Johannesburg/Berlin. Die Kanzlerin will mit ihrer Reise nach Mali, Niger und Äthiopien vor allem eines: die Fluchtursachen bekämpfen. Aber ob das gelingt?

Mit Krisenherden kennt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel aus: Brexit, Griechenland, Türkei, Syrien, Ukraine. Und nun Afrika. Am Sonntag ist die Kanzlerin zu einer dreitägigen Reise in den Westen und Osten des Kontinents aufgebrochen – nach Mali, Niger und Äthiopien. Im Zentrum steht die Bekämpfung der Fluchtursachen, für Merkel der Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingskrise.

Die Kanzlerin treibt das Kalkül, dass das im Chaos versunkene Libyen bis auf Weiteres als Partner ausfällt. Von dort wagen aber Tausende die oft lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Italien. Also richtet Merkel den Blick bereits auf Fluchtrouten in Richtung Küste, damit Migranten gar nicht erst so weit in den Norden ziehen. Es geht um die Stabilisierung der Länder – mit Personal, Geld und logistischer Unterstützung.

550 Bundeswehrsoldaten sind in Mali

Flüchtlinge aus Nigeria versammeln sich in der Stadt Diffa im Nachbarland Niger. Von hier aus machen sich Hunderttausende auf den Weg nach Norden.
Flüchtlinge aus Nigeria versammeln sich in der Stadt Diffa im Nachbarland Niger. Von hier aus machen sich Hunderttausende auf den Weg nach Norden. © REUTERS | REUTERS / LUC GNAGO

Auf ihrer ersten Station am Sonntag in Mali steht Konfliktentschärfung ganz oben auf der Agenda. Im Norden des Landes sind islamistische Terrorgruppen aktiv. Die Bundeswehr will helfen, mehr Stabilität zu erreichen, und beteiligt sich allein mit mehr als 550 Soldaten an einer UN-Mission. Auch im Niger ist die Bundeswehr präsent. In der Hauptstadt Niamey, wo Merkel am Montag landet, sind 40 deutsche Soldaten und zwei Transall-Maschinen stationiert, um die Mission in Mali zu versorgen.

Dabei hat auch Niger mit massiven Problemen zu kämpfen. Das ärmste Land der Welt mit einer der höchsten Geburtenraten ist ein Drehkreuz für Flüchtlinge. Allein von Februar bis Mitte August zählte die Internationale Organisation für Migration 240.000 Menschen, die nach Libyen weiterreisten – vor allem durch die Wüstenstadt Agadez.

Die Sahelzone ist das größte Sorgenkind Afrikas

„Niger kann da etwas machen“, hatte Präsident Mahamadou Issoufou schon signalisiert, als er Merkel im Juni in Berlin besuchte. Da wären zum Beispiel Aufnahmezentren und Möglichkeiten, damit Menschen in ihre Länder zurückkehren können. „Aber die Schlüsselfrage, die sich natürlich stellt, ist die Frage der Finanzierung“, fügte er hinzu. Die bisher von der EU für einen Afrika-Hilfsfonds in Aussicht gestellten 1,8 Milliarden Euro reichten nicht. Deutschland hat bereits mit Italien und der Ex-Kolonialmacht Frankreich eine EU-„Migrationspartnerschaft“ für Mali und Niger übernommen. Nun geht es um Projekte.

Die Sahelzone, die sich von Mauretanien bis in den Sudan erstreckende Region, ist das größte Sorgenkind Afrikas. Nirgendwo ist die Armut größer, nirgendwo hat die Klimaerwärmung schlimmere Folgen. Die europäischen Bemühungen, den anhaltenden Flüchtlingsansturm in Westafrika einzudämmen, sind bislang eher überschaubar. Von Brüssel entsandte Polizisten sollen hier darauf hinwirken, dass Migranten die Reise durch die gefährliche Wüste, das noch gefährlichere Libyen und das tödliche Mittelmeer gleich wieder abbrechen.

Libyen war lange Anlaufstelle für viele Afrikaner

Zu diesem Zweck wurden mehrere Zentren eingerichtet, in denen Westafrikaner zur Rückkehr in ihre jeweilige Heimat bewogen werden sollen. Ob die europäischen Ordnungshüter damit Erfolg haben werden, ist zumindest umstritten. Denn Senegalesen, Gambier, Guineer, Ghanaer oder Nigerianer kehren ihrer Heimat schon seit Jahrzehnten den Rücken, um anderswo nach Arbeit zu suchen. Viele von ihnen blieben bislang in Nordafrika, vor allem im erdölreichen Libyen. Das dortige Chaos treibt sie nun allerdings nach Europa weiter.

In Äthiopien erwartet Merkel am Dienstag ebenfalls ein schwieriges Terrain. Das Land erholt sich gerade von der schlimmsten Dürre seit 30 Jahren. Noch immer sind Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen. Zudem beherbergt Äthiopien nach UN-Angaben mehr als 740.000 Flüchtlinge aus dem Südsudan, aus Somalia und Eritrea.

Die äthiopische Polizei schlägt Proteste gewaltsam nieder

Äthiopien galt bisher immer als Freund des Westens, dem etwa im Konflikt mit dem undemokratischen Eritrea der Rücken gestärkt wurde. Immer deutlicher stellt sich jedoch heraus, dass das über beeindruckende Wachstumsraten verfügende Land selbst eine knallharte Diktatur ist. Die dortige Polizei schlägt die andauernden Proteste des Mehrheitsvolks der Oromo mit tödlicher Gewalt nieder.

Die von einer Minderheit der Tigre dominierte Regierung in Addis Abeba wird sich von Kanzlerin Merkel allerdings genauso wenig sagen lassen wie die Regierung in Eritrea, die ihre Bevölkerung zu endlosem Militärdienst verdonnert und so zur Flucht aus der Heimat drängt. Spätestens am Ende ihrer Stippvisite wird der Kanzlerin vermutlich klarer sein, dass sich die Ursachen der afrikanischen Migration nicht per Knopfdruck abstellen lassen.