Berlin. Eine Umfrage sieht ihn vor Parteichef Gabriel. Aber kann EU-Parlamentspräsident Martin Schulz tatsächlich SPD-Kanzlerkandidat werden?

Die Debatte um den SPD-Kanzlerkandidaten wird durch eine neue Umfrage befeuert: Demnach hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in der Gunst der Bundesbürger einen leichten Vorsprung vor SPD-Chef Sigmar Gabriel – starke Zugpferde sind aber beide nicht.

Während 34 Prozent der Befragten Schulz als geeigneten Kandidaten bezeichneten, waren 30 Prozent von Gabriel überzeugt, ergab eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend. Von den SPD-Anhängern halten 59 Prozent Schulz für einen guten Kandidaten, Gabriel kommt auf 50 Prozent. Der SPD-Chef habe den höheren Bekanntheitsgrad, polarisiere aber auch stärker. Als „ungeeigneten Kandidaten“ sahen den SPD-Chef 58 Prozent der Befragten. Schulz stieß bei 35 Prozent auf Ablehnung. Mehr als jeder Vierte gab an, er kenne Schulz nicht. Bis vor wenigen Wochen hatte Gabriel in den Umfragen einen leichten Vorsprung.

Schulz hat den Trend gedreht

Offenbar hat Schulz jetzt durch öffentliche Auftritte, in denen er seine Ambitionen auf die Kandidatur kaum verhüllt deutlich machte, den Trend gedreht. Dennoch spricht bisher wenig dafür, dass er für die SPD ums Kanzleramt kämpfen wird: Der 60-Jährige, der sich parallel in Brüssel um eine weitere Amtszeit als EU-Parlamentspräsident ab 2017 bemüht, ist vorerst ein Phantomkandidat. Auch Sympathisanten in der SPD wüssten nicht, wofür der Europapolitiker in den zentralen innenpolitischen Fragen stehe, heißt es. Antreten würde er dem Vernehmen nach ohnehin nur, wenn der SPD-Chef von sich aus verzichtet: „Kanzlerkandidaturen sind für jeden reizvoll – aber in diesem Fall hat der Vorsitzende den ersten Zugriff“, sagt Schulz. Doch seine Umfragewerte sind nicht so stark, dass ihm Gabriel den Vortritt lassen müsste.

