der Anschlag jetzt unser Land verändert

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      Pkw oder Geländewagen seien zu leicht und ungeeignet, am besten sei ein beladener Lastwagen, wie ihn „Bruder Mohamed Lahouaiej-Bouhlel“ bei seiner 19-Tonner-Todesfahrt in Nizza benutzt habe, rät der Terrorautor. Denn dessen Zwillingsreifen ließen den Opfern weniger Chancen, dem Tod zu entkommen.

      Als mögliche Anschlagsziele listet er dann auf große Versammlungen, stark frequentierte Bürgersteige, Wahlkampfveranstaltungen und Märkte – wie jetzt der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin.