Brüssel. Ceta und kein Ende: Belgien ringt weiter mit einer einheitlichen Lösung für das Abkommen. Doch die Uhr für den Pakt tickt nun hörbar.

Die Verhandlungen über das europäisch-kanadische Handelsabkommen (Ceta) in Brüssel sind am Mittwochabend abermals unterbrochen worden. Sie sollen am Morgen fortgesetzt werden. „Wir haben große Fortschritte erzielt“, sagte Oliver Paasch, der die deutschsprachigen Belgier vertritt. Eine Einigung sei nahe. Der für Handel zuständige belgische Außenminister Didier Reynders betonte außerdem: „Alle Texte sind konsolidiert, zu allen Themen.“

Die innerbelgischen Verhandlungen waren zuvor bereits am Dienstagabend ohne eine Einigung unterbrochen und am Mittwoch fortgeführt worden.

Martin Schulz glaubt an Lösung

Kurz vor dem geplanten EU-Kanada-Gipfel sucht Belgien somit weiter unter Hochdruck nach einem Ausweg aus der Blockade des Handelspakts: Außenminister Reynders sagte zwar, es gehe nur noch um letzte Vorbehalte der belgischen Regionen und man hoffe auf eine Lösung. Die EU-Spitzen stellten sich aber schon darauf ein, dass die feierliche Unterzeichnung zumindest verschoben werden muss.

So sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im Deutschlandfunk: „Ich glaube nicht, dass wir diese Woche noch eine Lösung haben werden.“ Auch in anderen EU-Institutionen sah man schwarz für den Termin am Donnerstag. „Wir sind nicht naiv“, sagte ein EU-Vertreter.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte am Montagabend überraschend bekannt gegeben, dass die EU und Kanada trotz fehlender Einigung den Gipfel noch nicht absagen wollen. Die Sache sei einfach zu wichtig, um nicht bis zur letzten Minute alles zu versuchen, hieß es. Der kanadische Premier Justin Trudeau werde aber nicht am Donnerstag nach Brüssel kommen, wenn Ceta nicht unterschrieben werden könne.

Sorge um Umwelt- und Sozialstandards

In Belgien bemühten sich am Dienstagnachmittag abermals Vertreter der Föderalregierung und der Regionen, Bedenken der Wallonie und anderer Kritiker auszuräumen. Sie sorgen sich um Umwelt- und Sozialstandards und bemängeln die in Ceta vorgesehenen Mechanismen zur Schlichtung von Streit zwischen Unternehmen und Staaten.

Der Runde lagen neue Kompromisstexte vor, und Außenminister Reynders gab sich zuversichtlich. „Wir sind wirklich am Ende der Diskussionen, ich hoffe, wir können sie abschließen“, sagte er. „Aber wie Sie wissen, ist das letzte Komma, das letzte Wort wahrscheinlich am wichtigsten.“

Wallonischer Regierungschef kritisiert Zeitdruck

Der wallonische Regierungschef Paul Magnette, Wortführer der belgischen Ceta-Gegner, verbat sich erneut jeglichen Zeitdruck. „Wir beugen uns keinem Ultimatum“, sagte er und drohte mit dem Abbruch der Verhandlungen. „Wir lassen uns nicht zwingen, unter Druck klein beizugeben, und wir sollten nicht gezwungen werden, das parlamentarische Verfahren zu ignorieren.“

Ohne Zustimmung aller Regionen kann Belgien als einziger der 28 EU-Staaten den Handelspakt nicht unterschreiben. Damit ist er für die gesamte EU blockiert. Hektische Vermittlungsversuche der EU hatten zunächst nichts gefruchtet.

Warnung vor wirtschaftlichen Schäden

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, warnte indes vor dem endgültigen Scheitern des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens. „Es muss weiter alles getan werden, damit das Abkommen so bald als möglich zustande kommt. Der wirtschaftliche und vor allem politische Schaden wären sonst enorm“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende unserer Redaktion.

Die Profilierungspolitik des wallonischen Regierungschefs Magnette müsse ein Ende haben. „Europa darf nicht die Geisel sein für Herrn Magnettes Machtkämpfe mit der belgischen Regierung“, sagte er. „Jetzt sind Kommission, Rat und belgische Regierung gefordert, eine Lösung zu finden.“

Deutschland setzte sich für breite Abstimmung ein

Aus der EU-Kommission hieß es, die Suche nach einer Lösung erfordere Zeit und Geduld. Parlamentspräsident Schulz sagte: „Wenn man dazu 14 Tage mehr Zeit braucht, verschiebt man eben so einen Gipfel.“ Er sehe Ceta nicht als gescheitert an.

Doch weitet sich der Streit um das 2014 ausgehandelte Abkommen längst in eine Grundsatzdebatte über die Handlungsfähigkeit der EU. Ursprünglich war geplant, dass nur das EU-Parlament den von der Kommission ausgehandelten Pakt ratifiziert. Doch im Sommer setzte unter anderen Deutschland durch, dass Parlamente in allen 28 Staaten mitreden dürfen.

Schulz sagte dazu: „Entweder wir wollen mehr Demokratie, dann braucht man ein bisschen mehr Zeit und man muss mehr Überzeugungsarbeit leisten.“ Werde festgelegt, dass es sich um eine europäische Entscheidung handele, werde die Demokratie mit einer Abstimmung im Europaparlament gewährleistet. „Das ist eine Frage, über die wir sicher in der Zukunft nochmal vom Grundsatz her reden müssen.“ (dpa)