Die Karriere von Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel war lange Vorsitzender der SPD und mehrfach Minister in Bundesregierungen. Wir zeigen Stationen seines Wegs in Bildern. Zuletzt war er Außenminister.
Sigmar Gabriel war lange Vorsitzender der SPD und mehrfach Minister in Bundesregierungen. Wir zeigen Stationen seines Wegs in Bildern. Zuletzt war er Außenminister. © dpa | Britta Pedersen
Einen Streit mit Parteikollege Martin Schulz trug Sigmar Gabriel öffentlich aus. Zu seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt und dem Weg ins Private zitierte Gabriel gegenüber unserer Redaktion seine Tochter: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“
Einen Streit mit Parteikollege Martin Schulz trug Sigmar Gabriel öffentlich aus. Zu seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt und dem Weg ins Private zitierte Gabriel gegenüber unserer Redaktion seine Tochter: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“ © dpa | Kay Nietfeld
Sigmar Gabriel bei seinem Sprung in die Spitzenpolitik: Am 15. Dezember 1999 wurde der gebürtige Goslarer als Ministerpräsident Niedersachsens vereidigt. Schon 1977 war er als 18-Jähriger in die SPD eingetreten. Nach einigen Jahren in der Kommunalpolitik zog Gabriel 1990 in den Landtag ein.
Sigmar Gabriel bei seinem Sprung in die Spitzenpolitik: Am 15. Dezember 1999 wurde der gebürtige Goslarer als Ministerpräsident Niedersachsens vereidigt. Schon 1977 war er als 18-Jähriger in die SPD eingetreten. Nach einigen Jahren in der Kommunalpolitik zog Gabriel 1990 in den Landtag ein. © REUTERS | REUTERS / Peter Mueller
Gratulation und Unterstützung gab es besonders von Genosse Gerhard Schröder.
Gratulation und Unterstützung gab es besonders von Genosse Gerhard Schröder. © REUTERS | REUTERS / Christian Charisius
Gabriel war damals der dritte Ministerpräsident in einer Legislaturperiode. Zuvor hatten Gerhard Schröder und Gerhard Glogowski das Amt niederlegen müssen. Schröder wegen seines Wechsels ins Kanzleramt, Glogowski wegen des Vorwurfs, er habe sich durch seine Stellung materielle Vorteile verschafft.
Gabriel war damals der dritte Ministerpräsident in einer Legislaturperiode. Zuvor hatten Gerhard Schröder und Gerhard Glogowski das Amt niederlegen müssen. Schröder wegen seines Wechsels ins Kanzleramt, Glogowski wegen des Vorwurfs, er habe sich durch seine Stellung materielle Vorteile verschafft. © imago stock&people | imago
„Klar für Sigmar“ sollte Niedersachsen auch 2003 sein, zumindest nach Vorstellung der SPD. Allerdings setzte es bei der Landtagswahl in diesem Jahr eine schallende Ohrfeige: minus 14,5 Prozent, während die CDU mit Spitzenkandidat Christian Wulff über zwölf Prozent zulegte und die Wahl gewann.
„Klar für Sigmar“ sollte Niedersachsen auch 2003 sein, zumindest nach Vorstellung der SPD. Allerdings setzte es bei der Landtagswahl in diesem Jahr eine schallende Ohrfeige: minus 14,5 Prozent, während die CDU mit Spitzenkandidat Christian Wulff über zwölf Prozent zulegte und die Wahl gewann. © imago stock&people | imago
Von 2003 bis 2005 war Gabriel stellvertretender Vorsitzender der SPD in Niedersachsen und Chef des SPD-Bezirks Braunschweig. Und er hatte noch genug Zeit, um sich als Partei-Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs einspannen zu lassen. Spitzname: Siggi Pop.
Von 2003 bis 2005 war Gabriel stellvertretender Vorsitzender der SPD in Niedersachsen und Chef des SPD-Bezirks Braunschweig. Und er hatte noch genug Zeit, um sich als Partei-Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs einspannen zu lassen. Spitzname: Siggi Pop. © imago stock&people | imago
2005 stand für Gabriel dann der Umzug nach Berlin an. Er war erstmals zur Bundestagswahl angetreten und gewann das Direktmandat seines Wahlkreises mit 52,3 Prozent der Erststimmen. Auch bei den Wahlen 2009 und 2013 holte er das Mandat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berief ihn in der großen Koalition zum Chef des Umweltministeriums, Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) vereidigte ihn am 22. November.
2005 stand für Gabriel dann der Umzug nach Berlin an. Er war erstmals zur Bundestagswahl angetreten und gewann das Direktmandat seines Wahlkreises mit 52,3 Prozent der Erststimmen. Auch bei den Wahlen 2009 und 2013 holte er das Mandat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berief ihn in der großen Koalition zum Chef des Umweltministeriums, Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) vereidigte ihn am 22. November. © imago stock&people | imago
In seiner Zeit als Umweltminister nahm Gabriel nicht nur Hybrid-Autos unter die Lupe, wie hier im Juni 2008 mit dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn – er setzte sich auch auf anderen Wegen für die Energiewende ein und forcierte den Atomausstieg.
