An der Schwelle zum neuen Jahr richtet sich der Blick auf die neuen Gewichte der Weltwirtschaft. Jenseits des europäischen Kontinents und seiner ökonomischen Krise rücken Staaten ins Kraftzentrum der Weltpolitik, die an Bevölkerungszuwachs und wirtschaftlicher Dynamik die traditionellen Industrieländer übertreffen. Deren Volkswirtschaften wachsen bei schrumpfender Bevölkerung langsamer oder stagnieren gar.

Asien sieht sich als Mittelpunkt der globalisierten Welt und schaut mitleidig nach Europa. Der alte Kontinent bleibt ein wichtiger Exportmarkt, politisch aber wird er aus der Perspektive Chinas oder Indiens kaum wahrgenommen. Fast unverständlich erscheint der quälende Prozess zur Rettung Griechenlands. Vor allem den Ostasiaten gilt politische Stabilität als wesentlicher Garant für anhaltendes Wachstum. Diese Stabilität schafft ein starker, nicht notwendigerweise demokratischer Staat.

Auch Lateinamerika strotzt, wenige Wochen vor dem Gipfel der EU-Staaten mit dem lateinamerikanischen Staatenbund CELAC, vor Selbstbewusstsein. Gastgeber Chile, das Land mit den höchsten Wachstumsraten in der OECD, wähnt sich auf dem Sprung zu einem vollwertigen Mitglied der „entwickelten Welt“. Der boomende Halbkontinent setzt freilich auf das Know-how des krisengeschüttelten Europa, um seine Defizite in Produktivität, Technik und Forschung überwinden zu können.

Selbst das Armenhaus Afrika südlich der Sahara liefert nicht mehr durchgängig das Zerrbild von allgegenwärtigem Schrecken und Chaos. Die Wachstumsraten bleiben zwar bescheiden und werden zumeist vom hohen Bevölkerungswachstum aufgezehrt. Eine Studie der Columbia Universität will jedoch herausgefunden haben, dass der Anteil der absolut Armen, die von weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen, um rund zehn Prozent gesunken ist.

Die Menschen in den nordafrikanischen Umbruchstaaten hingegen warten zwei Jahre nach Ausbruch des arabischen Frühlings noch immer auf die Revolutionsdividende. Der nach den Umstürzen erhoffte Boom ist bislang in Tunesien, Libyen oder Ägypten ausgeblieben.

Vom ungleichmäßigen Wachstum der Weltwirtschaft profitieren vor allem die Schwellenländer, allen voran China. Das Reich der Mitte behauptet sich als Werkbank der Welt und fängt mit einem massiven Ausbau seiner Infrastruktur schrumpfende Zuwachsraten auf. Neben China gewinnen auch die anderen BRIC-Staaten Brasilien, Russland und Indien an Gewicht. Russland und Brasilien wachsen wegen der Exporte ihrer Rohstoffe Gas bzw. Soja und Erze. Indien hingegen muss dringend seine Infrastruktur verbessern, um zu China aufzuschließen.

Ungleich rasanter werden die MIST-Staaten wachsen – eine Wortschöpfung des Goldman Sachs-Ökonomen Jim O’Neill: Mexiko, Indonesien, Südkorea und die Türkei, prophezeit er, werden zusammen mit den BRIC-Staaten im kommenden Jahrzehnt für mehr als 60 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums stehen.