Berlin. Das Kabinett legt den Bericht über „Gut leben in Deutschland“ vor. Frieden und Sicherheit haben für die Deutschen oberste Priorität.

Zwei Jahre lang wurde daran gearbeitet, 15.750 Bürger haben sich beteiligt, mal per Postkarte, mal im Internet, in den meisten Fällen vor Ort in Veranstaltungen – im direkten Dialog mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und allen ihren Ministern. Es gab mehr als 200 Veranstaltungen unter dem Motto „Gut leben in Deutschland“. Das Ergebnis legt das Bundeskabinett an diesem Mittwoch vor: einen 238 Seiten langer Bericht „zur Lebensqualität in Deutschland“.

Zur Auswertung wurden zwölf „Dimensionen der Lebensqualität“ entwickelt, sie reichen von den Themen „Gesund durchs Leben“ über „Gut arbeiten und gerecht teilhaben“ bis „Sicher und frei leben“. Die Bundesregierung räumt zwar ein, dass der unter Experten-Begleitung entstandene Bericht nicht wissenschaftlich repräsentativ sei, aber doch „konkret und aussagekräftig“.

Die Befragten wünschen sich mehr direkte Demokratie

Die Veranstaltungen fanden zwischen April und Oktober 2015, überwiegend vor dem politischen Großstreit über die Flüchtlingspolitik, vor Pegida, vor den Achtungserfolgen der AfD bei Wahlen, vor den Anschlägen von Brüssel und Paris statt. Trotzdem betrachtet die Regierung den Dialog – Kostenpunkt 3,5 Millionen Euro – nicht als ein Muster ohne Wert. Zum einen habe man durchaus noch im Spätsommer über die Flüchtlingspolitik diskutieren können.

Zum anderen sei klar geworden, dass für die Bürger andere Themen „genauso wichtig“ seien wie die Flüchtlingspolitik, heißt es in Regierungskreisen. Zum Beispiel bessere Löhne oder mehr Sicherheit. In dem Bericht werden die Befindlichkeiten der Bürger auch mit den Fakten abgeglichen. So sinkt die Zahl der Straftaten, aber davon unabhängig steigt das Bedrohungsgefühl der Bürger; am meisten bei den älteren Leuten, die statistisch am wenigsten Opfer von Kriminalität sind.

Innere Sicherheit ist ein wichtiges Thema für die Bürger

Ein Thema aus der inneren Sicherheit, das die Regierung schon jetzt unmittelbar umtreibt, ist der Anstieg der Hasskriminalität. 46 Indikatoren für Lebensqualität hat die Regierung ausgemacht: bezahlbare Wohnungen, Breitband-Versorgung, mehr direkte Demokratie, flexiblere Arbeitszeiten, bessere Bildungschancen, mehr Respekt und Toleranz.

Das Thema Frieden war für die Menschen das wichtigste Thema überhaupt – als zentrale Voraussetzung für Lebensqualität in Deutschland. Am häufigsten sei die Bewahrung des Friedens im eigenen Land, aber auch der Einsatz für Frieden in der Welt genannt worden. Die Menschen hätten sich aber auch „mehr Sicherheit im eigenen Umfeld und effektiveren Schutz vor Einbruch und Diebstahl“ gewünscht. Zudem hätten sich die Bürger immer wieder für eine starke Polizei und Justiz ausgesprochen.

Befristete Arbeitsverträge belasten Bürger

Vor dem Hintergrund der im Jahr 2015 wachsenden Flüchtlingszahl und der Debatte über Migration, Integration und Willkommenskultur zeigte sich in der Befragung ein sehr differenziertes Meinungsbild: „Von Gastfreundschaft und dem Wunsch nach Integration über Skepsis, wie gut sich Integrationsprozesse beeinflussen lassen, bis hin zur Sorge über die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft“ sei die Rede gewesen.

Gute Bezahlung und ein sicherer Arbeitsplatz sind den Menschen ebenso wichtig wie ein gutes Arbeitsklima, Selbstbestimmtheit in der Arbeitsgestaltung und Zufriedenheit mit der Arbeit. Als belastend wurde von den Bürgern die Befristung von Arbeitsverträgen empfunden.

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung und bei Arbeitszeiten sind nach Ansicht der Menschen Ansätze für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kinder dürften nicht zum Hindernis für die Karriere gemacht werden.

Die Menschen zeigten sich in der Mehrheit zufrieden mit dem Gesundheitssystem, sie würdigten, dass grundsätzlich alle Zugang zur Krankenversicherung haben. „Als ungerecht bewerteten viele Menschen aber die Trennung von privat und gesetzlich Versicherten, konkret die empfundenen Unterschiede in der Versorgung oder in den Wartezeiten auf Facharzttermine.

Daten zur Pflegequalität noch nicht ausreichend erfasst

Für die Qualität der Pflege fehlen den Experten noch ausreichend Daten. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Themas vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft wurde aber ein Platzhalter in das Berichtssystem aufgenommen – an der Messbarkeit der Pflegequalität wird gearbeitet.

Besonders hervorgehoben wurden die Chancengleichheit im Bildungssystem, eine gute Ausstattung der Schulen, der Erhalt von Schulstandorten in ländlichen Regionen, moderne Lehrmethoden, die Qualität der Hochschulen oder das Lernen im Alter.

Regelmäßigen Erhebung der Lebensqualität geplant

Beim Thema Wohnen ging es den Menschen vor allem um mehr Wohnraum zu bezahlbaren Preisen – zum Beispiel für Familien und junge Menschen. Besonderer Handlungsbedarf wurde vor allem in den Großstädten wie München oder Frankfurt am Main gesehen.

Wie geht es weiter? Die Bundesregierung setzt auf eine breite politische und gesellschaftliche Debatte darüber, was für die Lebensqualität in Deutschland wichtig ist. Der aktuelle Bericht soll Auftakt einer regelmäßigen Erhebung der Lebensqualität sein – die Regierung will ihn einmal pro Legislaturperiode fortschreiben. Ob dies umgesetzt wird, hängt von der nächsten Regierung nach der Bundestagswahl 2017 ab.