Nach dem dritten TV-Duell entpuppt sich Trump als Saboteur
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Der Präsidentschaftskandidat drohte beim TV-Duell, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Staatliche Stellen bezeichnen es als unhaltbar.
Wenn Laura Ingraham ihrem „Helden“ öffentlich in die Parade fährt, muss es wirklich schlimm stehen um Donald Trump. „Er hätte sagen sollen, dass er das Ergebnis akzeptiert“, twitterte die landesweit bekannte rechtspopulistische Lobbyistin kurz nach dem Sündenfall von Las Vegas. Der republikanische Präsidentschaftskandidat hatte in der dritten und letzten TV-Debatte mit seiner Konkurrentin Hillary Clinton mit zwei Sätzen an den Grundfesten von 240 Jahren amerikanischer Demokratie gerüttelt.
Auf mehrfaches Nachbohren von Moderator Chris Wallace, ob er für den Fall seiner Niederlage am 8. November das Ergebnis hinnehmen und „wie es Tradition ist dem Gewinner gratulieren wird“, ließ der Unternehmer die Bombe platzen. Abwarten. „Ich werde es Ihnen sagen, wenn es so weit ist. Ich werde euch auf die Folter spannen, okay.“
Er wird die Wahl doch anerkennen – wenn er gewinnt
Clinton wertete die Provokation als „entsetzlich“. Selbst das Trump unerschütterlich die Stange haltende „Wall Street Journal“ erkannte in dem Vorbehalt „die beschämendste Äußerung eines Präsidentschaftsanwärters in 160 Jahren“. Noch in der Nacht zu Donnerstag bemühten sich die Büchsenspanner des New Yorker Milliardärs um Schadensregulierung. „Natürlich wird er den Ausgang der Wahl anerkennen“, sagte Republikaner-Geschäftsführer Reince Priebus stellvertretend.
Trumps Kampagnen-Managerin Kellyanne Conway versuchte es mit Galgenhumor: „Klar wird er die Wahl akzeptieren, er gewinnt sie ja.“ Dass die Meinungsforscher seit Tagen das exakte Gegenteil verheißen, sogar einen erdrutschartigen Sieg Clintons für möglich halten – geschenkt.
Von Bürgerkrieg ist öffentlich die Rede
Dass die „atemberaubende Missachtung unserer Demokratie“, so Senator Lindsey Graham, selbst bei Republikanern Schockstarre auslöst, ist kein Zufall. Seit zwei Wochen, seit das Video mit frauenverachtenden Bemerkungen Trumps („Greif ihnen zwischen die Beine“) die Debatte dominiert, startet der Polit-Seiteneinsteiger auf seinen von Wut und Hass geprägten Veranstaltungen immer wieder ein und denselben Präventivschlag: Die Wahlen seien „rigged“ (also getrübt).
Eine „globale Verschwörung“, angeführt von Clinton und publizistisch begleitet durch Medien, die „die Köpfe der Wähler vergiften“, sei fest entschlossen, ihm den Sieg zu „stehlen“. Ohne belastbare Belege vorzubringen, behauptet Trump, dass „Millionen“ Illegale und Karteileichen in den Wählerregistern eingetragen seien. Alles inszeniert von Clinton, die er in Las Vegas eine „eklige Frau“ nannte.
Hillary Clinton will Präsidentin werden
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Trump widerspricht Gewaltaufrufen nicht
Während sämtliche staatliche Stellen, aber auch honorige Republikaner bis hin zu Trumps Vize-Kandidat Mike Pence, die vorauseilenden Betrugsvorwürfe als unhaltbar bezeichnen, drückt Trumps Attacke beim harten Kern seiner Anhänger auf einen Nerv. Von „Bürgerkrieg“ ist öffentlich die Rede. Und von der „staatsbürgerlichen Pflicht, Clinton aus dem Verkehr zu ziehen“.
Trump hat diesen verkappten Gewaltaufrufen nie widersprochen. Dass Trump drei Wochen vor der Wahl deren Legitimation abspricht und damit auch der potenziellen Siegerin Hillary Clinton, steht im Gegensatz zu seinen Worten in der ersten TV-Debatte. Ende September sagte er noch, er werde eine Präsidentin Clinton „unbedingt unterstützen“.
Donald Trumps schlimmste Sprüche
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Analysten sehen das extrem verletzte Ego Trumps
Warum der Sinneswandel? Und welche Mittel hätte Trump überhaupt in der Hand, das Stimmenergebnis in der Schwebe zu halten?
Analysten erkennen in der Attacke das „extrem verletzte Ego“ Trumps, der Niederlagen in seinem Lebensplan nicht vorgesehen hat. „Schaut man auf die Umfragen“, so das Magazin „Politico“, „wird es aber genau dazu kommen“. Nennenswerte Hebel hat Trump nicht in der Hand. Es sei denn, der „Nachweis für einen Betrug in der Wahlkabine oder bei der Auszählung kann schnell und gerichtsfest erbracht werden“, sagen Wahlrechts-Experten der American University in Washington. Bis 13. Dezember müssten die Gerichte bis hin zum Supreme Court in Washington bemüht werden. Sechs Tage später schafft das Wahlmänner-Gremium Fakten – und wählt mit 270 Stimmen den neuen Präsidenten. Clinton hat laut Umfragen bereits über 300 sicher. „Seine eigene Parteispitze hat Trump längst aufgegeben und hofft auf einen möglichst würdigen Abgang“, wie ein republikanischer Lobbyist unserer Redaktion sagte.
Konkurrenten standen Machtübergang nie im Weg
Beispiele dafür, dass im de facto Zwei-Parteien-Staat Amerika am Ende selbst nach erbitterten Auseinandersetzungen die Konkurrenten einem friedlichen Machtübergang nicht im Weg standen, gibt es zuhauf. Bereits vor 150 Jahren sagte der Abraham Lincoln unterlegene Senator Stephen Douglas: „Parteigeist muss dem Patriotismus weichen. Ich stehe auf Ihrer Seite, Herr Präsident, und Gott schütze Sie.“
In der Neuzeit steht der Demokrat Al Gore für den ehrenhaften Umgang mit einer Niederlage; und das unter widrigsten Bedingungen. Vor 16 Jahren errang der frühere Vize von Bill Clinton landesweit 330.000 Stimmen mehr als sein republikanischer Rivale George W. Bush. Weil am Ende nach einem historischen Stimmzettel-Drama in Florida Gore wenige Hundert Voten fehlten und der Oberste Gerichtshof nach wochenlanger Hängepartie keine verfassungsmäßige Möglichkeit zur Neuwahl sah, wurde Bush Präsident.
Al Gore bewies, wie man mit Stil verliert
Al Gore trat im Dezember 2000 vor die Kameras und hielt die vielleicht beste Rede seiner Laufbahn. Der Streit sei entschieden „durch die erprobten Institutionen unserer Demokratie“. Und: „Ich akzeptiere die Endgültigkeit dieses Ergebnisses.“ Was vom „Parteigroll übrig geblieben ist“, müsse beiseite geschoben werden. „Möge Gott die Präsidentschaft meines Konkurrenten schützen.“
Solche Sätze wünscht sich eine Mehrheit in Amerika im Falle eines Falles auch von Trump. Im Bundesstaat Ohio schien der angeschlagene Kandidat die Erwartung gestern zu erfüllen. Er werde „voll und ganz“ das Wahlergebnis hinnehmen, sagte Trump. Um nach einer Kunstpause anzufügen: „Wenn ich gewinne.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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