Berlin. Die Ministerpräsidenten stimmen einer Grundgesetzänderung zu. Bund und Länder einigten sich auf eine Neuordnung staatlicher Aufgaben.

Geschlagene neun Stunden verhandelten die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, bis Angela Merkel um kurz nach Mitternacht den „Riesenschritt“ verkündete. Damit meinte sie ein völlig verändertes Verhältnis von Bund und Ländern.

Es geht darum, wer künftig für welche Aufgaben zuständig ist. Und natürlich geht es – wie immer bei solchen Fragen – um viel Geld. Kurz gesagt sieht das Ergebnis so aus: Der Bund zahlt den Ländern pro Jahr 9,5 Milliarden Euro mehr als bisher. Dafür kann er bei der Verwendung des Geldes mehr mitreden. Und er darf anschließend auch kontrollieren, wie es verwendet wird. Offiziell heißt das Ganze „Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“.

Grundgesetz muss geändert werden

Über die wesentlichen Punkte waren sich beide Seiten schon im Oktober einig geworden, aber damit alles in Gang kommt, muss das Grundgesetz an mehreren Stellen geändert werden. Das geschieht selten, weshalb beide Seiten genau darauf geachtet haben, ob sie dabei benachteiligt werden. Das hat die Verhandlungen in die Länge gezogen.

Am nächsten Mittwoch will die Bundesregierung die ersten Gesetzesänderungen im Kabinett beschließen. Das endgültige Reformpaket sollen Bundestag und Bundesrat dann im Frühjahr nächsten Jahres verabschieden. Die wichtigsten Punkte:

Autobahnen

Weil viele Bundesländer mit der Planung und dem Bau neuer Autobahnen überfordert sind, soll es ab 2021 eine „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ geben, die das übernimmt. Sie soll dem Bund gehören und die Autobahnen verwalten, betreiben und Neubauprojekte planen und finanzieren. Der Plan war lange umstritten, weil eine Privatisierung befürchtet wurde. Damit dies unmöglich ist, soll nun im Grundgesetz stehen, dass sowohl die Autobahnen als auch die Gesellschaft – geplant ist eine GmbH – „unveräußerlich“ sind.

Für die Mitarbeiter der Landesstraßenverwaltungen gilt: Wenn sie wollen, können sie zu identischen Arbeitsbedingungen zur neuen Gesellschaft wechseln. Alle Besitzstände bleiben unangetastet. Wer nicht wechseln will, kann beim Land beschäftigt bleiben. Die Gesellschaft soll neben Autobahnen auch Fernstraßen übernehmen, wenn ein Land dies will. Die neue Gesellschaft soll selbst Kredite aufnehmen können und Projekte auch mit privaten Investoren planen. Die Details sollen in einem extra Gesetz geregelt sein. Das dürfte noch Streit bringen.

Unterhaltsvorschuss

Mehr Alleinerziehende als bisher sollen Geld vom Staat bekommen, wenn ihre ehemaligen Partner für die Kinder keinen Unterhalt zahlen. Darüber sind sich Bund und Länder bereits einig. Der Vorschuss soll bis zum 18. und nicht wie bisher bis zum 12. Lebensjahr gezahlt werden. Offen ist aber noch immer, ab wann genau die Regelung gelten soll, was sie kosten wird und wie die organisatorischen Probleme in den Kommunen gelöst werden. Weil das knifflige Fragen sind, haben die Verhandlungen zwischen Merkel und den Ministerpräsidenten zu diesem Punkt am längsten gedauert. Nun gibt es eine Arbeitsgruppe, die das Thema ganz zu Ende beraten soll. Bisher trägt der Bund ein Drittel der Kosten, die Länder zwei Drittel.

Investitionen in Schulen

Damit besonders finanzschwache Kommunen ihre Schulen renovieren können, bekommen sie vom Bund zusätzlich 3,5 Milliarden Euro. Auch darauf hatten sich Bund und Länder bereits im Oktober geeinigt. Damit der Bundesrechnungshof aber später kontrollieren kann, ob das Geld auch angekommen ist, muss das Grundgesetz geändert werden. Auf Unterrichtsinhalte darf der Bund noch immer keinen Einfluss nehmen, diese Sorge hatten einige Länder.

Sanierungshilfen

Die beiden hoch verschuldeten Länder Saarland und Bremen bekommen jeweils 400 Millionen Euro pro Jahr überwiesen. Sie müssen aber jedes Jahr 50 Millionen Euro der bereits gewährten Hilfen zurückzahlen. Finanzminister Wolfgang Schäuble darf das kontrollieren und notfalls die Zügel anziehen.

Einheitliche Informationstechnik

Bund und Länder wollen ihre IT vereinheitlichen. Den Anfang sollen Teile der Steuerverwaltung machen. Dafür muss das Grundgesetz geändert werden.

Finanzausgleich

Der bisherige Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern endet 2019. Das war der eigentliche Anlass für die Neuverteilung der Aufgaben von Bund und Ländern. Den Durchbruch bei diesem Thema gab es, wie gesagt, schon im Oktober. Die Neuregelung sieht im Wesentlichen so aus, dass künftig vor allem der Bund den armen Ländern unter die Arme greift. Bisherige Geberländer werden entlastet.