Istanbul. Erneut wurden kritische Sender in der Türkei geschlossen. Die Behörden behaupten, die Aktion entspreche „den Regeln der Demokratie“.

Die türkischen Behörden gehen im Ausnahmezustand weiter gegen kritische Medien vor und haben die Schließung von zahlreichen Sendern angeordnet. Zwölf Fernseh- und elf Radiosender würden „wegen Beihilfe zum Terrorismus“ geschlossen, sagte ein Sprecher des Rundfunk-und Fernsehrates RTÜK am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul.

Darunter ist auch der Kindersender Zarok TV, der unter anderem Zeichentrickserien wie „Biene Maja“ ins Kurdische übersetzt und ausstrahlt. Der Satelliten- und Kabelanbieter Türksat hatte die Ausstrahlung der betroffenen Stationen auf Anordnung von RTÜK bereits am Donnerstag gestoppt.

Reporter ohne Grenzen kritisieren Regierung

Der RTÜK-Sprecher betonte, mit der Maßnahme bewege sich die Türkei im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit. „In einem demokratischen Land haben wir nicht die Befugnis, einen Sender nach Gutdünken einfach abzuschalten. Das alles wurde vollkommen rechtskonform, nach den Regeln der Demokratie und der Justiz, durchgeführt.“

Reporter ohne Grenzen hatte vergangene Woche kritisiert, die Repression gegen Journalisten in der Türkei habe „ein nie gekanntes Ausmaß erreicht“.

„Die nationale Sicherheit gefährdet“

RTÜK beruft sich bei den jüngsten Maßnahmen nach Angaben des Sprechers auf ein nach dem Putschversuch von Mitte Juli erlassenes Notstandsdekret. Das Dekret erlaubt der Regierung die Schließung von Medien und Verlagen, die „die nationale Sicherheit gefährden“, ohne Gerichtsbeschluss. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP kritisierte am Freitag unter anderem dieses Dekret als verfassungswidrig. Die Notstandsdekrete können nicht vor dem Verfassungsgericht angefochten werden.

Ein Redakteur des betroffenen kurdischsprachigen Nachrichtenkanals Azadi TV namens Remzi Budancir sagte, die Maßnahme richte sich gegen Berichterstattung, die nicht dem Regierungskurs folge. Sein Sender sei nicht offiziell informiert worden. RTÜK habe die von Staatsmedien gemeldete Schließung nur auf Nachfrage bestätigt. „Wir haben noch nie auch nur eine Verwarnung von RTÜK kassiert“, sagte er. „Die Schließung der Sender ist eine willkürliche Entscheidung. Nun gibt es wirklich keinen Kanal mehr in der Türkei, der kritische oder auch nur objektive Berichterstattung liefern kann.“

Onlineseiten sind nicht mehr erreichbar

Die Internetseiten zahlreicher betroffener Sender waren am Freitag in der Türkei nicht mehr abrufbar. Noch am Donnerstag wurden zwei der betroffenen zwölf TV-Sender ganz geschlossen. Die Reporterin Hülya Emec von Van TV sagte am Freitag, der Firmenbesitz des Senders sei von den Behörden beschlagnahmt worden. Alle 50 Angestellten von Van TV seien über Nacht arbeitslos geworden.

Mit dem umstrittenen Notstandsdekret waren noch im Juli drei Nachrichtenagenturen, 16 Fernsehsender, 23 Rundfunkstationen, 15 Magazine und 45 Zeitungen wegen angeblicher Gülen-Nähe geschlossen worden. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. (dpa)