Kairo. Der syrische Machthaber Baschar al-Assad und die Russen fliegen Angriff auf Angriff. Der Westen hat keinen Plan B in der Hinterhand.

Ohnmächtig und fassungslos schaut die Welt auf das Gemetzel von Aleppo. Vor aller Augen werden die 250.000 Bewohner im Osten der Stadt mit Bunkerbrechern und Phosphorgranaten in Grund und Boden bombardiert. Rund um die Uhr graben Helfer Kinder aus den Trümmern. Mit barbarischer Präzision nehmen die Angreifer auch noch die letzten Krankenhäuser und Hilfsstationen unter Feuer.

Baschar al-Assad und seine russischen Verbündeten gehen aufs Ganze. Nach ihrem Kalkül wäre eine Rückeroberung von ganz Aleppo die Vorentscheidung des gut fünfjährigen Bürgerkriegs. Im UN-Sicherheitsrat fliegen die Fetzen. Auf westlicher Seite dominieren hilflose Wut und harsche Worte.

Russischen Generäle setzen in Aleppo auf Sieg

Der Genfer Verhandlungstisch ist gescheitert. Denn jede diplomatische Initiative beruhte auf der Voraussetzung, dass alle Seiten akzeptieren, der Krieg ist nach 300.000 Toten militärisch nicht mehr zu gewinnen. Doch in diesem Kernpunkt legte sich Russland in den letzten acht Monaten nie richtig fest. Als Assad im Februar stur auf die Rückeroberung ganz Syriens pochte, reagierte Moskau mit einer scharfen Rüge. Seit Sommer jedoch bleibt diese Regime-Rhetorik unbeanstandet. Und jetzt setzen offenbar auch die russischen Generäle mit ihrem Bombardement auf Aleppo allein auf Sieg.

Und so war Genf rückblickend nur ein Instrument für Russland und das syrische Regime, Zeit zu gewinnen, die eigenen militärischen Optionen auszuloten und vor der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten auf dem syrischen Schlachtfeld unumkehrbare Fakten zu schaffen.

Den Eliten im Nahen Osten geht es um Macht

US-Außenminister John Kerry hatte für diesen Fall stets mit einem Plan B gedroht. Doch es gibt keinen Plan B und keine westliche Strategie, die Zivilisten in Syrien zu schützen. Die Weichen dafür wurden vor drei Jahren gestellt, als sich Präsident Barack Obama nach den Giftgasattacken nicht entschließen konnte, Angriffe gegen das Assad-Regime zu fliegen. Wer aber nicht bereit ist, syrische Kampfjäger vom Himmel zu holen, kann auch die Zivilbevölkerung nicht gegen einen Luftterror schützen, wie ihn Assad und Wladimir Putin jetzt über dem Osten Aleppos entfesseln.

Und so sieht die Obama-Adminis­tration die Syrientragödie inzwischen primär durch die Linse des Anti-Terror-Kampfes. Al-Qaida und die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) jedoch sind nur Symptome einer viel fundamentaleren Krise des Nahen Ostens, nämlich der chronischen Unfähigkeit ihrer Eliten zu sauberer und verantwortlicher Regierungspraxis. Ihnen geht es einzig und allein um Macht, entsprechend korrupt und skrupellos ist ihr Staatshandeln.

Mit Assad ist kein Staat mehr zu machen

Syrien wie der gesamten Region fehlen fundamentale Voraussetzungen für offene und partizipatorische Gesellschaften, ein Defizit, was niemand von außen beseitigen kann und was sich nicht wegbomben lässt. Und so werden auch die derzeit wie rasend auf Aleppo dreinschlagenden Russen irgendwann erkennen müssen, dass mit einem Schlächter und Despoten wie Baschar al-Assad kein Staat mehr zu machen ist.