In seiner Zeit als Umweltminister nahm Gabriel nicht nur Hybrid-Autos unter die Lupe, wie hier im Juni 2008 mit dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn – er setzte sich auch auf anderen Wegen für die Energiewende ein und forcierte den Atomausstieg. © imago stock&people | imago stock&people
Am 13. November 2009 wurde Gabriel auf dem Bundesparteitag in Dresden zum SPD-Vorsitzenden gewählt. 94,2 Prozent der Delegierten stimmten damals für ihn.
Am 13. November 2009 wurde Gabriel auf dem Bundesparteitag in Dresden zum SPD-Vorsitzenden gewählt. 94,2 Prozent der Delegierten stimmten damals für ihn. © imago stock&people | imago stock&people
Sigmar Gabriel beim Bierchen mit der damaligen NRW-Vizechefin Hannelore Kraft beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Jahr 2010. In den folgenden Jahren wurde Gabriels Rückhalt in der Partei langsam, aber sicher immer kleiner. Beim Bundesparteitag 2011 vereinte er 91,6 Prozent der Stimmen auf sich, 2013 waren es nur noch 83,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 ging Peer Steinbrück als Spitzenkandidat der SPD ins Rennen.
Sigmar Gabriel beim Bierchen mit der damaligen NRW-Vizechefin Hannelore Kraft beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Jahr 2010. In den folgenden Jahren wurde Gabriels Rückhalt in der Partei langsam, aber sicher immer kleiner. Beim Bundesparteitag 2011 vereinte er 91,6 Prozent der Stimmen auf sich, 2013 waren es nur noch 83,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 ging Peer Steinbrück als Spitzenkandidat der SPD ins Rennen. © imago stock&people | imago stock&people
Nach dem Desaster für die FDP bei der Bundestagswahl 2013 wurde die SPD wieder Koalitionspartner der Union. Gabriel ist seitdem Vize-Kanzler und war bis Januar 2017 Wirtschaftsminister.
Nach dem Desaster für die FDP bei der Bundestagswahl 2013 wurde die SPD wieder Koalitionspartner der Union. Gabriel ist seitdem Vize-Kanzler und war bis Januar 2017 Wirtschaftsminister. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
2015 äußerte Gabriel, dass er bei der Bundestagswahl „natürlich“ Kanzlerkandidat werden wolle. Das hat sich geändert. Am 24. Januar 2017 bestätigter er seinen Verzicht auf die SPD-Kanzlerkandidatur und legte auch den SPD-Vorsitz nieder.
2015 äußerte Gabriel, dass er bei der Bundestagswahl „natürlich“ Kanzlerkandidat werden wolle. Das hat sich geändert. Am 24. Januar 2017 bestätigter er seinen Verzicht auf die SPD-Kanzlerkandidatur und legte auch den SPD-Vorsitz nieder. © REUTERS | AMIR COHEN
Mit dem Wechsel von Frank-Walter Steinmeier ins Bundespräsidentenamt wurde Gabriel für die restliche Legislaturperiode Außenminister der Koalition. Dieses Foto zeigt ihn während seiner Rede am 21. September 2017 bei der 72. UN-Vollversammlung in New York (USA).
Mit dem Wechsel von Frank-Walter Steinmeier ins Bundespräsidentenamt wurde Gabriel für die restliche Legislaturperiode Außenminister der Koalition. Dieses Foto zeigt ihn während seiner Rede am 21. September 2017 bei der 72. UN-Vollversammlung in New York (USA). © dpa | Bernd von Jutrczenka
Gabriel im Gespräch mit Flüchtlingskindern im Flüchtlingslager „Hasansham U3“ bei Baschika, unweit von Mossul.
Gabriel im Gespräch mit Flüchtlingskindern im Flüchtlingslager „Hasansham U3“ bei Baschika, unweit von Mossul. © dpa | Kay Nietfeld
Gabriel und der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger im August 2017 in Kent (USA).
Gabriel und der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger im August 2017 in Kent (USA). © imago/photothek | Inga Kjer
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Gabriel bereitet seine Kandidatur vor

Der SPD-Chef bereitet seine Kandidatur seit Monaten vor, Anzeichen für einen Verzicht gibt es nicht. Im Gegenteil: Gabriels Besuch eines rot-rot-grünen Abgeordnetentreffens in dieser Woche gilt als Signal, dass er mit hartem Einsatz für die Ablösung der Kanzlerin kämpfen würde. Ein rot-rot-grünes Bündnis ist zwar unwahrscheinlich, möglich wäre es aber allenfalls mit Gabriel – nicht mit Schulz.

Im Parteivorstand holte sich der SPD-Chef Rückendeckung für den Plan, trotz der Debatten die Kandidatenfrage erst Anfang 2017 offiziell zu klären – das soll die Arbeitsfähigkeit der Koalition möglichst lang erhalten und Konflikte um Wahlprogrammaussagen zu Rente und Steuern entschärfen. Eckpunkte des Programms will die SPD am 30.Oktober bei einem Kongress beraten. Gabriel wird gleich zu Beginn ausführlich reden, später diskutieren führende Genossen. Für Schulz ist kein Auftritt vorgesehen.