Unter der Kuppel. Große Debatte um die Sterbehilfe: Mit SPD-Fraktionsvize Carola Reimann (Braunschweig) sprach Christian Kerl.

Frau Dr. Reimann, bevor der Bundestag Mitte November über Sterbehilfe debattiert, bekommt das Thema neue Aktualität. EKD-Ratspräsident Schneider macht sich für Sterbehilfe stark, auch Ex-MDR-Intendant Reiter warb dafür – und erschoss sich selbst.

Ja, die Debatte ist durch den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Gang gekommen. Herr Schneider sagt, wenn seine schwerkranke Frau Sterbehilfe wolle, würde er sie auf diesem Weg begleiten. Das hat bei vielen zu großer Nachdenklichkeit geführt - weniger der Tod von Herrn Reiter, der ja einen anderen Weg wählte. Es ist gut, dass das Thema mehr und mehr diskutiert wird. Am Donnerstag werde ich gemeinsam mit Peter Hintze (CDU) und Kollegen von SPD und Union unsere Initiative für eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe vorstellen.

Was ist Kern Ihrer Initiative?

Wir wollen weg von der Verbotsdebatte. Ärzte sollen ihre schwerkranken Patienten in einer existenziellen, ausweglosen Situation so begleiten können, dass sie auch Beihilfe zum Suizid rechtssicher leisten dürfen. Das möchte auch die Mehrheit der Bevölkerung.

Wie ist die Rechtslage heute?

Diffus. Beihilfe zum Suizid ist straffrei, die Ärzteschaft hat es aber in ihrem Standesrecht ausgeschlossen – mit Unterschieden in einzelnen Bundesländern, teilweise droht der Entzug der Zulassung. In der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen steht explizit, Ärzte dürften keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.

Was wollen Sie ändern?

Diese Dinge sollen im vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis offen angesprochen werden können. Beihilfe zur Lebensbeendigung muss im Bürgerlichen Gesetzbuch klar geregelt werden. Es geht um Patienten, die schwerkrank sind, volljährig und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Für den Arzt bleibt es eine Gewissensentscheidung, niemand wird gezwungen.

Ihre Initiative ist eine von vier, über die der Bundestag 2015 entscheidet. Die Mehrheit der Union will ein strafrechtliches Verbot: Für Ärzte, die regelmäßig Sterbehilfe leisten, und für Sterbehilfevereine.

Verbote schaffen die Probleme nicht aus der Welt, den Weg über das Strafrecht halte ich für falsch. Ich will auch keine Sterbehilfeorganisationen, vor allem keine kommerziellen. Aber bei Verboten dürfen nicht auch Ärzte oder die Palliativversorgung in Verdacht geraten. Die Organisationen haben nur Zulauf, weil es keine andere Unterstützung gibt. Im Mittelpunkt müssen die Bedürfnisse der Schwerkranken stehen – solcher Menschen, die trotz guter Behandlung und Begleitung in aussichtsloser Lage unzumutbar leiden.